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Brennendes Herz

Ärzte haben Stabhochspringerin Katharina Bauer einen Defibrillator eingesetzt, um ihr Leben zu schützen. Dennoch betreibt sie Leistungssport. Auch bei der deutschen Meisterschaft in Nürnberg

Kampf um die EM-Norm: Katharina Bauer fliegt über die Latte Foto: imago

Von Susanne Rohlfing

Einmal verweigerte Katharina Bauer das Mitmachen. Tempoläufe bis an die Leistungsgrenze waren angesagt. Die Stabhochspringerin begeisterte ihren Trainer Leszek Klima im ersten Lauf. Und hörte nach dem zweiten auf. „Ich dachte, sie sei faul“, erinnert sich der Coach. „Ich sagte, sie müsse sich durchbeißen.“ Tat sie aber nicht. Sie machte Pause. Und das hat ihr vielleicht das Leben gerettet.

Erst vor wenigen Wochen haben Athletin und Trainer erfahren, dass die Möglichkeit des plötzlichen Herztodes seit Jahren wie eine dunkle Wolke über Katharina Bauer hing. „Ein bisschen mulmig“ sei ihm da geworden, erzählt Klima. „Mir wurde der Boden unter den Füßen weggezogen“, sagt Bauer. „Mein ganzes Leben wackelte. Ich hatte dieses Problem ja seit Jahren. Dass es so schlimm hätte enden können, das war gruselig.“

Schon mit sieben Jahren waren bei ihr Herzprobleme dia­gnos­tiziert worden, sie leidet an Extrasystolen, Herzschlägen außerhalb des normalen Rhythmus. Bauer wurde regelmäßig untersucht und mit 19 erstmals operiert. Sie nahm die Extraschläge als Herzstolperer wahr, manchmal wurde ihr etwas schwindelig, aber sie konnte sich dann immer gut selbst beruhigen. Ihre Mutter ist Hypnosetrainerin, und Bauer selbst interessiert sich für mentale Selbstheilungskräfte.

Als sie 2014 zu Leszek Klima nach Leverkusen wechselte, fragte sie ihren neuen Coach, ob es auf dem Trainingsgelände von Bayer 04 einen Defibrillator gebe. Gab es. Und damit war das Thema erledigt. „Ich habe das nicht so ernst genommen“, erinnert sich Klima. „Katharina war voll austrainiert, bis auf diese eine Situation war sie im Training immer absolut dabei, sie war eine Athletin wie jede andere auch.“ Bauer erklärt: „Ich habe mich mental immer runtergefahren, habe mir gesagt: Du bist gesund, du wirst lange leben, dein Herz ist fabelhaft. Ich fühle mich nicht krank. Ich fühle nicht, dass da lebensbedrohliche Schläge in meinem Herzen drin sind.“ Doch die Ärzte sagten ihr im April 2018 etwas anderes. Plötzlich war da ein lebensgefährlicher Extraschlag in ihrem EKG aufgetaucht. Es ist der Schlag, der Bauer Schwindel bereitet. Sie kennt ihn seit zehn Jahren. Aber bei den Tests fiel er nie auf. Bis jetzt. „Das war der Schock meines Lebens“, sagt die 27-Jährige.

Nur fünf Tage nachdem sie die Hiobsbotschaft bekommen hatte, wurde sie operiert. Das ist jetzt zwölf Wochen her. Ihr wurde ein Defibrillator implantiert. Der kleine Kasten sitzt unter Bauers linkem großem Rückenmuskel. Die Operationsnarbe ist noch deutlich zu sehen. Sollte Bauers Herz künftig mehr als nur stolpern, sollte es in Kammerflimmern übergehen oder stehen bleiben – der Defibrillator würde ihr das Leben retten.

Ihre große Sorge, ihr Leben könnte nach der Operation nicht mehr so sein, wie es war, hat sich bislang nicht bewahrheitet. Im Gegenteil. Bauer nimmt wieder an Wettkämpfen teil, hat schon wieder Flüge über 4,30 Meter geschafft, nur 15 Zentimeter fehlen ihr noch zur Norm für die EM Anfang August in Berlin. Die will sie am Wochenende bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg knacken. Aber Bauers großer Traum ist die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2020 in Tokio.

Als die 1,80 Meter lange Athletin 2014 aus Wiesbaden nach Leverkusen wechselte, war Klima von ihrem Talent begeistert. „Wichtig für einen Stabhochspringer ist, dass er das richtige Gefühl hat, den Stab so zu benutzen, dass er fliegt“, sagt der Trainer. „Manche machen das mit Kraft, aber Katharina hatte dieses Gefühl.“ Schon 2015 steigerte sich Bauer auf 4,65 Meter, damit stieß sie in den Kreis der international konkurrenzfähigen Springerinnen vor. Doch dann folgten gesundheitliche Rückschläge, und die verursachte zunächst nicht ihr stolperndes Herz. Erst zog sie sich eine Fußverletzung zu, dann verhinderte eine schwere Handverletzung eine Olympiateilnahme in Rio de Janeiro.

„Ich fühle nicht, dass lebensbedrohliche Schläge in meinem Herzen drin sind“

Katharina Bauer

Bauer kämpfte sich zurück. Aber als sie gerade wieder an ihre Leistungen von 2015 anknüpfte, hatten die Herzspezialisten eine erste schlechte Nachricht für sie. Ihre Extrasystolen hatten sich so sehr verschlimmert, dass Anfang 2017 eine Operation, eine so genannte Katheterablation, nötig wurde. Mit örtlicher Betäubung. „Du merkst wortwörtlich, wie deine Extraherzschläge verbrannt werden, dass brennt jedes Mal“, erinnert sich Bauer.

Immerhin hat sich die 4,5-Stunden-Operation gelohnt. Die Extraschläge wurden deutlich reduziert. „Ich hatte hinterher ein ganz anderes Lebensgefühl. Sonst war ich oft müde, hatte lange Regenerationszeiten. Aber plötzlich hatte ich jeden Tag das Gefühl, ich könnte Bäume ausreißen.“ Ihr Training musste sie allerdings umstellen. Maximale Kraft- oder Ausdauerbelastungen wurden ihr untersagt. Sie verlor sechs Kilogramm Gewicht. Und genoss jeden Flug über die Latte. „Jedes Training, jeder Wettkampf war wertvoll für mich“, sagt Bauer. „Denn ich wusste ja nicht, wie lange ich diesen Sport noch würde machen können.“ Im Herbst 2017 wurden wieder vermehrte Extraschläge festgestellt, das beschwingte Lebensgefühl schwand. Doch Bauer trat noch zur Hallensaison an und wurde im Februar Deutsche Meisterin. Ihre unbändige Freude über diesen nicht allzu bedeutenden ­Titel ist erst heute wirklich zu verstehen.

Doch dann bekam sie die Dia­gnose, die alles zu verändern drohte – und einen Defibrillator. Leistungssport? Mit Defibrillator? „Ich konnte niemandem fragen“, sagt Bauer. „Soweit ich weiß, gibt es keinen Stabhochspringer mit Defi.“ Würde sie den Stab noch korrekt halten und nutzen können? Würde der Defi die Landung auf der Matte aushalten? Würde ihr Herz dem Training weiter standhalten?

Bauer musste selbst Antworten finden und kann nun all die Fragen mit Ja beantworten. Ihre Technik hat sich sogar ver­bessert. Einen Fehler, den Klima ihr seit Jahren abzugewöhnen versuchte, ein Abknicken im linken Arm, lässt sie plötzlich bleiben, um intuitiv den Defibrillator zu schützen. Ihr Motto ist nun: „Ganz viel Liebe zum Herzen bringen. Viele Leute denken, das sei Hokuspokus. Aber ich habe es schwarz auf weiß im EKG.“

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