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Viele US-Comedyserien bieten mittlerweile interessantere Geschichten und vielfältigere Figuren als gefeierte Dramaserien. Deutschen Serien gelingt das noch nicht

Menschen als Tomate und Olive verkleidet – hahaha Foto: Marion von der Mehden/ZDF

Von Jens Mayer

Georg Bergstedt ist schlecht drauf. Er wurde zum Nachtschichtleiter der Tankstelle degradiert, dabei sieht er sich selbst viel eher in einer Position als Verantwortlicher im gehobenen Management. Das lässt er auch seine neuen Kollegen spüren. Doch schon an seinem ersten Abend in der neuen Position geht alles schief: Die elektronische Schiebetür macht, was sie will, ein älterer Mitarbeiter ist während eines Vorstellungsgesprächs zusammengebrochen, und ein geplatzter Ketchupbeutel in der Brusttasche lässt die Szenerie aussehen wie aus einem Splatterfilm. Als Georg einer Frau mit Enkel erklärt, dass der Junge nicht aufs Klo darf, weil es sich um eine Kundentoilette handele, hinterlässt der Kleine notdurftgedrungen eine große Pfütze auf dem Boden. Und schließlich zieht Bergstedts Pedanterie versehentlich einen Großeinsatz der Polizei wegen Terrorverdacht gegen eine Kundin im Hidschab nach sich.

Mit „Tanken – mehr als Super“ hat ZDFneo erneut eine eigenproduzierte Comedyserie im Programm und setzt damit tapfer eine Versuchsreihe fort, die der Sender seit fünf Jahren mit Produktionen wie „Lerchenberg“, „Im Knast“, „Blockbustaz“ oder zuletzt „Nix Festes“ durchführt. Dieses Mal hat man sich vom isländischen Erfolgsformat „Næturvaktin“ (dt.: Nachtschicht) von 2007 inspirieren lassen und die Grundidee, das Leben und die Arbeit der kuriosen Belegschaft an einer Nachttankstelle zu dokumentieren, übernommen.

Doch wo groß angelegte Dramaserien aus Deutschland wie „Babylon Berlin“, „Dark“ oder „Bad Banks“ mittlerweile im internationalen Vergleich aufgeholt haben, bleiben die meisten hiesigen Versuche, zeitgemäße Comedyserien umzusetzen, im Mittelmaß hängen. Man mag sich Mühe geben, es visuell jung und frisch erscheinen zu lassen, so auch in „Super“, doch viel zu harmlos sind die Geschichten und Themen, viel zu hölzern und uninteressant die Figuren, zu einfallslos die Gags, als habe es in den vergangenen 20 Jahren im Grunde keinerlei Fortschritt gegeben.

Abseits von Deutschland hat die Comedy in den letzten Jahren für viele Zuschauer und Kritiker eine thematisch und narrativ spannende Entwicklung im Serienbereich vorangetrieben. US-Produktionen wie „The Good Place“, „ Master Of None“, „Veep“, „Glow“ oder „Atlanta“ erzählen in ihren 20- bis 45-minütigen Folgen relevante, kluge, vielfältige oder einfach skurrile Geschichten. „Comedyserien haben ein viel größeres Spielfeld als Dramaserien“, bestätigt auch Jenny Jecke, stellvertretende Chefredakteurin der Film- und Serienwebsite Moviepilot: „Das liegt daran, dass sie nicht so storygebunden sind. Die Anlage von Comedyserien bietet die Möglichkeit, eine kontinuierliche Story zu erzählen oder eben nicht. Und egal, ob man sich für das eine oder das andere entscheidet, es besteht immer die Chance, den Fokus auch wieder zu verändern. Dramaserien sind in dieser Hinsicht deutlich festgefahrener.“

Die Geschichten sind meist zu harmlos und die Gags zu einfallslos

Tatsächlich nehmen sich viele dieser neuen US-Comedy-Formate in ihrer Erzählweise deutlich größere Freiheiten heraus, als es die meisten aktuellen Dramaserien tun. Dabei versprachen Letztere Anfang des Jahrtausends doch die Revolution des seriellen Erzählens. Mittlerweile werde deren Erfolgsmodell recht einseitig interpretiert, meint Jecke: „So hat ‚The Sopranos‘ eher damit Schule gemacht, dass hier ein Genre in einem neuen Umfeld erzählt wird, also eine Mafiageschichte in der Vorstadt.“ Dieses Modell erkennt Jecke auch in der Serie „Breaking Bad“ wieder, die von einem Drogenhändler handelt, der doch eigentlich Lehrer ist. „Dabei könnte man sich auch die Experimentierfreude und die surrealen Eskapaden der Serie von David Chase zum Vorbild nehmen, wie die Folge ‚The Test Dream‘, die zum größten Teil nur aus einem Traum der Hauptfigur Tony Soprano besteht. Das scheint aber weniger ausgestrahlt zu haben als die Konzeptidee. Heutzutage ist die Wahrscheinlichkeit weitaus höher, dass ich eine Folge wie ‚The Test Dream‘ in einer Comedyserie sehe als in einem US-amerikanischen Drama“, sagt Jecke.

Der Münchener Pay-TV-Sender TNT Serie hat letztes Jahr mit der Eigenproduktion „4 Blocks“, über einen arabischen Familienclan in Berlin-Neukölln für Aufsehen und eine neue Perspektive auf das Gangsterfilmgenre gesorgt. Nun will man auch für den Kanal TNT Comedy eigene neue Formate entwickeln und hat mit „Arthurs Gesetz“ eine Serie produziert, die man als Comedy Noir bezeichnet. Tatsächlich hat die bitterböse Story um den titelgebenden Verlierer Arthur aus einer trostlosen Kleinstadt, der seine Ehefrau loswerden will, auf dem internationalen Serienfestival Séries Mania in Lille bereits viel Beifall bekommen. „Ich habe gelacht wie selten, als ich das höchstens zwei Seiten umfassende Serienkonzept von Headautor Benjamin Gutsche gelesen habe, weil es so präzise und trocken auf den Punkt geschrieben war“, erzählt die geschäftsführende Produzentin des Senders, Anke Greifeneder. „Es war originell, es war frisch, es war anders.“ Die Buchvorlagen haben auch deutsche Stars wie Jan Josef Liefers, Martina Gedeck und Nora Tschirner überzeugt, die sich hier unter der Regie von Christian Zübert („Lammbock“) in diesen – für sie und ihr Image – ungewöhnlichen Rollen wiederfinden.

Auch in den USA resultiert der Comedyboom aus den Möglichkeiten, die sich durch die zahlreichen neuen Abspielstationen neben den klassischen Fernsehsendern ergeben haben: Bei Netflix, Amazon, Hulu oder Comedysendern wie TBS ist man ständig auf der Suche nach neuen und ungewöhnlichen Geschichten und Protagonisten. Das beflügelt auch die vielbeschworene Diversität der Serien. So erlebt man in „Transparent“ das Coming-out eines Rentners als Transgender, in „Grace and Frankie“ das Leben von alten und homosexuellen Paaren oder mit „Atlanta“ eine der derzeit populärsten neuen Serien: „Es ist der Teil einer Welle der Comedyserien, die sich vor allem auch mit den schwarzen Stimmen in Amerika beschäftigen, wie ‚Black-ish‘ oder ‚The Carmichael Show‘“, so Jecke. „Das Schöne an ‚Atlanta‘ ist die Unvorhersehbarkeit: Ist es nun Comedy oder Drama? Es hat von allem ein bisschen. Es hat einen eigenartigen Ton wie keine andere Serie. Eine Mischung aus dem Absurden, dem Surrealen und dem Unerwarteten, das in den ganz normalen Tagesablauf einbricht. Man denkt, man ist in einer Comedy, und dann plötzlich wird in schmerzhafter Weise ein Bezug zur Zeitgeschichte genommen.“ Doch ein „Atlanta“ gibt es in Deutschland (noch) nicht.

„Tanken – mehr als Super“ läuft ab 31. Juli immer dienstags, 22.45 Uhr auf ZDFneo.

„Arthurs Gesetz“ ist ab 31. August über EntertainTV abrufbar und ab Mitte Dezember bei TNT Comedy zu sehen.

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