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Marineschule ehrt NS-KonteradmiralVorbild trotz Last-Minute-Todesurteilen

Die Marine ehrt einen Konteradmiral, der kurz vor Kriegsende Todesurteile vollstrecken ließ. Die Bundeswehr betont seine demokratischen Verdienste.

Im Geiste Johannesssons: Vereidigung von Offiziersanwärtern in Mürwik Foto: dpa

Hamburg taz | Die Fakten sind unbestritten. In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs bestätigte der spätere Befehlshaber der Bundesmarine Rolf Johannesson die Todesurteile von fünf Männern. Diese hatten wenige Tage vor der Kapitulation überlegt, auf Helgoland eine weiße Fahne zu hießen, da durchgesickert war, dass ein massiver Bombenangriff zu erwarten sei. Sie wurden verraten. Am 21. April 1945 bestätigte Johannesson als Kommandant der Seeverteidigung Elbe-Weser die Urteile, am selben Tag wurden sie in Cuxhaven-Sahlenburg vollstreckt.

Die Marineschule Mürwik (MsM) in Flensburg ehrt bis heute den Konteradmiral mit einer Büste in der Aula und einem Preis für den Jahrgangsbesten. „Die öffentliche Ehrung von Tätern verhöhnt die Opfer“, sagt Günter Knebel von der „Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz“.

Seit Jahren löst die Ehrung mit dem Namen des Konteradmirals Kritik aus. Bei der diesjährigen Vergabe ärgerte sich die Bundesvereinigung mit Sitz in Bremen besonders über eine Aussage des Leiters der Pressestelle der Marine, Johannes Dumrese. Der Kapitän zur See hatte dem NDR gesagt, dass der Konteradmiral kein „Nazi war oder aktiv das NS-Regime unterstützt hat, völlig unabhängig davon, dass er natürlich eine Funktion als Gerichtsherr gehabt hat“.

Als Gerichtsherr dafür gesorgt, dass durchgegriffen wurde

Nicht „aktiv unterstützt“? Mit der Bestätigung der Todesurteile, kontert Knebel von der Bundesvereinigung, habe Johannesson die Rolle des „Gerichtsherrn“ so ausgefüllt, wie es die NS-Justiz vorsah. In der Kriegsstrafverfahrensordnung (KStVO) vom 18. August 1938 heißt es dazu: „Das Schwergewicht des militärischen Strafverfahrens ruht beim Gerichtsherrn.“ Er sei die alles beherrschende Persönlichkeit und trage die Verantwortung dafür, „dass mit der nötigen Schärfe und Beschleunigung durchgegriffen“ werde.

Unter Historikern sei zudem unbestritten, dass Gerichtsherren ohne Konsequenzen befürchten zu müssen, auch anders hätten entscheiden können. Die Behauptung des Marine-Sprechers Dumrese werde dadurch nicht bloß infrage gestellt, sie werde widerlegt, sagt Knebel.

Aus Dumreses Sicht greift das allerdings zu kurz. „Ist eine Biografie ab 1945 zu Ende?“, fragt der Pressesprecher der Marine. Die anhaltende Kritik ignoriere, dass die Marine die Vergangenheit Johannessons im Nationalsozialismus nicht verschweige, zugleich aber dessen Werdegang in der Bundesrepublik würdigen wolle.

Die Erfordernisse der damaligen harten Zeit ließen dem Gericht und mir keine Wahl

Rolf Johannesson über die von ihm unterzeichneten Todesurteile

Denn der Konteradmiral habe eine kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit vorangetrieben und sich vehement für eine demokratische Leitkultur eingesetzt. Auch gegen Widerstände, wie Dumrese einräumt, sei es Johannesson in der Bundesmarine gelungen, mit der „Inneren Führung“ und der Aufarbeitung der Geschichte ein plurales, multikulturelles Grundverständnis mit zu etablieren.

Auf Johannesson gehe auch die „Historisch-Taktische Tagung“ der Flotte zurück. Die heutigen Offiziere sollten sich – anders als die Offiziere seiner Generation – als Soldaten in einem und für einen demokratischen Staat verstehen. Mit diesen Motiven wolle die Marine an den Konteradmiral erinnern, sagt Dumrese.

Der Preis werde für die Jahrgangsbesten der Offiziersschule auch wegen der Werte verliehen, die Johannesson vertrat. An der Büste in der Aula sei ein Hinweis zu den Todesurteilen zu lesen. Das historische Gebäude, das in der Kaiserzeit erreichte wurde, werde zudem nach und nach zu einem kritischen Lernort umgestaltet. Bilder von Schlachten würden historisch eingeordnet, Gebäudekomplexe erläutert.

„Gebrochene“ Biografie?

Der implizierten Argumentation mit einer „gebrochenen Biografie“ will die „Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz“ nicht folgen. Zeitlebens habe Johannesson die Verantwortung für die Todesurteile verschwiegen. In seiner Biografie „Offizier in kritischer Zeit“, 2016 neu aufgelegt, erwähnt der 1989 verstorbene ehemalige Befehlshaber der Bundesmarine die Todesurteile nicht.

Der Militärhistoriker Dieter Hartwig hebt hervor, dass Johannesson in einer Erklärung vom 16. November 1953 ausführte: „Die Erfordernisse der damaligen harten Zeit ließen dem Gericht und mir keine Wahl.“ Erst im Februar 2017 wurde das komplette Schreiben aus dem Jahr 1953 im Landesarchiv Schleswig-Holstein gefunden. Hartwigs Fazit: „Konteradmiral Rolf Johannesson kann für heutige Offiziere kein Vorbild sein.“

Johannesson, stellt Hartwig fest, habe kurz vor Kriegsende nicht aus einer später von ihm behaupteten Distanz zum Nationalsozialismus heraus gehandelt. Mehr noch habe er auch nach dem Zweiten Weltkrieg nicht jene Zivilcourage aufgebracht, die er selbst mit seiner Lebensmaxime „Das Geheimnis des Glückes ist die Freiheit, das Geheimnis der Freiheit aber ist der Mut“ einforderte.

Aber, so Hartwigs Fazit weiter: „Als Lehrbeispiel für einen 'Offizier in kritischer Zeit“‚ sei Johannesson „sehr wohl geeignet“.

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7 Kommentare

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  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Man könnte ja in der Marineschule Büsten jener fünf seitens des Konteradmirals Ermordeten aufstellen, als bleibende Warnung für alle Absolventen wohin blinder Hass und eine menschenverachtenede Ideologie führen.

    Und den Preis für den Jahrgangsbesten kann man nach einem Wehrmachtsdeserteur benennen, also nach einer Person, die den Mordbefehlen widerstand, die Typen wie Johansson erteilten ...

  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    „Ist eine Biografie ab 1945 zu Ende?“

     

    Nein. Nur muss man einen Nazi deswegen nach 1945 ehren ?

  • Meine Frage ist was hat der Konteradmiral in der deutschen Marine zu suchen. Alleine wegen seiner Vergangenheit. Hat da Frau Leyen noch nie etwas davon gehört? Wo ist denn da unsere Verteidigungsministerin?

    Aber wenn ein Soldat ein zerschossener Wehrmachtshelm auf seiner Stube hatte, dann wird das in 20 Zeitungen geschrieben und Frau von der Leyen ist da sofort tätig geworden bis hin zu der Sanktion.

    Dieser Konteradmiral hätte nie zur deutschen Marine übernommen werden dürfen.

    Für mich völlig unverständlich diese

    militärische Zeremonie und sehr kontrovers

  • So ähnliches hatten wir doch schon! Im Prinzip muss man noch das Wort 'oft' dazusetzten, aber hier scheint eine Blaupause des 'Widerstandskämpfers gegen die Nazis' Filbinger zu existieren. Diese ganz dumme und verfälschende Bemerkung stammt vom einstigen Ministerpräsidenten Öttinger bei der Trauerfeier für den Nazi-Todesrichter - heute ist Ötti seines Zeichens EU-Kommissar von Merkels Gnaden! Der eine war offensichtlich Gerichtsherr, der andere (Filbi) war ein Marinerichter, der (ebenfalls noch in den letzten Kriegstagen) Todesurteile für kriegsmüde Soldaten aussprach.

     

    Es ist eine große Schande für Deutschland, dass noch nach mehr als 75 Jahren solchen Nazi-Todesengeln gehuldigt wird. Wenn jemand derart aktiv am Tode von Unschuldigen arbeitete, dann verdient er auch noch posthum eine große Verachtung! Und ein paar weniger negative Taten nach der Nazi-Zeit verringern die Schuld der Täter auch nicht!

    • 8G
      84935 (Profil gelöscht)
      @fvaderno:

      Sehr richtig! Und ich wette leider, die Typen mit ihrem Gebrabbel "Deserteure und Wehrkraftzersetzer müssen bestraft werden", melden sich hier auch gleich wieder zu Wort. Jedoch gibt es etwas, das höher steht als jeder Eid auf Führer, Fahne oder Vaterland, nämlich das Gewissen. Wenn die fünf es hatten, und der Richter nicht, ist für mich klar, an welche man erinnern sollte, und an wen nicht!

  • Ich hätte noch einen "besseren" Fall anzubieten:

    Gebhard Müller, Regierungschef des Landes BaWü und dann Präsident des BVerfG hat noch 1 Woche vor Verkündigung des Grundgesetzes als Richter ein Todesurteil vollstrecken lassen. Selbstverständlich war er NSDAP-Mitglied und im SS-Förderverein.

     

    Die deutsche Justiz und Politik ist garantiert 10 x durchseuchter als die BW. Eine Aufarbeitung findet da nicht statt, momentan sind sie erst bei Hindenburg und Lüderitz angekommen.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Gebhard_Müller

    • @el presidente:

      Da kann ich Ihnen nur Recht geben. Kein Wunder dass sich der Deutsche Rechtsstaat, soweit man ihn das noch nennen kann und darf, sehr schwer mit der Aufarbeitung seiner eigenen Vergangenheit tut.