piwik no script img

heute in hamburg„Pornos können die Gesellschaft verändern“

Vortrag „PorYes! Feministische Konzepte in der Pornografie“, 19 Uhr, Uni Hamburg, Hörsaal der Erziehungswissenschaften, Von-Melle-Park 8

Interview Tobias Scharnagl

taz: Frau Heinrich, was haben Sie gegen den guten alten Porno?

Ulla Heinrich: Blasen, Ficken, Abspritzen – die heilige Trinität, immer dasselbe. Männer müssen ein Riesending haben, Frauen dürfen nur mit gestählten, enthaarten und flüssigkeitsfreien Körpern mitmachen. Überhaupt: Warum nur Heteros? Wenn Lesben, dann nur so, dass es Männer gut finden. Der „gute alte Porno“ ist sexistisch, frauenverachtend, homophob, rassistisch und sehr vereinfachend.

Wenn jetzt alle Darstellerinnen die Achselhaare wachsen lassen, ist das Problem wahrscheinlich nicht gelöst, oder?

Nein. Es verblüfft mich immer noch, wie massiv die Reaktionen auf weibliche Körperbehaarung sind. Nicht nur im Porno. Frauen sollen ihre Haare wachsen lassen oder sich rasieren – egal! Beides kann feministisch sein. Eine Bandbreite von Schamhaarlängen muss möglich sein.

Was muss ein feministischer Porno haben?

Vielfalt. Klar, auch ein feministischer Porno ist nie authentisch, sondern immer eine Szene, trotzdem sollte er versuchen, das Leben abzubilden. Und das besteht nicht aus perfekten Männer, die perfekte Frauen in alle Löcher penetrieren. Pornos sollen nicht dogmatisch sein. Sie können aufklären. Ich habe in einem Porno gelernt, wie weibliche Ejakulation geht. Wusste ich nicht. Ein Porno kann überraschend sein, ernst oder unfassbar lustig. Echte Menschen, die echte Lust verspüren.

Muss ein guter Porno eine Handlung haben?

Nicht unbedingt. Manchmal mag ich Filme, die sofort zur Sache kommen. Nur Klischees verbreiten dürfen sie nicht – das reproduziert Stereotype!

Foto: privat

Ulla Heinrich, 30, arbeitet als Kuratorin, veranstaltet Konzerte und engagiert sich seit zehn Jahren im sexpositiven Feminismus.

Sie organisieren einen Porno-Preis, den die Feministin Laura Meritt vergibt: den „PorYes – Feminist Porn Award Europe“. Kann den ein weißer Hetero-Mann mit klassischer Pornoprägung gewinnen?

Klar. Sie müssen fantastische feministische Pornos drehen, die sich um die sexpositive Bewegung verdient machen: modern, relevant, kreativ. 2017 waren uns diese Themen wichtig: Queer, Intersexualität, Sex und Arbeit, also die Frage: Was ist Fairporn?

Pornos können gesellschaftlich relevant sein?

Ja. Wir wollen zeigen, dass es Alternativen zum klassischen Porno gibt und so das große Ganze verändern. Die Menschen sollen sich respektieren – im Porno und im echten Leben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen