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Extremistische Sorgen

Kurdistan-Unterstützer*innen rügen „Weser-Kurier“ wegen eines Berichts über die Anfrage des Bremerhavener CDU-Abgeordneten Turhal Özdal, der die Nähe der rechtsextremen MHP nicht scheut

Turhal Özdal (CDU) demonstriert mit Anhängern der rechtsextremen MHP Foto: privat

Von Benno Schirrmeister

Scharf kritisiert hat das Solidaritätskomitees für Kurdistan (Soku) die Berichterstattung des Weser-Kuriers (WK) über eine parlamentarische Anfrage der CDU zum Thema Ausländerextremismus. Mit dem von Redakteur Jürgen Theiner verfassten Beitrag unter dem Titel „Ausländerextremismus nimmt in Bremen deutlich zu“ mache sich der WK „einmal mehr selbst zum Propagandaorgan des Erdoğan-Regimes“, heißt es in dem Protestbrief, der auch die taz-Redaktion erreichte.

Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Mit mehr Recht freilich wird die Tendenz der Anfrage selbst problematisiert – die einseitig auf die Aktivitäten der kurdischen Separatistenpartei PKK fokussiert. Überraschen kann das nicht, schließlich gehört zu ihren Verfassern der Bremerhavener Abgeordnete Turhal Özdal. Der, im Parlament bislang nur durch seinen Wechsel von der Grünen- in die CDU-Fraktion aufgefallen, hatte im Februar den Angriff auf die kurdischen Gebiete in Syrien öffentlich gefeiert – Seit’an Seit’mit Flaggenträgern der vom Bundesverfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuften MHP, die auch als Graue Wölfe firmieren.

Den Angriff auf Afrin im Januar, die so genannte „Operation Ölzweig“, hatte auch Kanzlerin Angela Merkel verurteilt. Roderich Kiesewetter, außenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Bundestag, rügte ihn als „klar völkerrechtswidrig“. Nicht so seine Bremer Parteifreunde. Sie werten den Angriff als bloßen „türkischen Militäreinsatz“ oder „Militäroffensive“, die mit Kundgebungen zu unterstützen ein Anliegen der türkischen Mehrheit wäre: Neben Özdal haben Thomas Röwekamp und Wilhelm Hinners diese Ergebenheitsadresse an das Regime Erdoğan unterzeichnet, gegen die Mesut Özils Trikot-Geschenk jedenfalls eine harmlose und nachvollziehbare Geste ist.

Denn umgekehrt diffamieren die Bremer Christdemokraten in ihrer Anfrage „Protestkundgebungen“ gegen den Militärschlag als „Sicherheitsrisiko“ – und wollen die Kosten für die Polizeieinsätze genau aufgeführt haben. In erstaunlicher Vorwegnahme der Senatsantwort diagnostizieren die Anfrageautoren dabei, dass infolge der Afrin-Offensive „ganz offensichtlich die Hemmschwelle einiger Gruppierungen zur Gewaltanwendung“ gesunken sei – ausschließlich kurdische, so suggeriert die Landtagsdrucksache 19/1691 vom 29. Mai, indem sie sich ausschließlich nach kurdischen Repräsentanzen in Bremen erkundigt.

Zwar gelingt es der Senatsantwort, diese Schuldzuweisungsrhetorik partiell zu relativieren – so verweist sie darauf, dass es „zwischen Anhängern der PKK und Personen des türkisch-nationalen Spektrums“ zu „Provokationen“ gekommen sei, sprich: Sie lässt die Frage offen, wer Täter und wer Opfer ist –, in der WK-Berichterstattung fallen derartige Differenzierungen aber weg. Stattdessen wird schon im Titel ein realer Zuwachs politisch motivierter Straftaten aus der Senatsantwort herausgelesen, den diese mit keinem Wort erwähnt: „Deutlich angestiegen“ wäre deren Zahl sogar, warnt der Artikel.

„Böswillige Ignoranz“ sieht das Soku im WK am Werk, und das könnte ein Beispiel dafür sein. Denn laut Senatsantwort wurden 2015 landesweit nur 18, im Folgejahr 40 und 2017 wieder nur 23 entsprechende Anzeigen registriert – schwankende Werte also. Und ganz offenbar kein klarer Trend, obwohl sich die Zahl der in Deutschland verbotenen Abzeichen- und Personenbilder und damit auch die Deliktwahrscheinlichkeit erhöht hat. Im ersten Halbjahr 2018 gab es dann schließlich 24 Rechtsverstöße, davon 17 gegen das Vereins- und gegen das Versammlungsgesetz. Wie sich das Jahr weiter entwickelt, lässt sich seriös nicht prognostizieren.

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