piwik no script img

Facebook-Aktie stürzt abGefällt nicht mehr

Nutzer nehmen die Machenschaften von Facebook nicht länger hin und verlassen das soziale Netzwerk. Daraufhin schmiert die Aktie ab.

Immer mehr melden sich bei Facebook ab Foto: ap

Berlin taz | Der Skandal um den Datenaustausch bei Facebook hinterlässt tiefere Wunden als vermutet. Schmerzlich für Chef Mark Zuckerberg war, dass die Aktie des größten sozialen Netzwerkes am Mittwoch nachbörslich einbrach. Und zwar um mehr als 23 Prozent. Selbst für eines der reichsten Unternehmen der Welt sind solche Kurseinbrüche nicht leicht wegzustecken. Facebook verlor umgerechnet rund 128 Milliarden Euro Börsenwert.

Auslöser für den Absturz sind unter anderem die gesunkenen Nutzerzahlen in Europa, die die Erwartungen der Analysten dämpfen. Laut Facebook verabschiedeten sich mehr als eine Million Menschen von dem so­zia­len Netzwerk. Derzeit zählt Facebook in Europa rund 376 Millionen Kunden, weltweit sind es mehr als zwei Milliarden.

Für Detlev Sieber von Digitalcourage zeigt der Einbruch der Facebook-Aktie vor allem eins: die Nervosität der Anleger wegen des Geschäftsmodells. „Man weiß einfach nicht, wie sich die Tech-Unternehmen durch die EU-Datenschutzgrundverordnung entwickeln werden.“ Die Gewinne von Google, Apple oder Facebook basieren auf der Nutzung der gesammelten Daten. „Sind die Daten weg, hat sich auch das Geschäftsmodell erledigt“, sagt Sieber.

Seit dem 25. Mai gilt die neue europäische Regelung – kurz ­DSGVO –, die die digitalen Daten der Verbraucher besser schützen soll. Auch Facebook passte seine Datenschutzregeln an. Allerdings werden weiter Verstöße gemeldet. Laut dem Hamburger Datenschutzbeauftragten ­Johannes Caspar sind allein zwischen dem 25. Mai und dem 30. Juni über Facebook 35 datenschutzrechtliche Beschwerden bei seiner Behörde eingegangen. Neun davon beziehen sich speziell auf den Nachrichtendienst WhatsApp, der wie Insta­gram zu Facebook gehört.

Ruf des IT-Giganten angekratzt

Seit Jahren befindet sich Face­book im Rechtsstreit mit den Behörden. Caspar hat etwa eine Anordnung gegen den US-Konzern durchgesetzt, dass keine Daten von WhatsApp erhoben werden dürfen. „Es geht allein in Deutschland um einen Massendatenabgleich von etwa 35 Mil­lio­nen WhatsApp-Nutzern“, sagte Caspar der taz. Er setzt auf die DSGVO, damit Facebook die Daten nicht zwischen den einzelnen Unterfirmen hin- und herschiebt.

Nicht nur dieser Fall hat den Ruf des IT-Giganten angekratzt. Im Frühjahr geriet Facebook in Zusammenhang mit der Datenanalysefirma Cambridge Analytica in die Schlagzeilen. Die Briten hatten Persönlich­keitsprofile verkauft, die auch auf Grundlage von Facebook-Daten erstellt wurden. Zuckerberg wurde sowohl in den USA als auch in der EU von Politik und Justiz gescholten. Die ­britische Datenschutzbehörde ICO hatte vor Kurzem eine Strafe von umgerechnet rund 565.000 Euro gegen Facebook verhängt.

Nun rächt sich der laxe Umgang mit Datenschutz

Dieter Janecek, Grüne

„Viele Nutzer sind verunsichert, nun rächt sich der laxe Umgang mit Datenschutz und Verbrauchervertrauen“, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek der taz. Er fordert Facebook auf, „tragfähige, rechtssichere Lösungen zu präsentieren, um Vertrauen zurückzugewinnen, und dabei nicht nur auf Aktienkurse zu schielen“.

Auch in der Zukunft dürften die Anleger ihr Misstrauen an der Börse äußern, da sind sich die Experten sicher. Von einer Gewinnwarnung ist Zuckerberg aber weit entfernt. In diesem Quartal stiegen die Umsätze allein dank dem Geschäft mit Onlinewerbung um rund 40 Prozent.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Wenn es anstelle von 377 nur noch 376 Millionen Nutzer in Europa sind, kann wohl kaum die Rede davon sein, dass die Nutzer die Machenschaften von Facebook nicht länger hin nehmen und und Facebook verlassen. Schönes Wunschdenken.

    Die Anleger sind wohl eher enttäuscht, dass die Nutzerzahlen nicht mehr zweistellig wachsen, Peak-Facebook sozusagen. Facebook ist eben nicht mehr angesagt seitdem Eltern und Großeltern sich dort ebenfalls tummeln.

    Erschreckend dass trotz Datenleck, Datenschutzbedenken, Fake-News und endlosen Hassbeiträgen immer noch so viele bei Facebook sind.

    Entscheidend wäre jetzt, dass Firmen endlich aufhören dort Werbung zu schalten, denn finanziell geht es ja noch gut. Zwischen April und Juni: Umsatz +42%, Gewinn +31%