piwik no script img

Pflegekräftemangel in BremenNicht akademisch genug

In Bremen fehlen bis 2035 tausende Pflegekräfte, rechnet eine Studie vor. Jetzt soll mehr ausgebildet werden. Zudem sollen TherapeutInnen kein Schulgeld zahlen müssen.

Werden in Zukunft immer mehr gesucht: Pflegekräfte Foto: dpa

Im Jahr 2035 könnten in Bremen insgesamt 3.855 Fachkräfte in den Gesundheitsberufen fehlen. Das hat eine Studie des Forschungszentrums Socium im Auftrag der Gesundheitssenatorin ergeben. Jetzt soll mehr und generalisierter ausgebildet werden, auch die Akademisierung der Gesundheitsberufe soll zunehmen. Zudem sollen therapeutische Berufe wie Logopädie, Ergo- und Physiotherapie vom Schulgeld befreit werden. Das sagte Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD).

Erwartungsgemäß ist der Mangel in den Pflegeberufen am größten – obwohl die Ausbildungskapazitäten in der Altenpflege zuletzt deutlich erhöht wurden. Insgesamt fehlen laut der Untersuchung bis 2035 über 2.500 PflegerInnen und fast 700 PflegehelferInnen in Bremen, sollte nicht insgesamt mehr ausgebildet werden.

In der Altenpflege gebe es zwar jetzt schon „gravierende Engpässe“, so Heinz Rothgang, Professor an der Uni Bremen und Leiter der Studie. Bis 2035 sollen die aber so gut wie behoben sein, so seine optimistische Prognose: Wenn hier weiterhin so viele AltenpflegerInnen nachkommen wie derzeit, fehlen 2035 in Bremen nur noch 83 Fachkräfte, rechnet die Studie vor.

Allerdings gilt das nur, wenn die AbsolventInnen auch überwiegend in Bremen bleiben. Dabei gibt es große regionale Unterschiede im Gehalt: Eine Altenpflegefachkraft verdient im Durchschnitt in Deutschland 2.621 Euro. Je nach Region liegen die Löhne laut der Bundesagentur für Arbeit (BA) unter 2.000 Euro in Sachsen-Anhalt und bei bis zu knapp 3.000 Euro brutto im Südwesten der Republik.

Für Bremen gibt es bei der BA keine genauen Zahlen. Zudem wird in der Altenpflege fast überall weniger verdient als in der Krankenpflege. „Die tarifliche Entlohnung muss verbessert werden“, sagte Quante-Brandt, nicht ohne darauf zu verweisen, dass sie da „keine Eingriffsmöglichkeiten“ habe und die Tarifparteien das „klären“ müssten.

Steigender Bedarf

In fast allen Gesundheitsberufen steigt der Bedarf in Bremen bis 2035 kontinuierlich.

In der Altenpflegewächst der Bedarf um 24 Prozent, in den Krankenhäusern um 8,4 Prozent, in der Logopädie um 10,1, in der Ergotherapie um 9,2 und in der Physiotherapie um 7,2 Prozent.

Altersbedingt scheiden 337 Pflegerinnen und Pfleger jährlich aus. Dem stehen

362 AbsolventInnen vom Jahr 2016 gegenüber.

In der Kranken- und Kinderkrankenpflege sowie bei den PflegehelferInnen sind die Absolventinnenzahlen – anders als in der Altenpflege – „nicht einmal annähernd ausreichend“, um den Beschäftigungsstand in den nächsten Jahren „konstant zu halten“, so Rothgang. Hinzu kommt, dass rund 40 Prozent der Pflegefachkräfte und etwa die Hälfte aller PflegehelferInnen schon 2016 über 50 Jahre alt waren. Etwas besser sieht es bei den Therapeutinnen aus.

In der Pflege seien in Bremen 287 zusätzliche Ausbildungsplätze vonnöten, um den steigenden Fachkräftebedarf decken zu können, so Quante-Brandt. „Das ist eine große Herausforderung angesichts der Tatsache, dass wir aktuell in den Krankenhäusern und in den Schulen einen Bewerberrückgang verzeichnen.“

Das „Bremer Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus“ fordert 1.600 neue Stellen in Bremer Kliniken und eine Rekommunalisierung privatisierter Häuser sowie ausgegliederter Bereiche. Quante-Brandt wiederum setzt große Hoffnung in eine generalisiertere Ausbildung, in der alle Pflegeberufe in zwei von drei Ausbildungsjahren gemeinsam lernen, sodass die Durchlässigkeit zwischen den Pflegeberufen größer wird. Auch durch die Akademisierung könnten die Jobs attraktiver werden, sagt die Gesundheitssenatorin.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Liebe Jugend,

     

    wirf Dein Leben nicht weg! Geht keinesfalls in die Pflege. Lasst Euch nicht von wohlfeilem Geschwafel über Wertschätzung blenden.

     

    Solange die Pflege von Ärzten, Politikern, Verwaltungsdirektoren, Geschäftsführern, Juristen etc. fremdbestimmt wird, solltet Ihr die Pflege meiden. Diese Phalanx an Versagern verantwortet die Pflegekatastrophe.

     

    Helft denen nicht, sondern erst, wenn Pflege den eigenen Verantwortungsbereich selbst regeln darf (Kammer!), wenn die Gehälter stimmen, wenn gesetzliche Personalregelungen (nicht: „Mindest“regelungen, sondern fixe Personalschlüssel in etwa in Höhe der Skandinavier) für ALLE Pflegebereiche etc.

    • @Arztantagonist:

      Liebes Alter

       

      Dann erzählen Sie der Jugend aber auch, dass in den skandinavischen Ländern die Steuerquote höher ist. Beispielweise in Dänemark um 7% hoher als ich in der BRD.

       

      Erst durch höhere Abgaben wird ein Schuh daraus.

      • @Rudolf Fissner:

        Was denn nun...Steuern oder Abgaben?

        Und ja: Ich habe nix gegen höhere Steuern und Abgaben. Und zwar bei den Richtigen: Vermögenssteuern, Finanztransaktionssteuern etc.