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Die feine Schokolade

verlässt Bremen nach 130 Jahren

Auslaufmodell: Noch zwei Jahre soll Hachez-Schokolade in Bremen hergestellt werdenFoto: Ingo Wagner/dpa

Von Klaus Wolschner

Wenn „Hachez“ aus Bremen im Jahre 2020 verschwindet, dann ist das das Ende einer Ära, in der sich renommierte Marken der Lebensmittelindustrie mit dem Namen der Stadt verbandeten. Nicht nur Nordmende und Borgward, auch das Bier von Becks, der Kaffee von Eduscho oder Jacobs, die Silberwaren von Koch & Bergfeld trugen den Namen der Hansestadt in alle Welt. Nun also auch der Abschied von Hachez. Wobei das Marketing der Firma, die schon seit 2012 zu dem dänischen Konzern Toms gehört, vielleicht sogar „bremisch“ bleiben wird, mit dem Schlüssel im Logo, aber die Produktion von „Chocolade“ und den feinen Pralinen soll nach Polen gehen. Das ist der Gang der Globalisierung.

Dass die Schokoladenproduktion sich bevorzugt einmal in Bremen ansiedelte, ist eine Geschichte aus der Zeit, in der es eine Rolle spielte, wo die Kakaosäcke an Land kamen. Denn Kakao ist ein „Kolonialwaren“-Produkt, der billige Rohstoff kommt aus den alten Kolonien Südamerikas und Afrikas. Venezuela war übrigens zu den frühen Zeiten der Indianer-Versklavung im 16. Jahrhundert ein Besitztum des Augsburger Handelshauses der Welser, bevor die Spanier es übernahmen. Kamerun wurde 1894 „Deutsch-Kamerun“.

1890 gründete die Bremer Kaufmannsfamilie Hachez ihre „Chocoladen-Fabrik“. Firmenarchive aus dieser frühen Zeit scheint es nicht zu geben, in der Selbstdarstellung verweist die Firma stolz auf ihre Tradition, nur die besten Kakao-Bohnen aus Südamerika zu verwenden. Das ist die Heimat des Kakaos, schon die Olmeken, die Vorgänger der Maya, liebten ihre „Kakawa“, flüssige Schokolade. Bei den Mayas wurden die Trinkgefäße „Kakawa“ genannt, der Inhalt erhielt den Namen „Kakao“ oder „Xocolati“, Speise der Götter. Sie kannten Kakaobutter als heilende Wundsalbe, die Schokolade wurde mit Fruchtbarkeit assoziiert – ein göttlicher Stoff also, der geweiht wurde, bevor man ihn zeremoniell zu sich nahm.

Kolumbus schätzte die bitteren Bohnen nicht

Christoph Kolumbus ließ die Kakao-Säcke, die er 1502 auf einem gekaperten Maya-Schiff fand, einfach über Bord werfen, und als die spanischen Eroberer 20 Jahre später begriffen, dass die Kakaobohnen bei den Mayas sogar als Zahlungsmittel benutzt wurden, plünderten sie die gesamten Vorräte. In den berüchtigten „Dreiecksgeschäften“ kamen in den folgenden zwei Jahrhunderten die Bohnen in die europäischen Häfen – Schiffe transportierten Arbeitssklaven von Afrika nach Südamerika und brachten die Rohstoffe mit nach Europa. Da die katholischen Spanier den Handel mit protestantischen Städten verboten hatten, gingen die ersten Kakao-Säcke im Sommer 1800 über Umwege und holländische Schiffe nach Bremen. Die Engländer hatten den Sklavenhandel verboten, der für die amerikanischen Farmer so existentiell wichtig war, dass ihre universellen Menschenrechte nicht für Sklaven galten.

Aber das war bei der Hachez-Gründung 1890 alles schon Geschichte. Offenbar begann die Schokolade damals zum Konsumgut breiterer Bevölkerungsschichten zu werden. 1879 war von dem Schweizer Schokoladenhersteller Rodolphe Lindt die Conche erfunden worden, eine Rührmaschine, mit der das Kristallisieren des Zuckers verhindert werden kann, das für die brüchig-sandige Konsistenz der Schokolade verantwortlich war. Mit der „Conche“ konnte sie feincremig und zartschmelzend werden und auf der Zunge zergehen. Es war eine Zeit, in der Kaufleute ihr Geld in die Produktion steckten. 1890 kamen rund eine Millionen Menschen nach Bremen zur „Gewerbe- und Industrieausstellung“ und bewunderten die erste Pferdebahn ohne Pferde – die Elektrische fuhr vom Bürgerpark zur Börse.

Joseph Emile Hachez scheint an seiner feinen „Chokolade“ gut verdient zu haben – schon 1894 zog das Unternehmen aus der Hutfilterstraße an eine neue, größere Adresse in der Westerstraße. Dort wurden „Wohnhaus, Kontor und Fabrikgebäude“ errichtet – übrigens mit der Telefonnummer „590“. Hachez investierte 200.000 Mark in seine Fabrik, das wären nach heutigen Maßstäben rund zwei Millionen Euro.

An Geld mangelte es der Familie Hachez nicht – schon im Jahre 1897 hatte Joseph Johann Arnold Hachez der katholischen Kirche, die wegen der zunehmenden Zahl der polnischen Arbeiter expandierte, 70.000 Mark für den Bau der Katholischen Kirche St. Marien in Utbremen gespendet. Der Unternehmer wollte seine Spende eigentlich geheim halten, als sie sich aber doch herumsprach, spendete er gleich auch noch 100.000 Mark für die Bremer Kunsthalle – vermutlich wollte er nicht als allzu „katholisch“ ins Gerede kommen.

Wie Hachez bremisch wurde

Der Stammbaum der Bremer Hachez-Familie beginnt 1696, damals war ein „Charles Hachz“, vermutlich ein spanischer Edelmann, nach Belgien ausgewandert. 1771 kam der Enkel Joseph Johann Hachez nach Bremen, offenbar als Kaufmann. Katholiken sah man in Bremen damals nicht so gern, also verwehrte der Senat dem Neuankömmling anfangs das Bürgerrecht, obwohl er den erforderlichen Reichtum nachweisen konnte. Dank seiner Verlobung mit der bremischen Kaufmannstochter Anna Elisabeth Erttel konnte er 1785 immerhin das „Schutzbürgerrecht“ erwerben, später wurde er Geschäftspartner im Erttel-Handelsgeschäft – Bier, Nägel, Lebensmittel. „Ertel&Hachez“ hieß die Firma schließlich. 13 Kinder hatte der geschäftstüchtige Kaufmann, das sind 13 Optionen für Verbindungen – und tatsächlich hat eine Tochter 1822 den Kaufmann Wilhelm Spitta geheiratet, dessen Enkel Theodor Spitta später einmal als Bremer Bürgermeister bekannt werden sollte. Auch die Firma Wätjens war den Hachez’durch Heiratspolitik verbunden. Somit war Spanien in Bremen angekommen.

Aus gesundheitlichen Gründen schied Firmengründer Joseph Emile Hachez allerdings schon im Jahre 1911 als Geschäftsführer aus seiner Firma aus, die Kaufleute der Familie Hasse übernahmen die Firma unter dem alten traditionsreichen Namen. 1944 wurden die Fabrikationsanlagen von Brandbomben getroffen, erst 1949 konnte Hasse die Produktion neu aufnehmen, nachdem die Rohkakao-Einfuhr freigegeben worden war. 1950 arbeiteten schon wieder 228 Menschen in der Fabrik. Seit 1953 wird auch die Marke Feodora bei Hachez produziert, die Zahl der Mitarbeiter stieg aber nicht weiter als bis auf 360. Im Jahre 1988 verkauften schließlich die Erben von Otto Hasse ihre Anteile an die Zuckerraffinerie Fr. Meyers Sohn Tangermünde. Doch offenbar verlor auch sie die Lust an dem Werk – im Sinne von Management-buy-out übernahmen im Jahr 2000 die Geschäftsführer Wolf Kropp-Büttner und Hasso G. Nauck. Nauck war als Enkel des früheren Inhabers Otto Hasse dem Unternehmen besonders verbunden. Weder das Personal, noch die Führung oder die Produktion würden sich verändern, versprach Nauck den 360 Angestellten.

Das Aus für Bremen

Zehn Jahre später erzwang die Krisenstimmung doch Änderungen: ein Viertel der 360 Arbeitsplätze sollte gestrichen werden. Dass die Hachez-Belegschaft auf das Weihnachtsgeld verzichtete, reichte nicht, um unter dem Strich schwarze Zahlen zu schaffen. Nauck und Kropp-Büttner, die in ihrer Familie beide keine Nachfolger hatten, verkündeten dann 2012 schließlich, dass sie die Fa­brik und die beiden Marken an den dänischen Süßwaren-Konzern Toms verkauften. Aus Dänemark nun kam in diesen Wochen die Ankündigung, dass die Produktion vermutlich 2020 nach Polen verlagert werden soll. Dort, wo Toms derzeit schon eigene Marken produziert, soll in neue Marken investiert werden – nicht aber in Bremen. Dort sind derzeit noch 250 Menschen bei Hachez beschäftigt, nur das Marken-Marketing soll bleiben.

Hachez wollte immer eine besondere „Chocolade“ sein, für die die Menschen einen höheren Preis zahlen. Die alten Rezepte sollten möglichst unverfälscht bewahrt werden, das Geheimnis des Handwerks waren die Rohstoffe aus extensivem Anbau und die alte Verarbeitungstechnik. In Bremen wird nicht mit anderswo vorgefertigter Flüssigschokolade gearbeitet, ein Produktionsgang in der Bremer Neustadt dauerte an die 100 Stunden.

Glanz des Geheimnisvollen

Die Hälfte der Aroma-Stoffe in der Schokolade – insgesamt sind es über 500 – sind bis heute chemisch nicht analysiert, die Herstellung der feinen Schokolade bezieht daraus den Glanz des Geheimnisvollen. Und das Produkt soll sogar gesund sein – die Kakaobutter senkt den Cholesterinspiegel, das Serotin wirkt stressabbauend, die Substanz „PEA“ soll sogar aphrodisische Wirkungen haben, und Allergiker sind erfreut über den Verzicht auf synthetisches Vanille.

Die feine Schokolade mit dem hohen Preis vertraut auf die Wirkungen der Mund-zu-Mund-Verbreitung. Hachez pflegt sein Upper-Class-Image. Die „brauen Blätter“, ein typisches Bremer Traditionsprodukt, liegen auf dem Serviertablett der Business-Class auf den Inlandsflügen. Was davon bleibt, scheint derzeit noch unklar.

Carsten Thomsen, Vorstandsvorsitzender des Toms-Konzerns, der mit seinen 15.000 Tonnen Schokolade die kleine Hachez-Charge schluckt, kündigte „Innovationen und den Mut, Dinge anders zu machen“ an. Und stellte eine Markenverjüngung von Hachez und Feodora in Aussicht. Bisher warb Hachez eher damit, dass seine Schokolade so schmecken sollte „wie damals“.

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