Katharina Meyer zu Eppendorf wartet auf die Abfuhr: Müll als politische Botschaft
Berlin stinkt manchmal, natürlich nicht im übertragenen Sinne. Sondern in echt: Am Freitag blieben in der Stadt viele Mülleimer brechend voll; Sperrmüll lag auf der Straße (sogar solcher, der eigentlich abgeholt werden sollte). Und die Aussichten sind kein bisschen besser. Am Samstag sollen die drei Recyclinghöfe in Neukölln, Prenzlauer Berg und Marzahn geschlossen bleiben. Ausgerechnet bei diesen angekündigt einladenden 21 Grad. Nur, wer ist schuld an diesem Dreck?
Wie immer ist das, je nach Lesart, jemand anderes. Zunächst zu nennen, weil beruflich dafür verantwortlich: die etwa 4.500 Angestellten der Berliner Stadtreinigung (BSR) und Wasserbetriebe (BWB), die aus guten Gründen nicht raufwollten auf die Müllwagen. Sie waren dem Aufruf der Gewerkschaft Verdi gefolgt, die im Rahmen des bundesweiten Tarifkonflikts für die rund 2,4 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen für Freitag und Samstag Warnstreiks angesetzt hatte. Vor einigen Wochen hatten deshalb zum Beispiel auch Mitarbeiter*innen der Bäderbetriebe die Arbeit ausgesetzt.
Verdi also wieder mal, die alten Nervbratzen. Was denken die sich nur dabei? Abgeholt werden muss der Müll dann doch irgendwann, von den gleichen Mitarbeiter*innen. Was bringt das also außer Gestank und den Medien besorgt-betuliche Texte darüber, „was Berliner jetzt wissen müssen“?
„Wir wollen keine Müllberge produzieren, sondern eine politische Botschaft senden“, sagt Verdi-Sprecher Andreas Splanemann der taz. Das wäre nicht passiert, ginge es in den Tarifverhandlungen mit dem Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) für den öffentlichen Dienst laut Verdi nicht so langsam voran. Zwei erfolglose Verhandlungsrunden liegen hinter den Konfliktparteien. Verdi verlangt eine Gehaltserhöhung von 6 Prozent oder mindestens 200 Euro monatlich.
Am Sonntag, nach den nächsten Tarifverhandlungen in Potsdam, werde man laut Splanemann beraten, welche weiteren Aktionen es geben könnte. Vielleicht ja gar keine: KAV-Geschäftsführerin Claudia Pfeiffer zeigt sich zuversichtlich, dass am Sonntag eine Einigung erzielt werden kann.
Wenn nicht, könnten den Berliner*innen noch dreckigere Tage bevorstehen. Als vor zwei Wochen warnstreikbedingt alle 15 Recyclinghöfe in der Stadt geschlossen blieben, kippten frustrierte Menschen ihren Sperr- und Elektromüll einfach vor deren Toren ab. Noch schlimmer war es 1992. Da türmten sich in Berlin die Müllberge eine ganze Woche lang. Politik stinkt manchmal echt zum Himmel.
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