: Proteste aus dem Funkloch
Alle wollen die Digitalisierung, doch nicht überall. Die Bürger müssten einbezogen werden, sagen Experten
Von Tanja Tricarico
Internet und Handyempfang für alle, überall. In den kommenden Jahren wollen die Netzbetreiber rund 1.000 neue Mobilfunkstandorte dort errichten, wo bisher noch Funkstille herrscht. Der Ausbau wird nicht nur für Jubelschreie sorgen. In Bayern oder Baden-Württemberg gibt es seit Jahren Proteste gegen neue Mobilfunkmasten. Die Bürgerinitiativen wollen die Digitalisierung zwar nicht aufhalten, aber mahnen, die Auswirkungen des Elektrosmogs auf Mensch, Pflanzen und Tiere zu bedenken. Hinzu kommen datenschutzrechtliche Fragen.
Die Bürgerinitiative Mobilfunk Stuttgart spricht etwa vom Ausverkauf kommunaler Steuerungsrechte, des Umweltschutzes und der Gesundheit, wenn der Ausbau der Breitbandversorgung und von 5G allein Unternehmen wie der Telekom überlassen wird. Nur wenn die Hoheit über den Ausbau bei der Gemeinde bleibe, könne die Kontrolle über Preise, über die Gleichbehandlung der Anbieter oder Energieeffizienz behalten werden.
Ähnlich kritisch sieht auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) den Netzausbau. 300.000 Mobilfunksendeanlagen und mindestens 100 Millionen Mobiltelefone senden elektromagnetische Strahlen aus, warnt die Organisation. Zwar ist die wissenschaftliche Einschätzung der Folgen des Elektrosmogs nicht eindeutig, dennoch müssten Politik und Wirtschaft beim Netzausbau stärker an die Bevölkerung denken. Der BUND hat dafür ein eigenes Schutzkonzept entwickelt. Darin schlagen die Experten vor, gesundheitsverträglichere Techniken einzusetzen: zum Beispiel kabelgebundene Verfahren anstatt drahtlose Übertragung.
Dass Proteste beim Ausbau nicht ausbleiben, weiß auch Dieter Janecek, Digitalexperte der Grünen-Bundestagsfraktion. „Für einen sinnvollen Ausbau vor Ort ist eine umfassende Bürgerbeteiligung unabdingbar“, sagte Janecek der taz. Für ihn ließe sich der Netzausbau in der Praxis auch so umsetzen, dass keine weiteren Mobilfunkmasten aufgestellt werden müssen. Sein Vorschlag: Über Roaming könnten den Kunden auch andere Anbieter zur Verfügung gestellt werden. Klar ist für Janecek, dass die Vergabe von Lizenzen an das Schließen bestehender Funklöcher geknüpft werden muss. Schaffen die Anbieter das nicht, müssten sie mit Sanktionen rechnen. Als Vorbild für Deutschland könnte Schweden herhalten.
„Beim Mobilfunk müssen die Stellschrauben von Anfang an richtig gesetzt werden“, fordert auch Sabine Blohm vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Derzeit beherrschen hohe Preise, zu wenig Datenvolumen und wenig Konkurrenz den Markt. Blohm setzt nun auf die Frequenzversteigerung für 5G-Lizenzen im Frühjahr 2019.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen