talk of the town: Umsonst gibt es nichts
Die Dating-App Grindr hat Nutzer*innendaten an Dritte weitergegeben – unter anderem den HIV-Status. Wenn wir unsere Daten schützen wollen, sollten wir für Apps bezahlen
Von Dinah Riese
Es gibt persönliche Daten, bei denen ist es vielen Menschen egal, ob der Rest der Welt diese nun kennt oder nicht. Ob jemand lieber Äpfel oder Birnen mag, Schoko- oder Vanilleeis. Was soll’s. Und dann gibt es Daten, die man mit bestimmten Menschen teilen will – mit anderen aber nicht. Zum Beispiel, dass man HIV-positiv ist. Eben jene Information ihrer Nutzer*innen hat die Dating-App Grindr nun offenbar an Dritte weitergeleitet. Und damit noch einen draufgesetzt auf die Debatte um Privatsphäre und Datenschutz seit dem Skandal um Facebook und Cambridge Analytica.
Grindr hat weltweit etwa 3,6 Millionen täglich aktive Nutzer*innen und ist vor allem bei schwulen Männern sehr beliebt. Schon seit einiger Zeit können im Profil HIV-Status und das Datum des letzten Tests angegeben werden. Laut einem Bericht von Buzzfeed hat die norwegische NGO Sintef nun herausgefunden, dass Grindr diese Daten an zwei Unternehmen weitergegeben hat – zusammen mit anderen Daten wie E-Mail-Adressen, Telefon-IDs oder GPS-Daten. In dieser Kombination können die Informationen problemlos konkreten Personen zugeordnet werden – was bei derart sensiblen Daten hochproblematisch ist. Denn HIV ist noch immer ein gesellschaftliches Tabu.
Es sei „unfair“, nun mit Facebook in einen Topf geworfen zu werden, sagte Bryce Case, zuständig für die Sicherheit bei Grindr. Die Daten wurden an die Unternehmen Apptimize und Localytics weitergeleitet. Diese helfen anderen Unternehmen, ihre Apps zu optimieren. Es sei keine Weitergabe gegen Geld gewesen, vielmehr hätte Grindr die Unternehmen für ihre Leistungen bezahlt, erklärte Bryce. „Tausende Unternehmen nutzen diese angesehenen Plattformen.“ Trotzdem will Grindr die Daten zum HIV-Status nicht mehr weitergeben.
Den wenigsten Nutzer*innen dürfte klar gewesen sein, dass Grindr die Daten an Dritte weitergibt. Immerhin in Europa muss diese Zustimmung bald expliziter erfolgen. Die Ende Mai in Kraft tretende Datenschutzgrundverordnung enthält strenge Regeln für die Verarbeitung und Weitergabe personenbezogener Daten.
Gelöst ist das Problem dann nicht. Durch je mehr Hände Daten gehen, an je mehr Orten sie gespeichert sind, desto unsicherer sind sie. Facebook wollte auch keine Daten für Wahlkampfzwecke an Cambridge Analytica weitergeben. Passiert ist es trotzdem; weil der App-Betreiber, der diese Daten rechtmäßig über Facebook gesammelt hatte, sie dann unrechtmäßig weiterverkaufte.
Scott Chen, technischer Direktor von Grindr, hatte am Montag betont, die App sei ein „öffentliches Forum“ und man solle „sorgfältig überlegen, welche Informationen man in seinem Profil angibt“. Wer seinen HIV-Status angibt, ist also selber Schuld? So einfach ist es nicht.
Auch vermeintlich harmlosere Informationen haben es in sich. Je nachdem, was einem Menschen auf Facebook so gefällt und was er bei Google sucht, sind Rückschlüsse auf sensiblere Daten wie Erkrankungen leicht machbar. Es geht also um den Umgang mit personenbezogenen Daten.
Grindr präsentiert sich seit Längerem als Freund der Community. Seit Dezember betreibt es das Onlinemagazin Into für „die moderne queere Welt“, die App sendet auf Wunsch Erinnerungen an bald fällige HIV-Test. Ein Spruch à la „Überlegt halt, was ihr teilt“, passt da erst mal nicht ins Bild. Doch am Ende haben profitorientierte Unternehmen eben vor allem eins im Blick: den Profit.
Das eigentliche Problem ist also, dass man für Apps wie Facebook, Grindr und Co zwar kein Geld auf den Tisch legt – zahlen muss man sie natürlich trotzdem. Denn kein Unternehmen betreibt seine Apps, weil es so gerne Menschen zusammenbringen. Momentan sind es die Werbekund*innen, die ein soziales Netzwerk für die Betreiber*innen lukrativ machen. Und die wollen personalisierte Werbung. Um das zu ändern, muss sich das gesamte Geschäftsmodell ändern. Wir wär’s – zehn Euro monatlich für Facebook? Noch mal zehn für Grindr? Wer das nicht bereit ist aufzubringen, dem bleiben als Zahlungsmittel eben nur seine Daten.
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