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SPD mit zwei Bürgermeistern

Der Unterbezirk Bremen-Stadt nominiert Promis für die Liste zur Bürgerschaftswahl

Bovenschulte war schon SPD-Funktionär, als er an seiner Dissertation schraubte

Von Benno Schirrmeister

Als sogenannte Seiteneinsteiger hat der SPD-Unterbezirk Bremen-Stadt am Montagabend Birgit Pfeiffer, Volker Stahmann und den Bürgermeister von Weyhe, Andreas Bovenschulte, als Kandidat*innen für die Bürgerschaftswahl nominiert. Alle drei würden „große Teile unserer Stadtgesellschaft“ repräsentieren, sagte Bürgermeister Carsten Sieling, der zwar auch SPD-Mitglied ist, aktuell jedoch kein Parteiamt bekleidet, bei der Vorstellung der Bewerber*innen für einen Listenplatz.

Während Pfeiffer, die seit 2007 die Freiwilligenagentur leitet, für zivilgesellschaftliches Engagement stehen kann, stärkt Stahmann als IG-Metallvorsitzender den zuletzt ausgedünnten Gewerkschaftsflügel der Bremer Sozialdemokraten. Ebenso wie sie hatte Bovenschulte bislang kein Bürgerschaftsmandat inne.

Dennoch ist der 52-jährige Verwaltungschef kein Seiteneinsteiger: Bovenschulte war schon Funktionär der Bremer SPD, als er Mitte der 1990er als Referendar am Oberlandesgericht an seiner Dissertation schraubte. Thema: Gemeindeverbände als Organisationsformen der kommunalen Selbstverwaltung.

Verwirklichen konnte er diese Erkenntnisse vor allem im Umland: Schon 2007 arbeitete er in Weyhe als Erster Gemeinderat, also Vertreter des Bürgermeisters. Das hinderte ihn nicht, 2010 Bremer SPD-Chef zu werden. In dieser Funktion handelte er 2011 den rot-grünen Koalitionsvertrag aus. Klare Kante zeigte Bovenschulte gegen die rassistischen Entgleisungen des ehemaligen SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Martin Korol, der danach bei der rechtspopulistischen Bürger-in-Wut-Liste seine politische Heimat gefunden hat.

Erst als er sich ums Amt des Bürgermeisters der direkt an Bremen angrenzenden 30.000-Einwohner*innen-Gemeinde bewarb, zog sich Bovi, wie ihn die Genoss*innen nennen, aus Bremens Politik zurück: „Als Bürgermeister wäre ich für alle Fragen von Wirtschaftsansiedlung zuständig – und dann wäre es schwierig, den Anschein eines Inte­ressenkonflikts zu vermeiden“, hatte er der taz seinerzeit erläutert. Eine Residenzpflicht fürs Amt des Weyher Verwaltungschefs gibt es nicht: Bovenschulte blieb in Bremen, wo seine Frau Ulrike Hiller (SPD) als Europa-Staatsrätin und Bevollmächtigte beim Bund mitregiert.

Bovenschulte steht in der SPD so wie auch Sieling klar links. Er gilt als Vater der Privatisierungsbremse in der Landesverfassung, auch hat er die teilweise Rekommunalisierung der Stromnetze und der Müllentsorgung vorbereitet.

Ihm sei wichtig „im Team Sieling zu spielen“, betonte Bovenschulte – wohl wissend, dass seine Nominierung für Spekulationen über eine Ablösung Sielings sorgen muss: Eine von Bild bei einem Thüringer Institut mit AfD und CDU-Nähe bestellte Erhebung sieht die SPD in Bremen erstmals seit Bestehen der Bundesrepublik nur noch als zweitstärkste Kraft.

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