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Gesichtserkennung in NiedersachsenStadion als Testwiese

Ex-Innenminister Uwe Schünemann (CDU) fordert den Einsatz intelligenter Kameras im Stadion. Probleme mit dem Datenschutz sieht er nicht.

Bald auch mit Gesichtserkennung? Kamera im Stadion. Foto: dpa

Hamburg taz | Die CDU im niedersächsischen Landtag will Fußballfans demnächst per Video im Stadion überwachen lassen. Im Zuge der Debatte um ein neues Polizeigesetz forderte der Fraktionsvize Uwe Schünemann den Einsatz von sogenannten intelligenten Kameras in niedersächsischen Fußballstadien.

„Wenn Hooligans Krawall beginnen, können die Kameras sofort Alarm schlagen“, sagt Schünemann. Was den Datenschutz angeht, ist er unbesorgt: Obwohl die in den Kameras enthaltene Technik eine automatisierte Gesichtserkennung aller aufgezeichneten Personen einschließt, spricht Schünemann von einem „geringeren Grundrechtseingriff“. Der Einsatz in Fußballstadien soll jedoch nur der Anfang des Einsatzes dieser Kameras sein.

Seit August wird die Technologie bereits am Berliner Bahnhof Südkreuz getestet. Das Ziel der neuartigen Software ist, Personen zu identifizieren und verdächtige Situationen zu erkennen. Wenn etwa ein bekannter Terrorist durch den Bahnhof spaziert oder ein Koffer über längere Zeit alleine herumsteht, sollen die intelligenten Kameras Alarm schlagen. Auch in Baden-Württemberg hat die grün-schwarze Landesregierung vor Kurzem einen eigenen Testlauf in Mannheim beschlossen, der im Herbst starten soll.

Schünemann sagt, dass die Polizei mithilfe der intelligenten Kameras schneller auf Gewalttaten im Stadion reagieren könne. Welche Gewalttaten er meint, sagt er nicht – in der vergangenen Saison gab es bei 21,3 Millionen Zuschauer*innen der ersten bis dritten Bundesliga 1.226 verletzte Personen. Das entspricht einem Anteil von 0,00005 Prozent. Auf beinahe jedem Erntefest im Land kommt es zu mehr Schlägereien als im Fußballstadion.

Mehr oder weniger Daten?

Der Vorteil intelligenter Software liege laut den Befürwortern der Technologie darin, dass nur bestimmte Szenen aufgenommen werden, die die Software erkennt. Erst dann aktiviert die Kamera die Aufzeichnung und alarmiert die Polizei. Es würden also weniger Daten gesammelt als mit herkömmlichen Kameras, die pausenlos aufnehmen.

Die niedersächsische Datenschutzbehörde sieht das hingegen kritisch. „Durch die biometrische Gesichtserkennung werden wesentlich mehr Daten als bisher erfasst“, sagt deren Sprecher Jens Thurow. Sicherlich würde die Aufklärung von Straftaten zwar erleichtert, einen statistischen Beleg für mehr Sicherheit gebe es hingegen nicht.

Wie die Fußballvereine, die in den Stadien das Hausrecht besitzen, die drohende Aufrüstung sehen, ist noch unklar. Beim Bundesligisten Hannover 96 hält man sich mit einer Bewertung zurück. „Straftaten ermittelt die Polizei, nicht der Verein“, sagt deren Sprecher Heiko Rehberg. Die Kameras würden schließlich während des Spieltags von Polizist*innen gesteuert werden.

Eine generelle Ablehnung der Überwachung zeichnet sich dort also nicht ab. Höchstens in der Frage der Bezahlung dürfte es Diskussionsbedarf geben. Die derzeit genutzten Kameras, so Rehberg, wurden von Hannover 96 finanziert. Ob der Club in der Zukunft für die intelligenten Kameras aufkommen wird, dürfte fraglich sein.

Dass der Vorstoß von Schünemann kommt, ist nicht überraschend. Der CDU-Politiker der sich auch gerne selbst als „harten Hund“ bezeichnet, war von 2003 an zehn Jahre Innenminister in Niedersachsen. Der Ausbau von Videoüberwachung an öffentlichen Orten war eines seiner Kernanliegen.

Darauf haben sich allerdings auch schon die SPD und die CDU im niedersächsischen Koalitionsvertrag geeinigt. Dort heißt es, es werde eine „gezielte Videoüberwachung“ an Kriminalitätsschwerpunkten angestrebt. Allerdings hält man sich im von der SPD geführten Innenministerium dazu noch bedeckt. Zwar könne unter Umständen die intelligente Videoüberwachung als Weiterführung der bereits eingesetzten Technik irgendwann zum Einsatz kommen, teilte das Ministerium mit. Man wolle aber zunächst die Erfahrungswerte der in verschiedenen Städten laufenden Modellversuche abwarten.

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