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Ralf Sotscheck über den Brexit und die irische GrenzfrageLondoner Realitätsverlust

So wird das nichts mit dem Brexit. Die Tories, allen voran Premierministerin Theresa May, verstehen entweder nichts von internationalem Vertragsrecht, oder sie ignorieren es einfach und hoffen, dass es von selbst verschwindet. Anders sind die grotesken Bemerkungen zur irischen Grenzfrage nicht zu erklären.

May sagte in ihrer dritten Grundsatzrede am Freitag, dass eine harte Grenze in Irland vermieden werden müsse. Gleichzeitig versprach sie der nordirischen Democratic Unionist Party (DUP), von deren Abgeordneten die Tory-Mehrheit im Unterhaus abhängt, dass es keine abweichende Behandlung Nordirlands im Vergleich zum Rest des Vereinigten Königreiches geben werde. Das eine schließt das andere aus. Es war der klägliche Versuch, alle Seiten im Brexit-Theater zufriedenzustellen.

Der rechte Tory-Flügel übertrumpft sich unterdessen selbst an Ignoranz. Außenminister Boris Johnson sagte, man könne die Grenze ähnlich wie die Londoner City-Maut handhaben, als ob es darum ginge, ein paar Autokennzeichen elektronisch zu erfassen. Der Rechtsaußen der britischen Konservativen Jacob Rees-Mogg behauptete gar, die irische Grenzfrage sei ein „imaginäres Problem“, das von der irischen Regierung ausgeheckt wurde. Und Brexit-Minister David Davis meinte, dass Mays Erklärung vom vergangenen Dezember „kein rechtliches bindendes Ding“ gewesen sei.

Genau das war es aber. May hat ein Dokument unterzeichnet, das die Zollunion und den internen Markt zwischen Nordirland und der Republik Irland sowie den Schutz des Belfaster Abkommens vom Karfreitag 1998 garantiert.

Nichts anderes besagte das Papier, das EU-Chefunterhändler Michel Barnier am Mittwoch vorgelegt hat: Ohne Alternativplan müsse in Irland alles beim Alten bleiben. Das war kein unverbindlicher Vorschlag, sondern eine Feststellung der rechtlichen Lage, denn so steht es im Belfaster Abkommen, einem internationalen Vertrag zwischen zwei Staaten.

May hat das im Dezember ebenso rechtlich bindend bekräftigt – auch wenn sie das nicht mehr wahrhaben will. Die Brexit-Anhänger sind offenbar entschlossen, beide Verträge zu brechen.

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