piwik no script img

Hamburger SPD nach Olaf Scholz„Die SPD muss linker werden“

Auf dem SPD-Parteitag am Sonnabend wird der Abschied von Olaf Scholz endgültig festgeschrieben. Manche hoffen nun auf inhaltliche Debatten und schärferes Profil.

Der Ex und die Neue: Olaf Scholz und Melanie Leonhard Foto: dpa

HAMBURG taz | Einige in der Hamburger SPD atmen durchaus auf: „Ab jetzt hat nicht mehr nur einer Recht“, sagt Martin Schäfer vor dem Landesparteitag am kommenden Sonnabend im Bürgerhaus Wilhelmsburg.

Der eine, den der langjährige Bürgerschaftsabgeordnete und Beisitzer im Landesvorstand meint, wird gleichwohl anwesend sein: Olaf Scholz, bis März Erster Bürgermeister und SPD-Chef im Stadtstaat an der Elbe, wird aufmerksam verfolgen, wie die Hanse-SPD sich ohne den bisherigen Dominator neu strukturiert.

Bei den turnusmäßigen Vorstandswahlen sind keine großen Überraschungen zu erwarten, die kleinen Änderungen indes lassen neue Schwerpunktsetzungen erahnen. So wird Matthias Bartke, Bundestagsabgeordneter aus Altona, erstmals als stellvertretender Landesvorsitzender kandidieren. Der 59-jährige Jurist war in der Sozialbehörde lange für die Hamburger Arbeitsmarktpolitik zuständig. Auch im Bundestag profiliert er sich seit 2013 vornehmlich als Sozial- und Arbeitsmarktpolitiker.

Wenn Bartke könnte, wie er wollte, würde er den Sanktionskatalog bei Hartz IV entschärfen, sachgrundlose Befristungen für Arbeitsverträge abschaffen sowie einen sozialen Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose und eine Solidarrente für Geringverdienende einführen.

Die SPD muss raus aus der verdrucksten Ecke und wieder wahrnehmbar werden

Martin Schäfer, SPD-Landesvorstand

Abgesehen davon, dass Bartke diesen Wunschzettel von seiner Homepage in der Groko bei Vizekanzler und Bundesfinanzminister Scholz und gegen die Union durchsetzen müsste, findet sein Ansatz Schäfers Beifall: „Wir brauchen mehr inhaltliche Debatten“, findet der und räumt damit ein, dass es diese bei den GenossInnen von der Alster allzu lange nicht gab.

Der 66-jährige promovierte Mathematiker scheidet am Sonnabend freiwillig aus dem Landesvorstand aus und muss kein Blatt mehr vor den Mund nehmen. „Die SPD muss linker werden, in Hamburg und im Bund“, sagt Schäfer: „Mehr für Integration, mehr für Soziales, mehr für Kultur“ sind aus seiner Sicht notwendige programmatische Ziele. „Die SPD muss raus aus der verdrucksten Ecke und wieder wahrnehmbar werden“, findet er.

Gar nicht mal so unwahrscheinlich, dass Schäfers Mahnungen der Landesvorsitzenden Melanie Leonhard gefallen. Die Sozialsenatorin war am 24. März mit einer Parteitagsrede, in der sie vornehmlich soziale Ungerechtigkeiten gegeißelt hatte, mit 94,6 Prozent zur Nachfolgerin von Scholz gewählt worden.

Mindestlohn von zwölf Euro

Bei der anstehenden turnusmäßigen Neuwahl des gesamten 32-köpfigen Landesvorstandes tritt die 40-Jährige aus Harburg wieder an. Von Interesse ist in erster Linie, ob Leonhard ihr Top-Ergebnis wiederholen kann. Als Vizes kandidieren wie schon seit Jahren nach bewährtem Muster Inka Damerau aus dem linken Kreisverband Nord und Nils Weiland aus dem mitgliederstärksten Kreis Wandsbek.

Auch beim neuen Regierungschef Peter Tschentscher könnte Schäfer offene Ohren finden. Er hatte auf dem Parteitag Ende März, der ihn mit 95,2 Prozent zum Bürgermeisterkandidaten gekürt hatte, eine Mindestlohn von zwölf Euro gefordert. Im öffentlichen Dienst wolle er diese Untergrenze rasch einführen: „Das ist notwendig“, sagte Tschentscher damals und fügte hinzu: „Die besten Tage in Hamburg liegen noch vor uns.“ – Vielleicht auch über den Parteitag am Sonnabend hinaus.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Die SPD hat mit dem Gaunerduo GasGerd/Clement den politischen Suizid auf Raten längst eingeläutet.

    Olaf ist nur ein weiterer Sargnagel, der nach seinem persönlichen Supergau G20, schnellstens aus Hamburg verschwinden musste!

  • Also, ich würde mir nichts sehnlicher wünschen, als die Hamburger SPD aufwacht und sich sozialer positioniert und diese Position dann auch umsetzt.

     

    Aber da geht es dann schon los. Man sollte nicht vergeßen, dass in Hamburg einige Jusos in den 1990ern schon sehr rechte Positionen a la Angenda 2010 vertreten haben und massiv nach Vorne drängten. Mit Kahrs haben sie einen ganz Prominenten vom rechten Flügel hervorgebracht.

     

    Ob diese Partei sich links-sozial und bitte gerne auch liberal (von wegen G20 etc.) zusammenfinden kann, bezweifele ich.

     

    Es wäre wirklich dringend notwendig, aber wer teilt denn die Einsicht von Schäfer?

     

    Dirk Kienscherf ist zum Beispiel aufgestiegen und vertritt auch rechte, Angenda-mäßige Positionen.

     

    Und eine sozialere Politik kostet auch viel Geld, wenn die SPD wieder massiv Sozialwohnungen bauen will, kann sie sich nicht mehr an schwarze Zahlen im Haushalten orientieren. Und es wird auch viel Zeit erfordern. Immerhin kommt Tschentscher aus der Kommunalpolitik und ist geneigt, diese Dinge in die Hand zu nehmen. Aber er muss da Gas geben. (Und Scholz muss in Berlin auch Geld locker machen, damit Hamburg nicht zu einem München oder Frankfurt am Main wird)

  • Hamburger SPD nach Olaf Scholz

     

    "Die SPD muss linker werden, in Hamburg und im Bund“, sagt Schäfer: „Mehr für Integration, mehr für Soziales, mehr für Kultur“ sind aus seiner Sicht notwendige programmatische Ziele. „Die SPD muss raus aus der verdrucksten Ecke und wieder wahrnehmbar werden“, findet er."

     

    Wenn SPD Politiker kurz vor der Rente stehen, und keinen Aufsichtsratsposten in der Wirtschaft ergattert haben, dann erinnern sie sich auf einmal wieder an die sozialen Wurzeln der SPD. Aber wenigstens muss Hamburg nicht mehr die Arroganz eines Olaf Scholz ertragen, der einen "Elbtower" für eine Milliarde Euro für Hamburgs High Society bauen wollte, anstatt die dringend benötigten Sozialwohnungen in der Hansestadt.

     

    Der "Elbtower" wird aber wohl trotzdem gebaut werden. Die Reichen feiern ihren Reichtum nämlich gerne in Prachtbauten, während die Armen obdachlos werden. Es ist nur gut, dass Willy Brandt das nicht mehr miterleben muss, wie seine einst soziale Partei zum Erfüllungsgehilfen des Kapitals geworden ist.

  • Ach, der Herr Dr. Martin Schäfer aus Eimsbüttel. Ich hatte ihm mal im letzten Bürgerschaftswahlkampf mal eine Mail geschickt, mit einer Frage zu lokalem Bezug. Ganz freundlich, nicht besonders komplex. Auf die Antwort warte ich heute noch.

    Na ja, vom mittlerweile Staatssekretär Niels Annen (Wahlkreis Eimsbüttel) kommen ebenfalls nur blabla Antworten, wenn es nicht um Außenpolitk geht.

    Offensichtlich ist die SPD HH bereits weit vom Bürger entfernt, wenn er nicht gerade mit einem Volksbegehren droht.

  • Na wenn rechts neben einem die Wand ist, ist das mit dem 'Linker' werden kein besonderer Akt in Hamburg. Die Elb-SPD ist die CSU der Sozialdemokratie...

    • @Philippe Ressing:

      Ja, aber nur der eine Teil. Der ist allerdings für Überraschungen gut. Der andere Teil ist nicht mehr dominant und müsste sich jetzt neu erfinden.