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Keine Marktwirtschaft auf Parzelle

Gutachter bestätigt: Würde sich die Kleingartenpacht nach den realen Bodenwerten richten, müsste sie sich gut verdoppeln. Der Bausenator, der genau dies fordert, wird dennoch scheitern. Denn für Kleingärten gelten keine Marktgesetze – absichtlich

Bremen taz ■ Bremen darf von den Kleingartenvereinen nicht wesentlich mehr Pacht verlangen als die bisher in Rechnung gestellten 16 bis 19 Cent. Das bestätigte jetzt der Vorsitzende des Bremer Gutachterausschusses für Grundstückswerte, Ernst Dautert, der taz – und untermauerte damit die Position des Bremer Landesverbands der Gartenfreunde. Der hatte das Ansinnen des Bremer Bausenators Jens Eckhoff (CDU), die Pacht auf das Zwei- bis Dreifache des derzeitigen Stands zu erhöhen, stets als gesetzeswidrig zurückgewiesen.

Dabei würde ein Pachtzins von 30 bis 40 Cent, wie ihn Eckhoff fordert, durchaus den realen Wert des gärtnerisch genutzten Bodens in der Stadt widerspiegeln. Dautert zitiert aus der aktuellen Bremer Bodenrichtwert-Karte: Die weist etwa für Dauerkleingärten in Walle einen Marktwert von 10 Euro pro Quadratmeter, für Parzellengrund auf dem Peterswerder sogar von 19 Euro aus. Bei einem Pachtzins von 4 Prozent wären das 40 beziehungsweise 76 Cent pro Quadratmeter und Jahr.

Nach dem Bundeskleingartengesetz darf die Pacht für Kleingärten allerdings maximal das Vierfache dessen betragen, was Pächter im „gewerblichen Obst- und Gemüsebau“ in der Region zahlen – und das ist, in den Worten Dauterts, „die Krux des Gesetzes“. Denn Obst- und Gemüse-Felder liegen gewöhnlich nicht im Stadtzentrum, sondern in städtischen Randlagen oder gleich ganz auf dem Land – wo die Pachtpreise deutlich niedriger sind.

Bei der letzten, inzwischen über zehn Jahre alten Erhebung dieses Vergleichspreises kamen die Bremer Gutachter auf ganze vier Cent – macht für Kleingärten eine Pacht von maximal 16 Cent pro Quadratmeter und Jahr. Bis heute, betont Dautert, habe Eckhoff ihm noch nicht einmal den Auftrag erteilt, den „ortsüblichen“ Vergleichszins neu zu ermitteln. Wie hoch dieser tatsächlich läge, weiß er daher nicht. Aber er weiß: Bundesweit zahlen Obst- und Gemüsebauern nur zwischen drei und sechs Cent pro Quadratmeter an Pacht. Und die Preise für Grünland und Ackerflächen in Bremen und umzu sind in den letzten Jahren „stark nach unten“ gegangen. Dass sich mit einer neuen Expertise ein fast doppelt so hoher Pachtpreis durchsetzen lässt, hält Dautert daher für unrealistisch: „Das geht gar nicht.“ Vielmehr werde sich an den zulässigen Pachtpreisen auch dann „nicht großartig was ändern“.

Eckhoff hat vor wenigen Wochen beim Bundeswirtschaftsministerium beantragt, die störende Preisbindung im Bundeskleingartengesetz in Bremen aufheben zu dürfen – im Rahmen des Modellversuchs „Bürokratie-Abbau“. Auch im Kleingartenbereich, rechtfertigte er seinen Vorstoß, müssten „marktwirtschaftliche Aspekte“ den bisherigen „dirigistischen Unsinn“ ersetzen. Dem widerspricht die Vorsitzende des Bundesverbands Deutscher Gartenfreunde, Theresia Theobald, vehement: Bei der Novelle des Bundeskleingartengesetzes 1994 habe der Gesetzgeber ganz bewusst entschieden, dass der reale Bodenwert für die Kleingartenpacht keine Rolle spielen soll. Für viele nicht so gut Verdienende in der Stadt sei die gesetzliche Pachtbegrenzung, orientiert an der vergleichsweise billigen Obstbau-Pacht, „die einzige Chance auf einen Garten“.

Würden Kleingärten „frei nach Marktpreis“ vergeben, warnt Theobald, „dann kann es einem passieren, dass man irgendwann kein Grün in der Stadt mehr hat“. Den gesetzlichen Eingriff in die Marktwirtschaft, den Eckhoff außer Kraft setzen wolle, habe 1998 sogar das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich abgesegnet – für Theobald eine „ganz wichtige sozialpolitische Entscheidung“. Armin Simon

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