die nachricht: Das Mittelmeer-Rettungsschiff „Iuventa“ kommt nicht frei
Das oberste italienische Gericht hat den Einspruch von Jugend Rettet gegen die Beschlagnahmung ihres Schiffs abgelehnt. Für die Seenotrettung ist das ein Präzedenzfall
Das Neue
Das Schiff „Iuventa“ der Hilfsorganisation Jugend Rettet bleibt beschlagnahmt. Das Kassationsgericht in Rom, die oberste Instanz der italienischen Justiz, hat am Dienstag die Entscheidung eines sizilianischen Gerichts bestätigt, das im vergangenen September den Einspruch der Organisation gegen die Beschlagnahmung abgelehnt hatte. Ihr Schiff auf juristischem Weg zurückzubekommen, ist für Jugend Rettet damit in Italien nicht mehr möglich.
Der Kontext
Die „Iuventa“ wurde am 2. August 2017 präventiv von den italienischen Behörden beschlagnahmt. Hintergrund sind Ermittlungen gegen Jugend Rettet wegen des Verdachts auf Beihilfe zur illegalen Migration. Eine Anklage, geschweige denn ein Urteil, gibt es bislang nicht. Im Kern drehen sich die Vorwürfe um einen Vorfall aus dem Sommer 2016: Nach Ansicht der italienischen Justiz soll die Hilfsorganisation nach einer Rettungsaktion Boote zurück an libysche Schlepper gegeben haben. Jugend Rettet bestreitet das, an den Indizien gibt es erhebliche Zweifel. Die Beschlagnahmung der „Iuventa“ erfolgte nur einen Tag, nachdem sich Jugend Rettet gemeinsam mit anderen Seenotrettungs-NGOs geweigert hatte, einen Verhaltenskodex der italienischen Regierung zu unterzeichnen, der den Handlungsspielraum bei Rettungsoperationen massiv eingeschränkt hätte. Nicht nur Jugend Rettet vermutet deswegen eine politische Motivation hinter den Ermittlungen.
Die Reaktionen
„Wir sind erschüttert und wütend“, kommentierte Philipp Külker, der Sprecher von Jugend Rettet, die Entscheidung des Kassationsgerichts am Dienstag in Berlin. Nach wie vor sei die Organisation überzeugt, nichts Unrechtes getan zu haben. Auf juristischem Wege bliebe ihr nun nur noch der Weg vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Für die Entscheidung, ob das eine Option sein könnte, wolle man die Begründung des italienischen Gerichts abwarten. Ihre politische Arbeit wolle die Organisation in jedem Fall fortsetzen, es gebe auch Überlegungen, ob eine Rückkehr in die Seenotrettung auf dem Mittelmeer auch ohne die „Iuventa“ möglich sein könnte.
Der grüne EU-Politiker Sven Giegold sprach auf Twitter von einem „bitteren Urteil gegen die Lebensrettung“, Grünen-Politikerin Simone Peter von einer „traurigen, unverständlichen Nachricht“. Der Linken-Abgeordnete Michel Brandt hatte gemeinsam mit AktivistInnen vor dem Gericht in Rom auf die Entscheidung gewartet, er bezeichnete das Urteil als „skandalös“.
Die Konsequenz
Die Entscheidung könnte ein Präzedenzfall sein: In ihrem Einspruch gegen die Beschlagnahmung der „Iuventa“ argumentierten die Anwält*innen der Organisation auch damit, dass die italienischen Behörden gar nicht befugt seien, Operationen außerhalb italienischer Hoheitsgewässer zu untersuchen. Das hat das Kassationsgericht nun anders entschieden – das könnte die Arbeit aller auf dem Mittelmeer tätigen NGOs beeinflussen.
Malene Gürgen
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