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Hardliner ausgebremst

Nach der Wahl des Landgerichtspräsidenten klagt der Konkurrent

Von Kai von Appen

Der ausgebootete Richter wehrt sich: Nachdem der Richterwahlausschuss vergangene Woche den Vorsitzenden Oberlandesrichter Marc Tully zum Präsidenten des Landgerichts gewählt hat, geht der Vizepräsident des Oberlandesgerichts (OLG) Guido Christensen mit einer einstweiligen Anordnung gegen diese Wahl vor. Neben Christensen zieht auch Bernd Lübbe vor das Verwaltungsgericht.

Tully, der als Hardliner gilt, war in geheimer Abstimmung mit neun zu fünf Stimmen durchgedrückt worden –gegen Christensen, den Kandidaten des rot-grünen Senats. Damit müssen auch Vertre­terInnen der SPD für ihn gestimmt haben. Mit der Klage wollen Christiansen und Lübbe verhindern, dass Justizsenator Till Steffen (Grüne) Tully zum Landgerichtspräsidenten ernennt und vollendete Tatsachen schafft, bevor das Verwaltungsgericht über die „Konkurrentenklagen“ entschieden hat.

Christensen, der vom Justizsenator Steffen und der Präsidentin des Oberlandesgerichts, Erika Andreß, als Senatskandidat nominiert worden war, und Lübbe, bemängeln, dass bei der Präsidentenwahl Grundsätze verletzt und eine Qualitätsprüfung vernachlässigt worden sei. Tully war von einem Richterkollegen als Alternative vorgeschlagen worden, weil er als Vorsitzender des 1. Senats des OLG in den vergangenen Jahren wegen seiner „richtungsweisenden Rechtssprechung“ und seiner „Wortgewandtheit“ für Aufmerksamkeit gesorgt habe. Die Kläger hingegen zweifeln an seiner Qualifikation eine Behörde zu leiten.

Tully steht auch bei den G20-Prozessen für einen harten Kurs: Er war für die fast fünfmonatige Untersuchungshaft des italienischen G20-Demonstranten Fabio V. verantwortlich. Er warf ihm schon deshalb schweren Landfriedensbruch vor, weil er sich aus einer Demonstration nicht entfernt habe, als die Polizei diese auflöste.

StrafverteidigerInnen befürchten nun, dass Tully seine Stellung dafür nutzen könnte, die Strafrechtskammern mit Gleichgesinnten zu besetzen. „Erstmals seit 15 Jahren habe ich im Richterwahlausschuss gegen einen Richter wegen seiner Urteile votiert“, sagt Strafverteidiger Ernst Medecke.

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