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Kolumne Gott und die WeltSchande und Farce

Kolumne
von Micha Brumlik

In Offenbach will sich Anfang Oktober die Gruppe „Juden in der AfD“ gründen. Historische Parallelen zu Weimarer Zeiten drängen sich auf.

Bisher waren drei Mitglieder jüdischer Gemeinden Mitglieder dieser rechtsextremen Partei Foto: dpa

J a, es gibt tatsächlich Leute, die der Pest die Cholera vorziehen und deshalb den Teufel mit dem Beelzebub austreiben wollen. So soll zuverlässigen Quellen zufolge Anfang Oktober in Offenbach am Main eine Organisation „Juden in der AfD“ gegründet werden.

Bisher waren schon drei Mitglieder jüdischer Gemeinden Mitglieder dieser rechtsextremen Partei: Wolfgang Fuhl, Mitglied der Jüdischen Gemeinde in Lörrach, Alexander Beresowski, Mitglied der Jüdischen Gemeinde in Stuttgart, und Emanuel Krauskopf aus Frankfurt, der sogar Delegierter auf Parteitagen der AfD ist.

Wolfgang Fuhl, ehemaliges Mitglied im Zentralrat der Juden, war Maoist, dann bei den Jusos und in der Gewerkschaft aktiv und gibt nun an, seiner Kinder wegen konservativ geworden zu sein. Der 1965 in Odessa geborene Beresowski wiederum begründete seine ­Mitgliedschaft damit, nicht in einer künftigen „EUdSSR“ leben zu wollen.

Sowohl Fuhl als auch Beresowski hatten in Interviews mit der Jungen Freiheit angekündigt, die Partei zu verlassen, falls der bekennende Antisemit Wolfgang Gedeon, ehemals Mitglied der AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag, nicht ausgeschlossen werde. Indes: Gedeon ist zwar kein Fraktionsmitglied mehr, aber noch immer Parteimitglied.

Angst vor dem Islam

Und Krauskopf? Laut taz sagte er 2017 bei einer öffentlichen Versammlung: „Die Problematik für uns Juden liegt darin, dass die Anzahl der Judenhasser steigt – und sie steigt mit jeder Woche, mit der mehr Moslems zu uns kommen.“ Erst am Wochenende habe er mit Björn Höcke gesprochen, der selbstverständlich „ein national denkender Deutscher“ sei.

Gilt also Albert Einsteins Sottise noch immer, 2018? „Schau ich mir die Juden an, hab ich wenig Freude dran. / Fallen mir die andern ein, bin ich froh ein Jud zu sein.“

Hauptmotiv aller jüdischen AfD-Mitglieder ist ihre Angst vor dem Islam und muslimischem Judenhass. Nun ist tatsächlich – rein kriminalstatistisch betrachtet – nicht zu bestreiten, dass die in den vergangenen zwei Jahren bekannt gewordenen körperlichen Angriffe auf Juden nicht von deutschen Rechtsextremisten, sondern von muslimischen jungen Männern begangen wurden. Müssen deshalb – wie Thilo Sarrazin in seinem neuesten Buch fordert – so viel Muslime wie möglich von Deutschland ferngehalten und der Islam zum Hauptfeind stilisiert werden?

Weit rechts stehende Vorgängerorganisationen

Hier drängen sich historische Parallelen auf: So gab es in der Weimarer Republik durchaus jüdische Börsenspekulanten und Kaufhausbesitzer, die manchen Mittelständler in den Ruin trieben. Aber nicht nur sie, sondern alle Juden wurden daraufhin zum Ziel hasserfüllter Kampagnen, weil sie Juden waren – gerade so, wie einzelne islamistische Gewalttäter für alle Muslime stehen sollen.

Überhaupt, die Weimarer Republik: Die „Juden in der AfD“ wissen wohl nicht einmal, dass sie damals weit rechts stehende Vorgängerorganisationen hatten: Am harmlosesten noch der 1919 gegründete „Reichsbund jüdischer Frontsoldaten“, dann – noch weiter rechts und vor allem gegen eigene, fremdartig wirkende Glaubensgenossen aus Polen gerichtet – der von Max Naumann 1921 gegründete, 1935 verbotene „Verband nationaldeutscher Juden.“

In der Satzung dieser Organisation hieß es: „Der Verband nationaldeutscher Juden bezweckt den Zusammenschluß aller derjenigen Deutschen jüdischen Stammes, die bei offenem Bekennen ihrer Abstammung sich mit deutschem Wesen und deutscher Kultur so unauflöslich verwachsen fühlen, dass sie nicht anders als deutsch empfinden und denken können. Er bekämpft alle Äußerungen und Betätigungen undeutschen Geistes, mögen sie von Juden oder Nichtjuden ausgehen, die das Wiedererstarken deutscher Volkskraft, deutscher Rechtlichkeit und deutschen Selbstgefühls beeinträchtigen und damit den Wiederaufstieg Deutschlands zu einer geachteten Stellung in der Welt gefährden.“

Es war Karl Marx, der einst feststellte, dass sich alle historischen Ereignisse zweimal abspielen: das erste Mal als Tragödie, das zweite Mal als Farce. Die „Juden in der AfD“ sind ein trauriges Beispiel für diese Einsicht.

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Autor und Kolumnist
1947 in der Schweiz geboren, seit 1952 in Frankfurt/Main. Studium der Philosophie und Pädagogik in Jerusalem und Frankfurt/Main. Nach akademischen Lehr- und Wanderjahren von 2000 bis März 2013 Professor für Theorien der Bildung und Erziehung in Frankfurt/Main. Dort von 2000 bis 2005 Direktor des Fritz Bauer Instituts – Studien- und Dokumentationszentrum zur Geschichte des Holocaust. Forschung und Publikationen zu moralischer Sozialisation, Bildungsphilosophie sowie jüdischer Kultur- und Religionsphilosophie. Zuletzt Kritik des Zionismus, Berlin 2006, Sigmund Freud. Der Denker des 20. Jahrhunderts, Weinheim 2006 sowie Kurze Geschichte: Judentum, Berlin 2009, sowie Entstehung des Christentums, Berlin 2010.Darüber hinaus ist er Mitherausgeber der „Blätter für deutsche und internationale Politik.“
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1 Kommentar

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  • 6G
    6175 (Profil gelöscht)

    Ich kenne einige jüdische Menschen, die schon 2013 entsetzt waren, als Henryk M. Broder Sympathien für die AfD bekundet hatte. In der rechten "Achse des Guten" verließ nach einigen solcher AfD-freundlichen Kommentare sogar der wie Broder und Maxeiner die menschengemachte Klimaerwärmung verniedlichende Herr Miersch die "Achse". Das alles ist eine Farce. Allerdings hörte ich auf der ersten größeren AfD-Demo in Hamburg 2013 schon unter den gut mittelständischen Haupt-Teilnehmern viel Gekeif gegen Muslime. Da dürfte dann der schmale gemeinsame Nenner zu suchen sein.