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Lukas Nimscheck über Kindermusik„Es gibt kein Kalkül“

Lukas Nimscheck ist Sänger bei der Kinderband Deine Freunde. Hier verrät er, wie ironiefähig Kinder sind und warum er nicht mehr als Moderator arbeiten möchte.

Will kein Happy-Moderationsroboter sein: Lukas Nimscheck Foto: Miguel Ferraz
Interview von Leif Gütschow

taz: Herr Nimscheck, eben waren wir im Schmidt Theater, wo Sie einige Jahre als Assistent der Geschäftsleitung gearbeitet haben. Standen Sie dort selbst schon auf der Bühne?

Lukas Nimscheck: Nein, ich stand noch nie als Schauspieler auf einer Theaterbühne. Ich bin ja aus Berlin nach Hamburg gezogen, ohne genau zu wissen, was ich machen will. Ich wusste nur, es muss was in der Kultur sein. Mit 21 bin ich dann zum Schmidt Theater gekommen. Schauspielern kann ich nicht, ist auch gar nicht mein Ding.

Haben Sie eine Ausbildung im kulturellen Bereich?

Nein, ich habe gar keine Ausbildung. Ich hätte gerne studiert, hatte das vor ein paar Jahren auch noch mal überlegt. Ich wüsste ehrlich gesagt aber nicht, was ich studieren könnte. An nicht-privaten Hochschulen kann ich Musik- und Musicalproduktion, das was ich hier mache, auch gar nicht so studieren. Das ist dann in erster Linie Theorie. Ich hatte so einen richtigen Augenöffnermoment, als ich das erste Mal hier saß. So: Ach, das kann man auch mit Theater machen. Es muss nicht immer eine nackte Oma sein, die mit Schweineblut beschmiert ist und ich verstehe es nicht, sondern es darf auch gefallen. Es muss nicht einen Gedankenprozess in Gang setzen, der kein Ende findet. Das ist eine Art von Kultur, die mich schon immer interessiert hat und die sich auch durch alle meine Projekte gezogen hat.

Sie haben mit der Avantgarde nichts am Hut?

Im Interview: Lukas Nimscheck

Lukas Nimscheck, 29, ist in Ost-Berlin geboren und aufgewachsen. Er lebt und arbeitet in Hamburg. Er schrieb und produzierte u.a. für die Bands Wir Sind Helden und Polarkreis 18. Für seine erste Musicalproduktion „Gabi Mut – vom Leben geschlagert“ erhielt er fünf Nominierungen für den deutschen Musicalpreis. Mit seiner Band Deine Freunde tourt er regelmäßig und veröffentlichte bisher vier Studioalben. Als Moderator war er von 2013 bis 2015 für die ARD-Kindershow „Tigerentenclub“ tätig. Seit zwei Jahren ist er Mitbetreiber des „Skurrilum“ in Hamburg-St. Pauli.

Ich habe da gar nichts dagegen. Ich finde auch, dass es so etwas in der Kultur geben muss, damit die sich weiterentwickelt. Es muss immer Leute geben, die Grenzen sprengen, dann kann sich auch etwas im Mainstreambereich tun. Aber ich bin nicht dafür da.

Als Songwriter zeigen Sie Selbstironie, wenn Sie für ein Musical die fiktive Schlagersängerin Gabi Mut die Zeilen „das ist ein Lied, das es so schon tausend Mal gibt, das bei drei Promille noch zieht“ singen lassen. Dazu gibt es den obligatorischen Tonartwechsel in Dur wie beim Euro-Vision-Songcontest. Sind Sie Handwerker, Künstler oder beides?

Ich arbeite wahnsinnig gern. Neben dem Beruflichen habe ich auch keinerlei Hobbys oder so. Für mich ist alles, was ich mache, wahnsinnig schön. Das war auch bei Gabi so. Die Songs sind pures Handwerk. Aber ich hatte richtig Bock auf Schlager und die müssen beim ersten Hören gleich im Ohr sein. Da kann ich auch gut mit leben, muss ich sagen. Ich hatte Bock auf die Figur, weil Sie meine eigene Familiengeschichte auch ein Stück weit repräsentiert.

Sie konnten Ihre Biografie darin verarbeiten?

Ja, natürlich. Es sind auch ein paar Songs drin, die gar nicht so lustig gemeint sind. Meine Familie kommt aus dem Osten. Ich hatte als Kind eine Stasi-Akte, weil mein Opa Olympiatrainer war in der DDR. Daher fand ich eine von der Wende gebeutelte Figur wie Gabi Mut spannend. Aber ich nehme mich nicht zu ernst, das geht nämlich oft nach hinten los. Bei allem, was ich mache, pflege ich einen sehr selbstironischen und lockeren Umgang. Das ist auch bei Deine Freunde so.

Mit Ihrer Band Deine Freunde haben Sie eine Nische gefunden, die riesengroß ist: Musik für Kinder, die Eltern auch gerne mithören. War das Zufall oder wussten Sie, dass Sie dort viele Leute abholen können?

Das war Zufall. Wir sind keine Marketingprofis. Ich weiß, dass sich der Gedanke aufdrängt, wenn drei erwachsene Männer Kindermusik machen, dass es ein Kalkül geben muss. Aber ich kann mich an keinen Moment erinnern, an dem wir gesagt haben: Das ist die geile Nummer, damit verdienen wir die erste Million. Flo, Pauly und mich eint, dass wir bei dem, was wir machen, eine absolut arschlochfreie Zone brauchen. Die ganzen Schattenseiten, die es im Musikbusiness gibt, haben wir nicht. Weil wir die Einzigen sind, die das in der Form machen, konnten wir uns das Drumherum selbst zusammenbauen. Deswegen haben wir immer weitergemacht. Inzwischen verdienen wir Geld damit, logisch.

Auf einem Konzertfoto tragen Sie ein T-Shirt mit der Aufschrift „Sänger“, Florian Sump eines mit „Rapper“ und Markus Pauli eines mit „DJ“. Sind die Rollen bei Ihnen so klar verteilt?

Ich bin der Flächenklaus, ich gebe die musikalische Basis, die Melodien. Immer wenn es ein bisschen kitschig klingt, ist es von mir. Flo ist ein wahnsinnig guter Songwriter, der textet das meiste. Der ist auch wirklich gut mit Melodien, das will ich gar nicht in Abrede stellen. Und Pauly ist einfach ein grandioser Produzent. Das ist die Aufteilung, aber es wird auch immer wieder aufgebrochen. Wir entwickeln die Songs zu dritt.

Sie sind bei dem Musikriesen Universal unter Vertrag. Haben Sie kreative Entscheidungsfreiheit?

Die Zusammenarbeit über die vier Alben war sehr gut, uns hat keiner reingeredet. Was wir machen, macht ja keiner sonst. Daher gibt es auch noch keine Erfahrungswerte, eine Band konzeptionell so aufzustellen. Wir spielen ja in normalen Locations, fahren im Bus, haben aufwendiges Licht, alles was eine normale Band auch hat. Nur halt im Kinderbereich. Das mussten wir erst alles lernen. Uns hat beim Booking zuerst jeder gesagt, dass die Kinder nicht stehen können, sondern sitzen müssen. Es war für Veranstalter oft nicht klar, ist das jetzt ein progressives Programm für Kinder oder ein ironisches für Erwachsene.

Mit Deine Freunde treten Sie nachmittags auf, zu kinderfreundlichen Zeiten. Geht das auch in Klubs, über denen noch der Dunstschleier der vergangenen Nacht liegt?

Machen wir trotzdem. Es gibt Klubs, die riechen noch hammerhart nach Bier und Schweiß. Das verleiht dem aber auch eine Coolness für Kinder. Die kommen mit acht oder neun Jahren das erste Mal in den Laden, wo ihre Eltern vor zehn Jahren feiern waren. Das hat auch eine Magie. Wenn uns Kinder fragen: Trinkt ihr auch Bier? Dann sagen wir: Ja, weil wir Erwachsene sind. Das ist unseren Fans klar. Deswegen ist das auch okay, dass da am Vorabend eine Party war. Dann muss die Mutter erzählen: Ja, hier ist Bier getrunken worden und vielleicht auch mal einer hingefallen.

Gibt es Eltern, die da die Nase rümpfen?

Bisher nicht. Es gibt über alles Mögliche Beschwerden. Wenn Du Kindermusik machst, gibt es die absurdesten Sachen. Du bist da anders im Fokus. Aber an den Locations hat sich noch niemand gestört.

Der Bereich direkt vor der Bühne ist bei Ihren Konzerten für Kinder reserviert. Gehen manchmal welche verloren und möchten dann, wie im Småland bei Ikea, irgendwo abgeholt werden?

Nein, man bekommt bei uns am Einlass so ein Bändchen und dort können die Eltern ihre Handynummer draufschreiben. Ab 3.000 Besuchern haben wir ein Team von Erziehern dabei, die betreuen einen Lost-and-Found-Stand. Da können sich die Kinder melden. Wir hatten da aber noch nie ein Problem damit.

Sie haben auch als Moderator gearbeitet.

Ich habe mal den Tigerentenclub gemacht. Wir dachten, das bringt uns als Band irgendwie nach vorne, wenn ich das mache. Aber ich lasse mich nicht so gern in ein Raster pressen und das war dort schon sehr vorgegeben alles. Jede Einstellung, jeder Satz war redaktionell vorgegeben. Immer, wenn ich ausbrechen wollte, ist das geschnitten oder diskutiert worden. Meine ganzen Freunde hier haben gesagt, dass ich da so ein Happy-Moderationsroboter bin. Das hat mir dann nicht mehr gepasst. Man ist dort auch austauschbar. Es war ein nettes Team, aber ich konnte mich dort nicht weiterentwickeln.

Bei Deine Freunde ist die Weiterentwicklung möglich?

Ja. Wir probieren schon, mit jedem Album noch eine Schippe draufzulegen. Oder eine Farbe mit reinzubringen, die wir noch nicht hatten. Seit dem letzten Album haben wir keine Grenze mehr, was wir machen dürfen. Wir lassen nur gewisse Ausdrucksweisen weg.

Ab wann sind Kinder ironiefähig?

Sehr früh. Ich kann mit jedem Sechsjährigen, der zu unserem Konzert kommt, folgenden Witz machen: Es gibt überall immer so ganz zuckerniedliche Kinder, die danach kommen, wenn wir Autogramme schreiben. Zu solchen sage ich: Tut mir leid, du heute nicht. Ich hatte noch keinen, der das nicht verstanden hat, der nicht gelacht hat. Das ist total ironisch, ich habe ja einen Stapel Autogrammkarten vor mir. Die sagen dann: Nein, du verarscht mich. Zynischen Sarkasmus zu benutzen, um Gefühle zu umgehen, das sollte man mit Kindern nicht machen. Wie wenn man mit seinem Partner im Streit redet, wenn man ihn verletzen will. Die Kinder wissen, dass wir Erwachsene sind und mit einem Augenzwinkern Musik für sie machen.

Sie sagten, dass Sie keine Hobbys haben, aber Sie sind Kinofan und kochen gerne.

Das sind aber so langweilige Hobbys oder? Ich koche sehr gerne, aber inzwischen habe ich das Zepter an meinen Verlobten abgegeben, der viel besser kocht.

Was gelingt Ihnen denn in der Küche besonders gut?

Hausmannskost. Mein Freund macht die ausgeflippten Sachen und ich kann richtig gut so saure Eier oder mal einen Braten machen. Königsberger Klopse. Solche Sachen.

Sie sind auch Mitbetreiber des Skurrilum auf der Reeperbahn. Dort finden sogenannte Live Escape Games statt, Menschen müssen sich aus Erlebnisräumen befreien. Wie sind sie darauf gekommen?

Ich hatte die Idee, das hier zu machen und bin zu unserem Theaterchef Corny Littmann gegangen. Er hatte Bock darauf und wir haben uns als Autor noch Heiko Wohlgemuth dazugeholt, der auch die „Heiße Ecke“ gemacht hat. Heiko und ich denken uns die Räume aus. Wir wollten ein Theatererlebnis mit Rätseln machen. Effekte, Tür auf, Tür zu. Das ist genau die Form von Entertainment, die ich spannend finde. Etwas zu entwickeln, dass vielen Leuten gefällt und trotzdem besonders ist.

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