die dritte meinung: Kippa-Soli: Es braucht Empathie und Einsatz gegen jede Form von Diskriminierung, sagt Daniel Bax
Daniel Bax
studierte in Berlin Publizistik und Islamwissenschaften. Lange Jahre arbeitete er als Journalist bei der taz zu den Themen Migration, Integration und Islam.
Als Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen aufgrund antimuslimischer Übergriffe auf kopftuchtragende Frauen in seinem Land im vorigen Jahr einmal vorschlug, auch andere Frauen könnten sich ja aus Solidarität ein Kopftuch umbinden, hagelte es Hass und Häme – auch aus Deutschland. Der Vorschlag, angesichts antisemitischer Übergriffe aus Solidarität eine Kippa zu tragen, hat hierzulande dagegen breite Zustimmung gefunden.
Das ist erfreulich, aber nicht frei von Widersprüchen. Unter den Tisch fällt, dass es in Berlin immer noch verboten ist, als Beamter im Dienst eine Kippa (oder ein Kopftuch) zu tragen, weil sich viele in der deutschen Hauptstadt mit religiösen Symbolen insgesamt schwertun. In Bayern erklärt die CSU derweil alle Nicht-Christen quasi zu Bürgern zweiter Klasse, indem sie das Kreuz auf Behörden zur Pflicht macht. Auch scheint die Empathie für die Opfer von Hassverbrechen sehr ungleich verteilt. Während die Bundesregierung nach dem Übergriff auf einen jungen Mann in Berlin umgehend jede Form des Antisemitismus verurteilt hat, blieb sie zu der jüngsten Serie von Brandanschlägen auf Moscheen auffällig still. Das ist nicht gut.
Noch unschöner ist es, wenn sich deutsche Rassisten von AfD bis „Identitärer Bewegung“ jetzt ein jüdisches Symbol wie die Kippa aneignen. Wer mit wehenden Israel-Fahnen in ein Einwandererviertel wie Berlin-Neukölln zieht, der will auch keinen Antisemitismus bekämpfen, sondern seine nationalistische Gesinnung demonstrieren.
Seit Wochen lässt Israels Regierung auf Demonstranten im Gazastreifen schießen. Sie will keine Zweistaatenlösung, sondern die Unterdrückung der Palästinenser für alle Ewigkeit festschreiben. Dass da nicht jeder gut auf die israelische Fahne zu sprechen ist, sollte nicht überraschen. Mit Antisemitismus hat das noch nichts zu tun. Man sollte diese beiden Dinge deshalb nicht unnötig vermengen. Was es braucht, sind Empathie und Einsatz gegen jede Form von Diskriminierung und Ausgrenzung. Und zwar jeden Tag.
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