piwik no script img

„Der Spiegel“ wechselt Chefredaktion ausMehr „Manager Magazin“ wagen

Steffen Klusmann soll als neuer „Spiegel“-Chef Online- und Print-Redaktion zusammenlegen. Die Mitarbeitenden erfahren das aus den Medien.

Erst nachmittags wurde den Redaktionen im „Spiegel“-Verlag bestätigt: die Chefredaktion wechselt Foto: dpa

BERLIN taz | „Viel Erfolg der neuen Chefredaktion von @derspiegel“, twitterte der ehemalige US-Korrespondent des Hamburger Magazins und jetziges Mitglied der Chefredaktion der Zeit, Holger Stark, am Mittwochmorgen um 10.47 Uhr. Das war's. Auf Nachfragen, wer gemeint sei, reagierte er nicht.

Eine Viertelstunde später erschien auf der Website des Tagesspiegels eine recht kurze Meldung. Inhalt: Neuer Spiegel-Chef werde Steffen Klusmann, der bislang das Manager Magazin leitet. Stellvertreter*innen würden Spiegel-Online-Chefredakteurin Barbara Hans und Ullrich Fichtner, seit 2001 Spiegel-Reporter, die meiste Zeit in Paris.

Beim Manager Magazin saß man da gerade in der Layoutbesprechung zum neuen Heft, bei Spiegel Online lief der Tagesbetrieb im Großraumbüro. Erst am Nachmittag wurde gegenüber den verschiedenen Redaktionen bestätigt, dass Klusmann im Oktober zum Spiegel wechseln und ab Januar dann die Redaktion anführen werde.

Zwar ging schon lange das Gerücht, dass die Gesellschafter des Verlags – die Mitarbeiter KG, Gruner+Jahr und die Augstein-Erben – einen Nachfolger für Klaus Brinkbäumer suchten, dass der aber nun gefunden sei und vor allem, dass, wie so oft beim Spiegel, die Nachricht zuerst in anderen Medien stehen würde, bevor sie im eigenen Haus kommuniziert wird, damit hatte dann doch kaum jemand gerechnet.

Ex-„Stern“-Vize

Die offizielle Bestätigung des längst bekannten Wechsels an der Spitze kam dann erst um viertel vor vier. Darin der klare Auftrag an das neue Trio: Print- und Online-Redaktion sollen zusammengeführt werden. Eine gemeinsame Redaktion soll im Januar 2019 starten. Klusmann, Hans und Fichtner werden dann auch der Unternehmensleitung angehören.

Klusmann kennt die Spiegel-Gruppe schon lange von innen. Für das Manager Magazin, das auch zum Verlag gehört, schrieb er bereits Mitte der 90er. Später entwickelte und leitete er die Gruner+Jahr-Wirtschaftszeitung Financial Times Deutschland. Als sie Ende 2012 eingestellt wurde, übernahm Klusmann die stellvertretende Chefredaktion des Sterns. Ende 2013 wurde er Chefredakteur des Manager Magazins.

SpOn-Chefin Barbara Hans und Reporter Ullrich Fichtner werden Stellvertreter*innen

Dort gilt er als Reformer: Ihm ist es gelungen, Geld zu sparen, und trotzdem die Auflage des Heftes zeitweise zu steigern. Er hat ein neues Layout entwickeln lassen und die Redaktion verjüngt. Eine Bilanz, die das mächtige Gremium der Mitarbeiter des Print-Spiegels, die Mitarbeiter KG, schon lange wohlwollend beobachtete. In einer Rede vor den stillen Gesellschaftern lobte die Sprecherin der KG, Susanne Amann, bereits vor zwei Jahren die „gute Arbeit“ von Klusmann und seiner Redaktion – hatte für die eigene Chefredaktion aber nur Kritik übrig.

Mit der gibt es schon seit Längerem Konflikte. Brinkbäumer hat es nicht geschafft, den Auflagenverlust des Magazins zu stoppen. Aktuell liegt die verkaufte Auflage des Spiegels bei 704.000 Exemplaren, so niedrig wie zuletzt 1966. Vor allem aber wird ihm vorgeworfen, dass er die schon lange angestrebte Vereinigung von Print und Online nicht stark genug vorangetrieben habe. Man habe unterschiedliche Auffassungen davon gehabt, „wie die Spiegel-Redaktionen zusammenzuführen sind“, wird Spiegel-Geschäftsführer Thomas Hass in der Pressemitteilung des Hauses zitiert.

Chaotischer Mittwoch

Laut dieser soll die designierte Chefredaktion bis kommenden Januar „die geplante Redaktionsstruktur ausarbeiten und bei Spiegel und Spiegel Online in Ruhe und ausführlich vorstellen“. Der Veränderungsprozess solle „sorgfältig gemeinsam mit den Führungskräften und den Betriebsräten vorbereitet und beraten“ werden.

Besonders auf diese sorgfältige gemeinsame Vorbereitung dürften einige im Haus gespannt sein – nach diesem völlig chaotischen und verwirrenden Mittwoch.

Bei der Verschmelzung von Print und Online geht es nicht nur um journalistische, sondern auch um personalpolitische Fragen. Bislang ist es so, dass die Mitarbeiter des gedruckten Hefts in der Mitarbeiter-KG versammelt sind, die 50,5 Prozent der Anteile am Spiegel-Verlag hält, bei wichtigen Entscheidungen mitbestimmen darf und 50 Prozent des Gewinns erhalten kann. Die Onliner sind nicht Mitglieder der KG, wollen es aber werden. Letzte Woche hatte Spiegel-Geschäftsführer Hass Spiegel Online und den Spiegel-Verlag gesellschaftsrechtlich zusammengeführt und so die Voraussetzung für eine weitere Verschmelzung geschaffen.

Mit der 37 Jahre alten Barbara Hans, die seit Dezember 2016 Spiegel Online leitet, sitzt nun immerhin zum ersten Mal eine Onlinerin in der Chefredaktion und zum zweiten Mal in der Geschichte des Hefts eine Frau – auch wenn das Gremium, wie immer in der Geschichte des Hefts, von einem Mann geführt wird.

Mit dem bisherigen Chefredakteur des Spiegels, Klaus Brinkbäumer, würden „Gespräche über eine neue Aufgabe beim Spiegel geführt“, heißt es vom Verlag. Wie es mit seinen Stellvertretern Dirk Kurbjuweit, Susanne Beyer und Alfred Weinzierl weitergeht, scheint noch unklar, genauso wie die Nachfolge beim Manager Magazin.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • "Mit der 37 Jahre alten Barbara Hans, die seit Dezember 2016 Spiegel Online leitet, sitzt nun immerhin zum ersten Mal eine Onlinerin in der Chefredaktion und zum zweiten Mal in der Geschichte des Hefts eine Frau – auch wenn das Gremium, wie immer in der Geschichte des Hefts, von einem Mann geführt wird."

    Gerade in den letzten Monaten ist mir die auffallend stark gestiegene Anzahl unseriöser und einseitiger, geradezu dümmlicher Artikel aufgefallen, mit denen Spiegel Online FOCUS sogar noch "rechts" überholt.



    Ein Bekannter von mir, jahrzehntelanger Spiegel-Abonnent, hat wegen des unaufhaltsam sinkenden Niveaus vor Kurzem sein Abo gekündigt.

    Ich würde Posten nach Qualifikation und nicht nach Geschlecht vergeben, aber da bin ich wahrscheinlich ein bisschen altmodisch ;-).

    • 9G
      90857 (Profil gelöscht)
      @Christina de Havilland :

      "Ich würde Posten nach Qualifikation und nicht nach Geschlecht vergeben, aber da bin ich wahrscheinlich ein bisschen altmodisch ;-)."

      Aha ... Habe mich (als Mann) nur nicht getraut, das hier so zu schreiben, mich daher hinter Fefe versteckt, auf diesen verlinkt.

  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    Trainerwechsel ...

    Klar, die zum 2. Quartal ausgewiesenen minus 7,5 Prozent beim Spiegel müssen bestraft werden, sind jedoch die noch übrig gebliebenen zahlungswilligen Leser mit Werbung und Propaganda (vice versa) bereits genug gestraft. Daher wird nun alternativ(los) mal der Trainer ausgewechselt. Beim Qualitätsholz nennt er sich Chefredakteur.

    "Ansonsten mit im Boot sind Barbara Hans (aktuell Chefredaktion Spiegel Online) und Ullrich Fichtner, ein Spiegel-Reporter. Sie ist m.W. verantwortlich für "Spiegel+", also die Umwandlung von Spon zu einer Dauerwerbesendung für Paywall-Inhalte aus dem Printspiegel. Und ich glaube auch für Bento, ich befürchte sogar für die Bentoisierung von Spon insgesamt. Ihre Regierungszeit zeichnet sich durch mehr Kolumnen, mehr Lifestyle und jetzt auch Podcasts und einen Newsletter ("Spiegel Daily") aus. Ich habe nichts gegen Podcasts, aber wenn ein Laden wie Spon Podcasts und Facebook-Funktionalität für alte Menschen anbietet, dann sagt mir das, dass die sich als sinkendes Schiff sehen."

    schreibt Fefe

    blog.fefe.de/?ts=a583904b

    und verlinkt eingangs gleich mal auf eine andere Dauerwerbesendung.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Neues aus der Abteilung 'Gazette': Es ist alles nicht mehr das, was es mal war. Oder mit den Worten des legendären Robert Zimmermann "The times they are changing."

    Was jetzt für die vermutlichen Veränderungen beim SPIEGEL gilt, tut dies im gleichen Maße schon länger für die TAZ. Der ewige Kreislauf des Lebens: Werden und Vergehen. Menschen kommen, Menschen gehen. Bestimmte Inhalte haben eine Halbwertzeit, dann kommen neue. Gleiches gilt für die Aufbereitung der Meldung.



    So what?

    Oooooommmmm.