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Kommentar Audi-Chef in HaftWenigstens die Justiz macht Ernst

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Die Verhaftung von Rupert Stadler befriedigt das Bedürfnis nach Gerechtigkeit. Doch Dieselautos vergiften weiter die Luft in den Städten.

Das war's erstmal mit der Tätigkeit bei Audi Foto: dpa

L ange schien es, als hätten die ­Autobosse in Deutschland nicht viel zu befürchten. Während ihnen in den USA Anklagen und Haftstrafen drohten, wurden sie hierzulande von der Justiz verschont und von der ­Politik zu Dieselgipfeln ins Kanzleramt ­eingeladen, wo sie erfolgreich gegen ernsthafte Konsequenzen aus dem Abgas-Skandal lobbyieren durften.

Zumindest bei den Strafverfolgern scheint sich jetzt – knapp drei Jahre nach Bekanntwerden des millionenfachen Betrugs – die Lage zu ändern. Erst hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig in der letzten Woche ein Bußgeld von einer Milliarde Euro gegen VW verhängt.

Das ist zwar wenig im Vergleich zu dem, was der Konzern in den USA bezahlen musste –, aber immerhin das höchste Bußgeld, das in Deutschland jemals ein Unternehmen bezahlen musste.

Bei den Strafverfahren gegen einzelne Manager, die unabhängig davon weiterlaufen, gab es am Montag die nächste spektakuläre Entscheidung: Die Untersuchungshaft gegen den amtierenden Audi-Chef Rupert Stadler zeigt, dass die Staatsanwälte erstens keine Scheu haben, sich mit den Großen der Branche anzulegen, und zweitens offenbar genug belastendes Material gefunden haben, um die Haft zu begründen. Und er dürfte nicht der letzte Automanager bleiben, der sich vor Gericht verantworten muss.

Das mag das Bedürfnis nach Gerechtigkeit befriedigen, doch es ändert nichts an den Auswirkungen des Betrugsskandals selbst: Die Diesel mit dem überhöhten Stickoxidausstoß ­dürfen weiterhin fast ungehindert in den Innenstädten die Menschen vergiften. Denn im Gegensatz zur Justiz schont die Politik die Hersteller nach wie vor.

CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer hält zwar inzwischen immerhin auch die Daimler-Motoren für ­illegal. Doch auf eine zwingende Hardware-Nachrüstung verzichtet er weiterhin. Angesichts der immer deutlicher werdenden kriminellen Energie der Branche ist diese Rücksichtnahme ­unverständlicher denn je.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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10 Kommentare

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  • Der Dieselmotor ist ein unschlagbares Arbeitstier und auf den möchte man ungern verziochten, wenn man 2,5 Tonnen SUV vorantreiben möchte. Ich würde mal sagen, der Diesel wurde mißbraucht, um die protzigen Bedürfnisse der SUV Fahrer zu befriedigen... muß ein Traktor 260 Sachen auf der Autobahn machen?

    Diese Traktoren heissen z.B. Porsche Ceyenne, um nur einen herauszugreifen.

     

    Kleinhirn schlägt mal wieder Vernunft.

    Vernünftig wäre, Nutzfahrzeuge mit Diesel - Privatfahrzeuge als Übergangslösung mit Erdgasantrieb - fahre ich selbst seit 10 Jahren, sauber und günstig. Für die Zukunft sehe ich Wasserstoff und Brennstoffzelle.

     

    Aber wenn man jedem US-schwachsinnigen Hype hinterher rennen muss, wie jene fahrbaren SUV Burgen...dann gibt es keine Alternative zum Diesel

  • .."CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer hält zwar inzwischen immerhin auch die Daimler-Motoren für illegal." ... Immmmerhinnnn! Oha!

    Nun ja, das Verhalten der Bundesregierungen ist seit Inkrafttreten des Amsterdam Vertrages (1999/2000) illegal. Und die verantwortlichen Minister werden ebenso wenig zur Verantwortung gezogen wie die Heerscharen von Großaktionären – denn wir wollen Dividende und Asthma!!! Aber richtig! Die Deutschen Wirtschafts-, Umwelt-, Gesundheits-, Finanz- und Justizminister haben allesamt viel Dreck am Stecken. Aber wen interessiert schon, dass man sich in der EU auch mal auf etwas wirklich Gutes und Zukunftsfähiges hat einigen können (Art. 152 Amsterdam-Vertrag… schon mal gelesen?)???

    Deutschland schmort im eigenen Dreck, nicht nur aus dem Auspuff, auch am Stecken unserer „Führungskräfte“. Ob man nun mit einem AUDI-Kopf das Bedürfnis nach Gerechtigkeit befriedigen mag??? Meines sicher nicht.

    Und das Bedürfnis der TAZ - sollte bittschön auch nicht so nett zu den Großen Dreckstecken sein. (Oder sollen wir doch lieber BILD lesen?)

  • Lieber Malte, "Diesel vergiften weiter die Umwelt", sagen Sie und haben auch rein prinzipiell damit recht. Ich lese diese Zeilen so, als wenn Sie das Abschaffen aller Dieselmotoren fordern. Verstehe ich das richtig ? Haben Sie sich mal überlegt, wie die Lebensmittel in den Supermarkt gelangen ? Gleisanschluß oder Pferdewagen, was schwebt Ihnen denn da so vor ? Viezigtonner mit Elektromotor ? Da schlagen Sie mal lieber nochmal die alten Physik-Bücher auf. Soll der Tee wie anno dunnemals wieder mit dem Segelschiff aus Sri Lanka kommen oder wie ? Wissen Sie, daß der Strom, der Ihr Elektroauto lädt, zum größten Teil in Braunkohlekraftwerken hergestellt wird ? Auch eine Art großer Motor. Dort fällt dann auch die Emmission an, die man beim E-Auto nicht sieht. Ihre Textüberschrift ist anbiedernd gefällig, weil Sie wissen, daß das gar nicht geht. Etwas unmögliches zu fordern macht sich nur so lange gut, bis es die ersten par Ordre de Mufti durchsetzen wollen und merken, daß Joghurt nicht im Supermarktregal wächst.

    • @Thomas Schöffel:

      Also wenn es nach Ihnen geht sollte dann sollman nichts unternehmen? So wie Frau Merkel wirtschaftet, so wie unsere Verteidigungsministerin, so wie unser EX - Verkehrsminister Dobrindt handelte. Ist das was sie wollen? Nichts unternehmen?

      Soviel nichtstun haben gar keinen Sinn und Sie sind da völlig auf dem Holzweg.

      Sie haben keine Ahnung von Technologie sonst würden sie nicht so etwas schreiben. Nur von anderen ablesen und nachreden kann jeder Dummer.

      Moderne Technologie sieht heute ganz anders aus und Kohlekraftwerke braucht man sowieso in den nächsten Jahren nicht mehr. Wenn Strom mit Sonnenenergie oder Wasserkraft hergestellt wird dann ist das eine saubere Sache und Elektroautos haben sehr wohl Zukunft.

      Diese Energie müsste man nicht mal alle unbedingt in Deutschland vorhanden haben, aber sie ist die sauberste und Umweltfreundlichste die es im Moment gibt. Die Dieselautos werden nach und nach von Elektroautos ersetzt. Auch wenn es gegen den Willen von vielen korrupten Managern wie von VW und Audi ist.

    • Malte Kreutzfeldt , Autor des Artikels, ehemaliger Redakteur
      @Thomas Schöffel:

      Hallo Thomas Schöffel,

      danke der Nachfrage. Was ich gegen die luftvergiftenden Diesel fordere, steht im letzten Absatz: Eine verpflichtende Nachrüstung der Hardware, die dazu führt, dass die gesetzlichen Stickoxid-Grenzwerte auf der Straße eingehalten werden.

      Langfristig allerdings halte ich aus Gründen des Klimaschutzes tatsächlich einen weitgehenden Verzicht auf Verbrennungsmotoren für notwendig. Zu Ihrer Kritik: Elektromotoren sind schon beim heutigen Strommix klimafreundlicher als Verbrenner. Durch den weiter steigenden Anteil erneuerbarer Energien nimmt dieser Vorteil weiter zu. Bei LKWs ist die Sache zugegebenermaßen komplizierter als beim PKW, aber auch dort wird bereits an Lösungen gearbeitet (E-Trucks von Daimler und Tesla, Oberleitungs-LKW etc.).

      Beste Grüße, Malte Kreutzfeldt

  • Solangsam wird der Druck auf die Staatsanwaltschften zu groß. Mit ihrer langen Untätigkeit oder sozusagen unzureichenden Bewegung im Abgasskandal, des Betruges, der Umweltverschmutzung der Körperverletzung usw. kommen manche ausgeschlafene Ermittler nun zum Zug. Es ist recht peinlich wie lange das ganze dauert und wie intensiv das durch die eigenen Politiker behindert wurde.

    Nennt man so etwas Rechtsstaat?

    Ich glaube nicht. Unser Justizsystem braucht eine grundlegende Reform gegen diese krimininelle Mafia und Betrüger. Damit kann man den Verantwortlichen und Manager mal dieses Handwerk legen. Es darf keine Hintertüren mehr geben.

    Es ist nähmlich eine Schande für Deutschland das sein gutes Ansehen wegen dieser handvoll Kriminellen in der Welt verliert. Aber die Politiker, die das die ganze Zeit gedeckt und mit ihrem Wissen geduldet haben, die müssten auch zur Verantwortung gezogen werden. Zum Beispiel Ex - Verkehrsminister Dobrindt.

  • "Wenigstens die Justiz macht Ernst" ???

     

    nach gut 3 Jahren! also einen Rechtsstaat stell ich mir anders vor. Komplettes Staats und Politikversagen!

     

    Die CSU ist halt sehr selektiv wo man das Recht zur Anwendung bringt und wo nicht.

  • Im Ernst?

  • Klasse! - unsere Staatsanwaltschaft, wie sie gegen die Verbrecher vorgeht, ist das nicht Beispielhaft! Nicht wahr Herr Kreutzfeld? Und dann sitzt hinter jedem Steuer eines Diesel ein Mensch, welcher mehr oder weniger um Tausende Euro betrogen wurde, und dann? - Herr Kreutzfeld, ist da noch das Kraftfahrtbundesamt mit seinen reichen allmächtigen Ministern und klugen Beamten, die den Betrug zugelassen haben. Und, hab ich noch jemanden vergessen? - ach ja, darüber berichten ja sie dann in der nächsten taz, Herr Kreutzfeld.



    Viele Grüße

    • @tommason:

      Und dann sitzt hinter fast jedem Steuer eines Autos ein Mensch, welcher dem seit Jahrzehnten allgegenwärtigen Betrug des automobil-industriellen Komplexes augenzwinkernd zuschaut, solange er selber nicht zu kurz kommt ...

       

      Solange die Dieselianer Menschen vergifteten, regte sich kein Autofahrer drüber auf. Aber wehe, sie müssen für den bekannten Betrug nun noch was extra drauflegen.