Kolumne So Sach(s)en: Vergnieschn in dr Straßnbahn
Auf immer mehr Gleisen tummeln sich brandneue Straßenbahnen. Die altehrwürdigen Tatra-Wagen werden indes zurückgedrängt.
Leipziger*innen haben ein besonderes Verhältnis zu ihren Straßenbahnen. Denn neben brandneuen Fahrzeugen gibt es im Stadtbild immer noch zahlreiche Wagen des ehemaligen tschechoslowakischen Herstellers ČKD Tatra zu sehen. Bis 2020 sollen die alten Bahnen allerdings ausgemustert werden. Diesen Plänen widerspricht der Autor ausdrücklich.
Tatra-Wagen haben die stärksten Bremsen, die es gibt – dachte zumindest der Autor Anfang der 90er Jahre. Denn eine seiner ersten Erinnerungen war eine Vollbremsung der Linie 12 an der Ecke Georg-Schumann-Straße/Lützowstraße. Von der Mutter den Auftrag erhalten, ja gut auf den selbst gebackenen Blaubeerkuchen für die Oma aufzupassen, landete er nach jener Bremsung mit dem Gesicht im zuckrigen Backwerk.
In späteren Jahren kamen immer weitere Geschichten hinzu: Straßenbahnfahrer, die man bei ihren Ansagen selbst als gebürtiger Leipziger nicht immer versteht – „offgrund eenor Bauschdelle wird dr Wagn umgeleidet“. Das Klackgeräusch, wenn die Bahn die Höchstgeschwindigkeit erreicht hat. Ein schrilles Klingeln, wenn die Türen schließen. Rentnerinnen, die lautstark übers Wetter diskutieren – „joa, morschn solls bessor werdn, hamse gesacht“ – während die Bahn mit einem lautstarken Quietschen um die langgezogene Kurve schrammt. Dabei heizt der andauernd fehlerhafte Heizkörper auch im Sommer so stark, dass die Sitzschale aus Duroplaste beinahe schmilzt.
Bisweilen aber bieten Tatra-Wagen sogar Stoff für Romanzen. Bei einem lautstarken Disput zweier älterer Menschen an der Haltestelle Lützner Straße rief der Mann erzürnt: „Maria, wo worst du die ledzdn zwee Wochn?“, und warf seine mit Bettwäsche gefüllten Plastiktüten erregt in die Höhe. „Na, in dr Dadra in dr Linie 7.“ – „Ah, gomm her, du bisd doch mein Girl.“
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Und beide schlenderten mit ihren Plastiktüten glückselig die Straße hinab. Solches Vergnieschn in dr Straßnbahn, wie bereits die Leipziger Mundartdichterin Lene Voigt erkannte, das gibt’s eben nur in der Leipziger Tatra.