taz neubau und das raumklima: Wenn die Feuchtkugel die adiabatische Kühlung ärgert und die taz dennoch cool bleibt
Moderne Gebäude, so sagt man, brauchen wenig Energie zur Wärmegewinnung, dafür müsse umso mehr für Kühlung aufgewendet werden. Denn dicke Mehrfachverglasung hält Geräusche und Kälte draußen und lässt die Wärme von drinnen nicht raus. Glas wird gern und viel verwendet, bringt Tageslicht in Räume, ermöglicht Blicke von innen nach außen und Transparenz dessen, was drinnen geschieht, für jene, die draußen sind. Aber wenn die Sonne hindurchscheint, heizen sich die hinter Glas liegenden Flächen ungehindert auf.
Zwei Möglichkeiten schaffen Abhilfe: Mit Klimaanlagen unter hohem Energieeinsatz Kälte erzeugen wäre eine. Sonnenschutz vor die betroffenen Scheiben rollen die andere. Im neuen taz-Haus erledigt Letzteres die Gebäudeautomation. Wenn frühmorgens außer der Sonne noch niemand da ist, fährt die Technik die Rollos herunter. Das ist wichtig, um die Kühle der Nacht im Gebäude zu halten. Die Kühle der Nacht bringt die Energie, die der Baukörper in seinen unverblendeten Betonflächen speichert und tagsüber sanft in die Flächen abstrahlt.
Kollege Wärmetauscher
Grundsätzlich erfolgen Lüftung und Klimatisierung der Etagen als natürliche „Freie Lüftung“, also durch Öffnung der Türen zu den Balkonen, die rings um das Gebäude führen, sowie durch Lüftungsflügel, die in eigens nach Arbeitsstättenrichtlinie für den Luftaustausch berechneten Abständen zwischen den nicht zu öffnenden Glasscheiben angeordnet sind. Oder, in der trockenen Sprache des Haustechnikers formuliert: „Die sich einstellenden Raumtemperaturen wurden anhand einer thermischen Simulation und des sommerlichen Wärmeschutzes ermittelt und entsprechen den gesetzlichen Vorgaben.“ Basta. Okay.
Zusätzlich wurde eine mechanische Lüftungsanlage installiert, die ihrerseits über in die Hohlraumböden der Etagen eingelassene Kanäle frische Luft auf die Büroflächen leitet. Der Luftauslass dieser Kanäle befindet sich in Hunderten von Brüstungsgeräten, die unter allen Außenscheiben installiert sind. In ihnen verbergen sich Wärmetauscher, die im Winter als Heizung und im Sommer als Kühler eingesetzt werden. Durch sie läuft in einem hermetisch geschlossenen Kreislauf ein unendlicher Strom normalen unkonditionierten Wassers, 30.000 Liter pro Stunde. Im Sommer soll das Wasser möglichst 19 Grad Vorlauftemperatur haben, im Winter etwa 28 Grad. Kleine geräuschlose Lüfter bewegen die vom Wärmetauscher beeinflusste Lufttemperatur in die Büroflächen.
Doch woher bekommt das Wasser seine Temperatur? Hier kommen wir zum Herzstück der Klimatisierungsanlage im neuen taz Haus: Drei mächtige Türme, jeweils 1,50 Meter breit, 2,50 Meter hoch und 5 Meter lang mit einer Kälteleistung von je 45.000 Watt sind im Dachgeschoss untergebracht. Diese Kälteleistung wird durch Verdunstung von Wassertropfen erreicht, die auf ein System großflächiger dünner Röhrchen gesprüht werden, durch die jene 30.000 Liter Kühlwasser gepumpt werden, auf dass es bei einer „Feuchtkugeltemperatur“ (mehr dazu weiter unten) von 17 Grad mit 19 Grad Temperatur zu den Wärmetauschern in den Büroetagen gelangt. Metergroße Ventilatoren sorgen für den Luftstrom, der den Verdunstungsprozess beschleunigt und damit die gewünschte Kälteleistung erzeugt. „Adiabatische Kühlung“ ist der physikalische Begriff dafür.
Reichen diese Vorkehrungen aus, um auch in einem so heißen Sommer wie in diesem Jahr ein erträgliches Raumklima zu gewährleisten? Abwarten. Für bestimmte Grenzsituationen haben die Klimaplaner unserer Architekten eine kleine Standardklimaanlage vorgeschaltet, die dem adiabatisch gekühlten Wasserkreislauf auf die Sprünge hilft. Dies könnte passieren, wenn die Temperatur der sogenannten Feuchtkugel die für den Erfolg des adiabatischen Prozesses kritische Marke von 17 Grad überschreitet. So wie zur Zeit des Verfassens dieses Textes: Berlin, 8. 8. 18, 18 Uhr, Temperatur: 32,5 Grad, Luftdruck: 1.004 hPa, Luftfeuchte: 29 Prozent, Feuchtkugeltemperatur: 20 Grad
Glücklicherweise ergaben sich des Nachts zuvor bei 24 Grad und gleichem Luftdruck bei einer Luftfeuchte von 44 Prozent mit einer Feuchtkugeltemperatur von 16 Grad geradezu ideale Arbeitsbedingungen für unsere adiabatischen Klimageräte. Und falls Ihnen das jetzt zu technisch war: Wikipedia hilft, Stichwort „Feuchtkugeltemperatur“. Andreas Bull
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen