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Auto vs. FahrradZuckersüße Bevormundung

Radfahren in Kreuzberg 2018 ist wie in Peking 1970 – naja, fast. Leider wissen immer noch nicht alle Motorisierten, was die Nichtmotorisierten dürfen.

Nur wo dieses Zeichen prangt, müssen RadlerInnen auf „ihrem“ Weg fahren Foto: dpa

Als ich Ende vergangenen Jahres vom Stadtrand wieder in den taz-Dunstkreis gezogen bin, habe ich folgerichtig die U-Bahn gegen das Fahrrad getauscht. Eine Viertelstunde bei frischer Luft und Bewegung statt einer knappen halben im Sitzen und mit Zeit zum Lesen – gesünder ist es in jedem Fall. Aber nicht unbedingt weniger eng: Aus der Sicht des Zurückgekommenen herrscht auf dem Mehringdamm eine gefühlte Velo-Dichte wie in Peking um 1970. Was toll ist.

Nicht so toll ist die Buckelpiste, die zwischen legal, illegal und scheißegal parkenden Autos, Baustellencontainern, Mobike-Halden und allerlei Wildwuchs zum Halleschen Ufer führt und auch anno 2018 noch als Radweg durchgeht. Am Schicksal dieser Folterstrecke werde ich meine ganz persönliche Bilanz des Berliner Mobilitätsgesetzes festmachen, habe ich mir vorgenommen, auch wenn es ein bisschen borniert erscheinen mag.

Trotz seiner grundsätzlichen Unzumutbarkeit wird dieser Weg von den meisten RadlerInnen genutzt, auch von mir – immerhin herrscht auf den drei Spuren Fahrbahn daneben ganz schön rauer Verkehr. An diesem Morgen reicht’s mir aber, im Pulk entlangzuholpern, hinter der Gneisenaustraße schwenke ich ordnungsgemäß nach links, wo gerade ohnehin nicht viel passiert.

Bis jetzt: Ein Kleinwagen hupt mich von hinten an, noch mal und gleich noch mal. Das triggert meine radfahrerischen Verteidigungsreflexe, die ich mit den Jahren auf ein zivilisatorisch angemessenes Niveau konditioniert habe. Ich bremse, bleibe stehen, drehe mich um und signalisiere der älteren Dame und ihrem Beifahrer, dass ich ihr Begehr nicht interpretieren kann, obwohl ich natürlich genau weiß, was sie mir wild gestikulierend bedeuten wollen: Ab auf den Radweg!

Ich zucke mit den Schultern, der Kleinwagen überholt, kommt aber an der nächsten Kreuzung bei Rot zu stehen. Mein Einsatz: Ich klopfe – höflich – an die Scheibe, die der Beifahrer sogleich herunterfährt. „Sie sollten doch besser den Radweg benutzen“, flötet die sehr gepflegt wirkende Dame und strahlt mich an.

„Gerade Sie ohne Helm!“

„Sie wissen schon, dass ich den nicht benutzen muss, oder?“, erwidere ich. Sie strahlt bei vollem Gebisseinsatz weiter: „Aber es ist doch so viel Verkehr hier auf der Straße, das ist doch für Sie viel sicherer! Gerade wo Sie ohne Helm unterwegs sind!“ Ob solch zuckersüßer Bevormundung bleiben mir die Argumente weg: „Och na ja … “, sage ich noch, und dann wird es Grün.

Es bleiben gemischte Gefühle. Dass Autofahrende die Fahrbahn immer noch für ihr angestammtes Revier halten, aus Ignoranz oder wider besseres Wissen, ist und bleibt ärgerlich. Dass es ab und an auch ohne gegenseitiges Anschreien geht, lässt hoffen – zumindest ein bisschen.

PS: Weil es noch nicht mal in der taz-Redaktion alle wissen: Benutzungspflichtig ist ein Radweg nur, wenn er durch „Zeichen 237“ markiert wird: weißes Rad auf blauem Kreis. Sonst nicht.

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3 Kommentare

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  • bin immer extrem dankbar für mitfühlende berichte von der front.



    neulich waren für den Zug der Liebe ganze straßen von den blechmonstern befreit, und schon machte sich breit: ein gefühl ursprünglicher weite.

    autogeddon zerstört die städte.

    ab 15 radfahrer*** werden die mitfahrer* zu einem geschlossenen verband und haben das recht, gleich eine ganze straße (nspur) einzunehmen (u den himmel gleich mit).



    morgens auf dem weg zur arbeit könnte man das doch verabreden.



    "critical mass" machts vor. take care.

  • der radweg muss auch nicht benutzt werden, wenn sein zustand unzumutbar ist.

  • PS: Weil es noch nicht mal in der taz-Redaktion alle wissen: Benutzungspflichtig ist ein Radweg nur, wenn er durch „Zeichen 237“ markiert wird: weißes Rad auf blauem Kreis. Sonst nicht.



    #



    Zw. Benutzungspflicht & "benutzen dürfen" gib es doch Unterschiede? Oder??? Wenn andere Flächen Fußwege usw. nicht explizit für Fahrräder frei gegeben sind MUSS der Radler die Straße nutzen! (Wenn im das nicht durch Zeichen 254 Roter Ring um weißes Feld mit Rad in der Mitte, verboten wird.)

    Ohne jetzt zum Besserwisser zu werden, aber wenn „Zeichen 237“ nicht vorhanden ist, sind die Reste Farbe, bunte Steine, aufgemalte Räder usw. auf dem FUßWEG KEIN RADWEG mehr, sondern der ist dann AUSSCHLIEßLICH dem Fußgänger gewidmet & Radler haben dort nur als "Kinder" was verloren! :-)



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    Erst das Schild "Radfahrer frei" 1022-10 StVO macht den Fußweg zu einem Weg auf dem Radler AUCH unterwegs sein DÜRFEN.



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    So hat man es mit wenigstens mal beigebracht. Ist aber schon lange her:-)



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    Ein mit Zeichen 240/241 beschilderter Weg kann es auch sein, aber sonst?



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    Mach mal ein genaues "Recherchen", lieber Autor, das wird bestimmt, für Auto- & Radfahrer interessant :-)



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    Gruss Sikasuu