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Persönliche Momente

Carla Sozzani sammelt Fotografien, unorthodox und überraschend. Die Helmut Newton Stiftung zeigt eine Auswahl

Azzedine Alaia und Naomi Campbell Foto: Arthur Elgort

Von Brigitte Werneburg

Wie präsentiert man in einer Ausstellung 200 Fotografien aus einer Sammlung von über 1.000 – im Diskursfeld der Mode angesiedelten – dennoch ziemlich heterogenen Aufnahmen? Vor diese Aufgabe sah sich Fabrice Hergott, Direktor des Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, gestellt. Er sollte diese Ausstellung für den Couturier Azzedine Alaia aus der Sammlung von dessen Freundin Carla Sozzani zusammenstellen. Fabrice Hergott entschied sich, die ausgewählten Arbeiten dem Nachnamen des Fotografen oder der Fotografin entsprechend alphabetisch zu hängen.

Verrückterweise fanden sich so wunderbar stimmige Blöcke von Bildern zusammen, gerade so, als wären sie ganz bewusst kombiniert worden. Das lässt sich derzeit in der Helmut Newton Stiftung beobachten, wo Mattias Harder die alphabetische Ordnung für seine Auswahl beibehalten hat, für die Berliner Präsentation von „Between Art & Fashion. Photographs from the Collection of Carla Sozzani“.

Gleich am Anfang geschieht diese Gruppenbildung mit Manuel Alvarez Bravos „La buena fama durmendo“ aus dem Jahr 1939, Richard Avedons „Marilyn Monroe“ (1957) und Roger Ballens „Portrait of sleeping girl“ (2000), wenn alle drei Fotografien lang ausgestreckte, schlafende Schönheiten zeigen. Dass Leni Riefenstahl und Herb Ritts alphabetisch gleich hintereinander kommen, trifft sich natürlich gut mit beider Vorliebe für starke Körper. Geheimnisvoller und unwahrscheinlicher ist das Zusammentreffen von Alfa Castaldi und Mike Disfarmer, bei dem Castaldis „Sardinian Shepard“ (1980) wie die Fortführung von Disfarmers Porträtfotografie wirkt. Disfarmer scheint in seiner ästhetischen Rigorosität August Sander verwandt, wie die grandiose Aufnahme von „John, Clifford and Andy Killin“ aus dem Jahr 1939 zeigt.

Die Sammlerin dieser exquisiten Fotografien ist in der Welt der Mode und der Kunst seit Langem eine international bekannte Erscheinung. Carla Sozzani arbeitete zwanzig Jahre lang als Chefredakteurin sowohl der italienischen Vogue als auch der von ihr in Italien eingeführten Elle, bevor sie 1988 in Mailand den Verlag Carla Sozzani Editore und 1990 die nach ihr benannte Fotogalerie eröffnete.

Ein Jahr später entwickelte sie unter der Standortadresse 10 Corso Como einen ersten sogenannten Concept Store, der mit einem ausgewählten Sortiment von Mode- und Designerstücken aufwartet, dazu kamen ein Buchladen, der vom Guardian erst vor Kurzem zu einem der bestsortierten und interessantesten Bookshops weltweit gekürt wurde, ein Café, ein Restaurant und ein Hotel mit drei Zimmern.

Als Redakteurin und Galeristin verfügt Sozzani inzwischen über eine fast 50-jährige Erfahrung in der Arbeit mit Bildern wie in der Zusammenarbeit mit Fotografen und Fotografinnen. Ihr Gespür für Bilder, die die intellektuelle und emotionale Auseinandersetzung wert sind, ist mit dieser Erfahrung ständig gewachsen. Das hat vor allem dazu geführt, dass sie weder vor berühmten Foto-Ikonen zurückscheut noch vor dem unbekannten Schnappschuss oder dem vom Fotografen als private Angelegenheit angesehenen Experiment. Sie leistet es sich, überraschend und unorthodox zu sammeln, wie das Beispiel von Mike Disfarmer oder auch die Porträtaufnahmen des surrealistische Waliser Fotografen und Bühnenbildners Angus McBean von Marlene Dietrich und Richard Burton zeigen.

Auch Xanti Schwawinsky ist nicht unbedingt der Name, der einem als Erster im Zusammenhang mit dem Bauhaus einfällt, aber gerade deswegen sind seine Aufnahmen von seinen 1936 in der Emigration am Black Mountain College durchgeführten Theaterexperimenten eine wirkliche Entdeckung. Anders natürlich der unumgängliche Name László Moholy-Nagy. Aber auch hier kann Sozzani mit besonders schönen Arbeiten aufwarten. Wie immer stellt da Moholy-Nagy die richtige Frage mit seiner Fotomontage aus den 1920er Jahren: „How Do I Stay Young And Beautiful?“

Diese Frage zu klären, dafür sind die Mode-, Life-Style- und Celebrity-Fotografen zuständig. Selbstverständlich hat Carla Sozzani mit den besten von ihnen zusammengearbeitet. Und dieser Zusammenarbeit mit natürlich Helmut Newton, mit Sarah Moon, Bruce Weber und Paolo Roversi sind in Berlin einzelne Räume gewidmet, zuletzt auch einer, der die Porträts von Carla Sozzani zeigt, die Alice Springs aufgenommen hat.

Beim lohnenden Studium der Vitrinen, die Arbeitsprozesse und die Kommunikation dokumentieren, meint man schließlich zu verstehen, wie Carla Sozzani eher unabsichtlich zur großartigen Sammlerin wurde. Denn eigentlich sah sie in den Fotografien, die sie erwarb, persönliche Erinnerungen und Momente ihres Lebens festgehalten, die ihr wichtig waren.

Bis 18. November, Helmut Newton Stiftung, Jebenstr. 2, Di.–So.11–19, Do. 11–20 Uhr, Katalog (Carla Sozzani Editore) 95 Euro

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