Kommentar von Stefan Alberti zur SPD-internen Kritik an Parteichef Müller: Erneuerung als Selbstzweck hilft der SPD nicht weiter
Stefan Alberti
ist Redakteur für Landespolitik
Er hat wieder zugeschlagen. Mark Rackles hat erneut seinen Blick auf die SPD aufgeschrieben und verbreitet. Keiner hat in dieser Partei in diesem Jahrtausend mehr in die Medien gelangte Papiere verfasst. Nie aber attackierte Rackles, einst Sprecher des linken SPD-Flügels und seit 2011 Staatssekretär im Bildungsressort, seinen Parteivorsitzenden, egal wie der hieß. Das ist diesmal anders. Es sei Zeit für neue Gesichter. „Die Vertrauensbasis des Landesvorstands ist offenbar aufgebraucht“, schreibt Rackles, selbst Vizechef, über die Führungsriege von Parteichef Michael Müller.
Egal, ob nach der Bundestagswahlschlappe 2009, der Klatsche auf Landesebene 2016 oder der Bundestagswahl im vergangenen Herbst: Rackles hatte stets eine dezidierte Meinung. 2016 noch nahm er dabei Müller gegen Fraktionschef Raed Saleh in Schutz, sprach von einer „Kampfansage“ und warf Saleh vor, selbst das Bild der SPD geschwächt zu haben.
Nun geht es also gegen Müller: Vom „Mehltau befallen“ ist die SPD-Führungsstruktur aus Rackles’ Sicht. Ein fast 30 Jahre altes Bild ruft er da auf: Nach Erinnerung des Grünen Wolfgang Wieland war es ein führender SPDler, der sich kurz nach der Wende erstmals so über eine drohende Große Koalition äußerte.
Müller soll interne Vorschläge für neue Leute im Vorstand – mehr Frauen, mehr Jüngere, mehr Migranten – nicht aufgegriffen haben, kritisiert Rackles. Die Frage ist bloß: Reicht das immer gleich als Qualifikation? Und hat ein Vorschlag Anspruch auf sofortige Umsetzung?
Was hieße es denn, wenn die SPD jetzt ihre Spitze auswechseln würde, also den Vorsitzenden Müller oder Stellvertreter wie Andreas Geisel und Iris Spranger? Doch nur, dass die Partei selbst kein Vertrauen mehr zu ihrem eigenen Regierungschef, ihrem Innensenator und ihrer führenden Baupolitikerin hat. Wer würde eine solche Partei noch wählen? Erneuerung um der Erneuerung wegen hilft keiner Partei weiter – auch nicht der SPD, für wie einzigartig sie sich auch hält.
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