: Mal nicht wegducken
Schwedische Waldbrände: Erstmals seit Bestehen des EU-Zivilschutzmechanismus nehmen auch Feuerwehrleute aus Deutschland an einer europäischen Hilfsaktion teil
Von Benno Schirrmeister
Am Montag sind neun Lösch- und Rettungsfahrzeuge mit 52 Feuerwehrleuten aus dem niedersächsischen Nienburg im zentralschwedischen Dalarna eingetroffen. Sie helfen dort, die Waldbrände zu bekämpfen. Einen lieben Gruß schickte EU-Zivilschutzkommissar Christos Stylianides deshalb an Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD): „Es ist das erste Mal, dass Feuerwehr aus Deutschland an einem solchen EU-Einsatz teilnimmt“, sagte der Zyprer der taz. „Ich danke Innenminister Boris Pistorius für diese Unterstützung.“
Den ganzen Juli schon wird Schweden von Waldbränden heimgesucht. Daher hatte es den EU-Zivilschutzmechanismus aktiviert: Beim Kampf gegen die Flammen kam Unterstützung vom Nachbarn Norwegen und aus Italien, Portugal, Frankreich, Litauen, Spanien sowie Dänemark. Am Wochenende trafen auch Löschzüge aus Polen in Rättvik ein: Etliche Einwohner des 5.000-Seelen-Orts standen Spalier für die „polska brandmännen“, klatschten und jubelten ihnen zu. So schön ist Solidarität.
Und jetzt macht auch Deutschland dabei mit: Auch in Bayern bereiten sich Feuerwehrleute darauf vor, den niedersächsischen Kollegen zu folgen. „Der Gedanke der europäischen Solidarität ist für uns von besonderer Bedeutung“ und „natürlich bieten wir Hilfe an“, hatte Innenminister Pistorius tiefgestapelt.
Ganz so normal war das mit der europäischen Solidarität hierzulande allerdings nicht, bestätigt der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes, Hartmut Ziebs. Zwar habe es mal in den 1970ern bei der Bekämpfung der Atlantik-Ölpest vor der französischen Küste und später in der Slowakei international koordinierte Hilfseinsätze gegeben, „unter dem aktuellen Verfahren jedoch noch nie“.
Das aktuelle Verfahren ist der EU-Zivilschutzmechanismus. Er gilt, mit leichten Modifikationen, seit Oktober 2001. Und im Grunde funktioniert er auch gut: Bei den Flutkatastrophen in Bayern und an der Elbe hatte sich Deutschland stets darauf verlassen können. Bei den Waldbränden, die vergangenes Jahr bis in den Herbst hinein in Portugal wüteten, hatten Italien, Spanien, Frankreich 14 Flugzeuge, 56 Fahrzeuge und 298 Retter*innen entsandt. Aus Deutschland wurden ganze 113 Schutzanzüge geschickt.
Hartmut Ziebs, Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes
Beschämend? „Ja, das würde ich so unterschreiben“, sagt Ziebs. „Und, auch wenn das pathetisch klingt: Es wäre ein politischer Offenbarungseid, wenn wir unseren europäischen Brüdern und Schwestern nicht beistehen könnten“, so der Verbandspräsident. Es sei an der Zeit gewesen, dass sich die Länderminister über den „Bund-Länder-Streit auf dem völlig falschen Spielfeld“ hinweggesetzt hätten: der habe bislang die deutsche Hilfsbereitschaft gehemmt.
Dem widerspricht das für die Koordination in Deutschland zuständige Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe: Die Abstimmungswege zwischen Bund und Ländern seien „etabliert“. Sie würden „reibungslos“ funktionieren, hieß es auf Nachfrage. Entsprechend habe man als „nationale Kontaktstelle“ auch diesmal die Länder übers Hilfeersuchen „informiert und abgefragt, wer entsprechende Ressourcen zur Verfügung stellen kann“ – und die Angebote dann an Schweden weitergeleitet.
Für EU-Kommissar Stylianides zeigt die jetzige Schweden-Hilfe „die Stärke der koordinierten EU-Zusammenarbeit im Katastrophenschutz“. Seine ehrgeizigen, im Herbst vorgestellten Reformpläne (taz berichtete) stehen am morgigen Mittwoch auf der Tagesordnung des Europäischen Rates: Nicht mehr geplant ist, eine EU-eigene Katastrophenschutzeinheit aufzubauen. Aber der Finanzrahmen wird sich ändern. Übernahm Brüssel bislang nur Spritkosten europäischer Konvois, soll es künftig 75 Prozent des Einsatzes tragen. „Das wird die Hürden für alle senken“, begrüßt Feuerwehrverbandspräsident Ziebs die Neuerung.
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