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Es wächst zusammen, was nicht zusammen gehört

Mit dem Einzug der AfD in den Bundestag ist ein riesiger Stellenmarkt entstanden. Rechte Netzwerke haben nun Zugang zu Ressourcen, Einfluss und sensiblen Informationen. Und die Partei erschließt sich neue Milieus

Von Malene Gürgen, Christian Jakob und Sabine am Orde

Es klingt fast wie ein Witz: Wo treffen sich ein vorbestrafter Rechtsextremer, eine Immobilienmaklerin, ein Reservist der Bundeswehr und ein ehemaliger Landtagskandidat der FDP? Antwort: in den Büros der Bundestagsfraktion der AfD.

Fast 350 Menschen hat die größte Oppositionsfraktion im Bundestag nach Informationen der taz bislang angestellt, persönliche Mitarbeiter der Abgeordneten in Berlin und in den Wahlkreisbüros sowie Angestellte der Fraktion zusammengerechnet. Sie haben eine wichtige Rolle: Sie schreiben Kleine Anfragen, Gesetzesentwürfe und Reden, sie machen die Pressearbeit, sie betreuen die Social-Media-Auftritte der Abgeordneten.

Durch den Einzug der AfD ins Parlament ist ein Stellenpool entstanden, der eine doppelte Funktion erfüllt: Rechte Gruppen und Netzwerke haben nun ihre eigenen Vertreter im Bundestag. Die Mitarbeiter der AfD werden nicht nur aus öffentlichen Mitteln bezahlt, sondern haben mitunter auch Zugriff auf sensible Informationen, etwa Verschlusssachen aus nachrichtendienstlichen Erkenntnissen. Dies kann Vorgänge des Verfassungsschutzes betreffen – zum Beispiel aus der Beobachtung von Links- oder Rechtsextremen.

Gleichzeitig profitiert die AfD davon, als Arbeitgeber im großen Stil zu fungieren: Über ihre Mitarbeiter, darunter ehemalige Politiker anderer Parteien, Medien- oder Wirtschaftsleute, verschafft sie sich Zugang zu neuen Mi­lieus. Das Personal verbindet Rechtspopulisten und den Rest der Gesellschaft.

Informationsbeschaffung ist eine der wichtigsten Aufgaben der Fraktionen. Informationen über sich selbst preisgeben will die AfD-Fraktion indes kaum. Während andere Abgeordnete Bilder von sich und ihren Mitarbeitern auf ihre Website stellen, gehen nur sehr wenige AfDler offen mit ihrem Personal um. Fragt man in der Pressestelle nach, viele Mitarbeiter die AfD im Bundestag inzwischen eingestellt hat, heißt es: „Dazu werden wir uns nicht äußern.“ Verpflichtet ist die AfD dazu auch nicht – im Bundestag zu arbeiten ist kein politisches Amt. Der Eindruck, dass es hier etwas zu verheimlichen gibt, entsteht trotzdem.

Einschlägige Vergangenheit

Kein Wunder: Dass die AfD auch Angehörige und Sympathisanten rechtsex­tremer Gruppen in den Bundestag holt, ist keine Frage von Einzelfällen, wie die taz-Recherche zeigt. Über die Mitarbeiter gibt es Verbindungen nicht nur zu zentralen Organisationen wie der NPD, sondern in nahezu das gesamte Spektrum der extremen Rechten in Deutschland: Vereine und Zeitschriften, Burschenschaften und Splitterparteien. Diese Verbindungen findet man überall, keineswegs nur bei den als rechtsoffen bekannten Abgeordneten. Aus 23 der 92 Abgeordnetenbüros gibt es Verbindungen zu extrem rechten Parteien, Thinktanks, Medien, Burschenschaften oder anderen Organisationen.

Auch wenn die AfD in den letzten Jahren immer weiter nach rechts gerückt ist, versucht sie immer noch, nach außen hin Verbindungen zu einschlägigen Gruppen und Personen zu leugnen. Wie wenig belastbar diese Abgrenzung ist, zeigt der Blick in die Büros: Auch Personen aus dem engen Umfeld der rechtsextremen Identitären Bewegung kommen für die Abgeordneten offenbar ohne Weiteres als Mitarbeiter in Frage. Dabei hat die AfD im Juni 2016 offiziell einen Unvereinbarkeitsbeschluss dazu getroffen: Es gebe keine Zusammenarbeit mit der Identitären Bewegung.

In Bezug auf die sogenannte Neue Rechte, eine völkische Theorieschule, zeigt die Recherche: Ihre Netzwerke sind dichter und vielfältiger, als es die mediale Konzentration auf das Rittergut-Leben des neurechten Vordenkers Götz Kubitschek suggeriert. Zeitungen, Blogs und Vereine sowie Kundgebungen und Demonstrationen bilden ein vielschichtiges Netz, das bis weit in die AfD-Fraktion hineinreicht und dort als Bindeglied zwischen extremer Rechter und Rechtspopulismus fungiert. Aus 29 Abgeordnetenbüros sowie bei einigen Mitarbeitern der Fraktion gibt es Verbindungen in diesen Bereich. Die Büros der AfD werden so zu einem weiteren Ort, an dem rechte Allianzen geschmiedet werden können: Personen mit Verbindungen in ein einschlägig neonazistisches Spektrum treffen auf Vordenker der Neuen Rechten und umgekehrt. Und das alles steuerfinanziert.

Noch etwas fällt auf: Es sind auch Abgeordnete des moderateren Teils der Partei, wie Jochen Haug und Uwe Witt aus Nordrhein-Westfalen, die Mitarbeiter aus der extremen oder der Neuen Rechten beschäftigen. Das ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Einteilung der AfD in besonders rechte und eher moderate Strömungen immer brüchiger wird.

Mitarbeiter als Scharnier

Doch in den Büros der AfD-Abgeordneten fallen nicht nur die Grenzen zwischen klassischen Neonazis und Neuer Rechter. Die AfD, das zeigt die Recherche deutlich, ist alles andere als gesellschaftlich isoliert. Besonders eng sind die Verbindungen ins konservative Milieu: Langjährige Mitglieder und Funktionäre der CDU haben offenbar ebenso wenig ein Problem damit, für die AfD zu arbeiten, wie Angehörige konservativer Vereine und Stiftungen vom Forum Deutscher Katholiken bis zum Bund der Vertriebenen (siehe Text auf Seite 7).

Burschenschaften, deren Bedeutung in Deutschland – etwa im Vergleich mit Österreich – oft als gering eingeschätzt wird, sind für die AfD offenbar ein wichtiges Rekrutierungsfeld: Mindestens 19 Büros beschäftigen aktuelle oder ehemalige Angehörige von insgesamt 30 Burschenschaften, darunter harmlosere wie die Berliner Sängerschaft Borussia, aber auch vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Burschenschaften wie die Danubia München.

Vereinzelt finden sich deutlich überraschendere Allianzen: Personen aus NGOs und Stiftungen, Bildungseinrichtungen und Kulturbetrieben sind ebenfalls unter den Mitarbeitern. Noch ist die AfD hier offenbar wenig vernetzt. Durch die Einstellung von Personen aus diesen Bereichen kann sich das ändern.

Beim Blick auf die Verbindungen in Wissenschaft und Wirtschaft zeigt sich, dass nicht mehr viel übrig geblieben ist von der neoliberalen Professorenpartei des AfD-Gründers Bernd Lucke. Nur vereinzelt tauchen Mitarbeiter mit einem universitären Hintergrund auf. Und wenn, dann kommen sie eher aus dem Mittelbau als von den Lehrstühlen. Verbindungen zu Großkonzernen gibt es ebenfalls nur vereinzelt, eher dominieren die „selbstständigen Unternehmensberater“, bei denen so manche Firmenwebsite einen etwas aufgeblasenen Eindruck macht.

Ehemalige Soldaten finden sich unter den Abgeordneten selbst wie auch unter den Mitarbeitern, auch zur Polizei sowie zu privaten Sicherheitsfirmen gibt es Verbindungen. Vertreten sind auch die Reservistenverbände, deren Verquickungen mit dem rechten und rechtsextremen Milieu immer wieder Schlagzeilen machen.

Was die Qualifikation des Personals angeht, ist der Eindruck gemischt: Es sind Personen darunter, die bereits viele Jahre für Abgeordnete anderer Parteien tätig waren. Einige haben für die AfD in Landtagen gearbeitet. Die Mehrheit aber hat keine Erfahrung mit der Arbeit in Parlamenten. Bei zahlreichen Mitarbeitern gibt es auch wenig Hinweise auf eine besondere fachliche Qualifikation. Dass die AfD sich vor erfahrenen und qualifizierten Bewerbern kaum retten könne, wie es die Partei nach der Wahl suggerierte, kann die Recherche nicht belegen. Zumal allein von den Fraktionsstellen etwa 100 unbesetzt sind, mehr als ein halbes Jahr nach der Wahl.

Die AfD ist, auch beim Blick auf die Mitarbeiter, eine Männerpartei: Frauen sind in der Unterzahl, und unter ihnen finden sich weit weniger mit politischer Vorerfahrung oder einem schillernden Hintergrund als bei den Männern – ein Hinweis darauf, dass diese eher für die klassische Rolle der Sekretärin angestellt sein könnten als aufgrund ihres Netzwerks.

Für die Mitglieder der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative bedeutet der Bundestagseinzug der Mutterpartei in vielen Fällen ein Karriere­sprungbrett – sie dürfen sich jetzt über einen Job in Berlin freuen. Der Berliner Landesvorstand der Jungen Alternative etwa findet sich heute fast komplett in den Abgeordnetenbüros wieder. Diese meist sehr jungen Angestellten bringen Kontakte zu rechtsextremen Burschenschaften und Organisationen wie der Identitären Bewegung mit. Wenn hier die nächste Generation an AfD-Politikern heranwächst, dürfen sich rechtsextreme Organisationen über gute Kontakte in den Bundestag freuen.

Die Mitarbeiter der AfD bilden zusammen mit den Abgeordneten ein Netzwerk, in dem verbunden wird, was offiziell nicht zusammen gehört: Rechtsextreme und konservatives Milieu, etablierte Parteien und Rechts­populisten, Türsteher und Immo­bilienmakler. Davon profitiert nicht nur die extreme Rechte, sondern auch die AfD selbst, die nach dem Einzug in fast alle deutschen Parlamente in weitere gesellschaftliche Milieus vor­dringen will. So sollen neue Wählerschichten und Koalitionspartner erschlossen werden – will die AfD eines Tages tatsächlich regieren, ist das von zen­tra­ler Bedeutung. Die vielfältigen Ver­bindungen ­ihrer Mitarbeiter dürften dafür ­äußerst hilfreich sein.

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