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Kolumne MachtEmpört euch! Aber worüber genau?

Bettina Gaus
Kolumne
von Bettina Gaus

Abgeordnete der AfD sind nach Syrien gereist. Darüber regen sich jetzt sehr viele auf. Das ist ja auch richtig, aber die Begründungen sind so dürftig.

Blick auf Syriens Hauptstadt Damaskus. Irgendwo dort muss es doch auch ein paar nette Ecken geben Foto: dpa

G emeinsame Empörung verbindet. Wenn sie groß genug ist, dann bedarf sie nach Ansicht vieler Empörter offenbar auch keiner Begründung mehr, jedenfalls keiner sachlichen. Die Empörung über die Reise von Abgeordneten der AfD nach Syrien ist sehr groß. Entsprechend dürftig fallen die Begründungen aus.

In den letzten Tagen ist der Eindruck entstanden, alle Menschen reinen Herzens seien einig, dass mit Vertretern oder Unterstützern von Regierungen, die Menschenrechte verletzen, keine Gespräche geführt werden dürfen. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte mit Blick auf den Besuch der AfD-Parlamentarier in Syrien: „Wer dieses Regime hofiert, der disqualifiziert sich selbst.“ An dieser Stelle wäre es nützlich, die Begrifflichkeiten zu klären. Eine Visite ist nicht dasselbe wie eine Huldigung.

Bisher galt als Grundsatz der deutschen Außenpolitik, dass es allemal besser ist, miteinander zu reden, als nicht miteinander zu reden oder gar aufeinander zu schießen. Alles andere wäre auch seltsam ausgerechnet in einem Land, das wohl mehr als jedes andere Nutzen aus der Entspannungspolitik zwischen Ost und West gezogen hat.

Abgeordnete aller Parteien verhalten sich übrigens entsprechend, ohne dass dies je skandalisiert worden wäre. Sie fahren nach Moskau und Peking, kurz nach dem Kosovo-Krieg reiste eine Delegation der Grünen nach Belgrad. Bloß den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen. Warum genau ist der Besuch der AfD-Abgeordneten in Syrien also empörend und Reisen anderer Parlamentarier sind es nicht? Aus mehreren Gründen. Wobei die Betonung auf „genau“ liegt.

taz am Wochenende

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Die AfD verfolgt mit einer außenpolitischen Mission ein ausschließlich innenpolitisches Ziel. Die Abgeordneten möchten den Nachweis erbringen, dass es gar keinen Grund für Geflüchtete aus Syrien gibt, nicht in ihre Heimat zurückzukehren – schließlich gibt es dort noch Gebiete, in denen es sich wunderbar leben lässt. Beweis, neben anderen: Fotos von einem Markt in Damaskus.

Das ist zynisch. In fast allen Staaten, in denen Krieg herrscht, gibt es Ecken, in denen ein – scheinbar – normales Leben möglich ist. Selbst in Berchtesgaden war es bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs ziemlich nett. Hätte irgend jemand Emigranten aus Deutschland seinerzeit dorthin, in unmittelbare Nähe von Hitlers „Berghof“, schicken wollen? Natürlich nicht.

Schludrigkeit ist nie eine gute Idee

Darüber hinaus gilt seit vielen Jahren ein ungeschriebenes Gesetz: Parteiübergreifende nationalstaatliche Interessen haben größeres Gewicht als jede noch so heftige innenpolitische Kontroverse. Deshalb werden Auslandsmissionen üblicherweise nicht benutzt, um innenpolitische Diskussionen anzuheizen.

Im Augenblick verstärkt sich der Eindruck, dass Vertreter anderer Parteien und der Bundesregierung der Ansicht sind, im Hinblick auf die AfD genüge Empörung

Es ist ironisch, wenn ausgerechnet eine nationalistische Partei wie die AfD diese Regel missachtet. Gründe, die Reise von AfD-Abgeordneten nach Syrien und deren Auftritt dort politisch falsch und menschenverachtend zu finden, gibt es also genug. Aber wenn man jemanden davon überzeugen will, der oder die das anders sieht, dann müssen diese Gründe auch benannt werden. Präzise.

Im Augenblick verstärkt sich der Eindruck, dass Vertreter anderer Parteien und der Bundesregierung der Ansicht sind, im Hinblick auf die AfD genüge Empörung. Viel Arbeit müsse man sich damit nicht machen. Das wird sich rächen. Schludrigkeit ist nie eine gute Idee. Schon gar nicht im Umgang mit Populisten. Wer meint, eigentlich könnten doch alle „vernünftigen Leute“ gar nicht anders denken als man selbst, verhält sich letztlich genau wie die AfD. Und verspielt damit Glaubwürdigkeit.

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Bettina Gaus
Politische Korrespondentin
Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).
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15 Kommentare

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  • Bildet dieser Beitrag Bettina Gaus die Wirklichkeit deutscher Außenpolitik aus einem Guss ab, ich glaube eher nicht.

     

    Was die AfD MdBs mit ihrem Besuch in Damskus, ganz im verdeckten bis offenen Sinne von Teilen der Bundesregierung,salonfähig machen wollen, siehe Afghanistan, ist das Führen von Kriegen, isoliert auf regional begrenzte Bürgerkriege herabgestuft, für die die Genfer Flüchtlingskonvention nicht gilt, mit angeblich militärisch befriedet sicheren Zonen, in die, neben deutschen Rüstungsgütern, Kriegsflüchtlinge, Asylverwerber, subsidiär Schutzbedürftige angeblich guten Geweissens aus Deutschland abgeschoben werden können.

    Das zu sondieren hat sich die AfD in öffentlich unerklärtem Einvernhemen mit der Bundesregierung, Außenamt mutmaßlich zu eigen gemacht, auch wenn die Sprachregelung des Regirungssprechers Seibert da anders klingen mag.

    Bleibt die Frage, ob das Außenamt, wie mit ihrer Politik aus einem Guss üblich, nebe dem Bundestag, diese Reise umfassend sponsert?

    Dass die AfD, ganz neben bei, dem Assad Regime zu Diensten ist, den Regionalkonflikt befeuert, verdient n. m. E. zumindest Erwähnung, Assads ausgedünnten Militäreinheiten, die meisten bestehen inzwischen über Schuldenaufnahme aus angeheuerten "Fremdenlegionären", Kämpfern der Privatsoldadeska von War Lords aus aller Herren Länder, z. B. lt. ARD Reprotage aus Sri Lanka, mit frischen Kanonenfutter aus den Reihen heimkehrender Kriegsflüchltinge zum Niedrigsold bis Nulltarif wg. "Reublikflucht", Fahenflucht" aufzufüllen vermag, ohne diese in den vorherigen Familienstand ihrer Unversehrheit, Bürgerrechte, Vermögen, Arbeitsplatz, Grund und Boden zu versetzen

  • "Parteiübergreifende nationalstaatliche Interessen haben größeres Gewicht als jede noch so heftige innenpolitische Kontroverse."

     

    Bettina Gaus kennt keine Parteien mehr sondern nur noch Deutsche.

     

    Die AFD gehört nicht dazu, weil sie gegen nationalstaatliche Interessen handelt?

     

    Problem ist nur, dass die Meinungen darüber, was im Syrien-Konflikt "nationalstaatliche deutsche Interessen" sind, weit auseinandergehen.

  • Wenn Außenpolitiker einer anderen Partei mit autoritären Machthabern reden, dann wird das als unbedingt nötige Kommunikation und Aufrechterhaltung des wichtigen Dialoges bezeichnet. Das ständige Einprügeln auf die AfD macht nichts besser, sondern regt nur die Leute auf. Man muss diese Partei nicht mögen, aber sie sind demokratisch gewählte Mitgliedes des Bundestages und haben die gleichen Rechte (und Pflichten!) wie die anderen Abggeordneten auch.

    • @Hartwig Lein:

      Natürlich können sie mit ausländischen Politikern reden. Aber beweisen zu wollen, dass es sich in Syrien sicher und angenehm leben lässt, ist zynisch.

  • mein problem ist nicht das gespräch mit assad und co , gemessen an der berichterstattung ist der zwar nahe am kanibalen , andererseits haben mir div. leute vor ort auf der halb-insel versichert , er wäre angesichts der dortigen ethnienvielfalt bei freien wahlen keinesfalls chancen-los , den krieg hat er auch gewonnen - und- niemand will ein neues libyen . als mann des 20.jhr und vater von 4 kindern kann ich mir auch nicht vor-stellen , mein land in der bedrohung zu verlassen , gar ohne familie . wenn es nicht höhere werte gäbe als unsere begrenzte existenz sollten wir beispielsweise dem 20. juli nicht mehr gedenken .

    hier mischen sich knallharte geo-politische motive mit deutscher weltrettungssehnsucht . endlich klassenprimus !

    mein problem als jurist : durch die extensive auslegung der genfer kon-vention , verquickt mit der admin-istrativen erschöpfung wird der heilige art.16 ( annerkennung : 8000 /

    1000000 ) , frucht der deutschen kata-strophe de facto entwertet , wer kommt bleibt , der rechtsfrieden durch das vertrauen auf recht-mässiges handeln des staates sowie die einbettung in ( das erneut von uns belehrte ) europa sind bedroht .

    da inzwischen jedem der sehen will klar geworden sein sollte , dass die faktischen probleme der jährlichen neugründung einer stadt wie mainz

    ( mit mehrheitlich menschen , welche deutlich mehr kosten als sie bringen )durchaus erwähnung verdienen , ist jeder dialog willkommen , insbe-sondere bevor das geld knapper und die ressentiments grösser werden . langfristig wird man den deutschen nicht klarmachen können , dass ein deutscher armer ethisch betrachtet genauso wichtig ist wie ein Immi-grant . fragwürdig ist somit nicht der vorstoss der in weiten teilen vulgären afd , fragwürdig ist eine regierung , welche sich dem dialog verweigert und in moralischen fragen nicht vom ergebnis her denkt .

    daraus erwächst oft unmoral !

    keinesfalls können wir es uns leisten , auf eine einzige idee zu verzichten .

  • Wer sind denn die Guten in Syrien, haben sie sich als politisch denkender Mensch schon ihre Meinung gebildet?

     

    Warum sollte die AfD mit ihnen über ihr Weltbild oder Syrien diskutieren?

    Die informieren sich vernünftiger vor Ort.

  • 8G
    81622 (Profil gelöscht)

    Komisch, warum Frau Gaus die generelle Kritik an einer PR-Aktion der AFD wegen angeblich ungenuegender Praezision kritisiert. Dass die AFD ihre Reise aus innenpolitschen Gruenden macht, ist klar (Fluechtlinge raus) ...es steckt aber auch ein aussenpolitischen Signal dahinter, u.z. ihre Naehe zu autoritaeren Regimen und Diktaturen, wie ihre schon zuvor erklaerte Unterstuetzung fuer Assad und ihre Naehe zu Putin.

    Der Buergerkrieg in Syrein dauert nun schon 7 Jahre an und jeder politisch denkende Mensch hat sich seine Meinung dazu gebildet.

    Es geht nicht mehr um "Ueberzeugen", wie Frau Gaus idealistisch fordert, sondern um "klare Kante zeigen" gegenueber autoritaeren, menschenverachtenden und auch faschistischen Stroemungen in unserer Gesellschaft, die bis in die sog. "Linke" hineinreichen, wie einige Kommentatoren zu Syrien tagtaeglich beweisen. Mit der AFD ueber deren Weltbild zu diskutieren, ist ueberfluessig und kontraproduktiv.

    • @81622 (Profil gelöscht):

      "Der Buergerkrieg in Syrein dauert nun schon 7 Jahre an ..."

       

      ... und manche haben immer noch Freude daran - Weitermachen, Assad stürzen, für Menschenrechte, Freiheit und Demokratie!

  • 8G
    83492 (Profil gelöscht)

    "Parteiübergreifende nationalstaatliche Interessen haben größeres Gewicht als jede noch so heftige innenpolitische Kontroverse."

    ...

    "Es ist ironisch, wenn ausgerechnet eine nationalistische Partei wie die AfD diese Regel missachtet."

     

    Die Ironie werden zumindest AfD-Mitglieder nicht sehen wollen. Für sie ist es doch im nationalstaatlichen Interesse,

    Syrer wieder außer Landes schaffen zu können.

  • Danke Frau Gaus, dass Sie das mal klar gestellt haben. Irgendwie war in der Berichterstattung der eigentliche Skandal untergegangen.

  • Mit Verlaub - geschätzte Frau Bettina Gaus.

     

    Auch nach mehrmaligem Lesen -

    Schnall ich's nicht - worauf genau -

    Sie hinauswollen.

    Schade.

    • @Lowandorder:

      "Gründe, die Reise von AfD-Abgeordneten nach Syrien und deren Auftritt dort politisch falsch und menschenverachtend zu finden, gibt es also genug. Aber wenn man jemanden davon überzeugen will, der oder die das anders sieht, dann müssen diese Gründe auch benannt werden. Präzise."

       

      Also keine Pauschalisierung - darauf will Frau Gaus hinaus

    • @Lowandorder:

      "Die Abgeordneten möchten den Nachweis erbringen, dass es gar keinen Grund für Geflüchtete aus Syrien gibt, nicht in ihre Heimat zurückzukehren – schließlich gibt es dort noch Gebiete, in denen es sich wunderbar leben lässt. "

       

      "Das ist zynisch."

       

      Jetzt klar?

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Sorry - lesen kann ich auch!

         

        Aber gerade dabei (Ihrer jetzt klar Einsicht) will Bettina Gaus es ja offensichtlich - ja ersichtlich nicht bewenden lassen. Newahr.

         

        (ps & btw - solches Vorgehen ala -

        Arschlöcher für Deutschland - legte einst das BAMF an den Tag - pikanterweise für Christen in der Türkei! Mit derselben unverfrorenen Dumpfbackigkeit! (ala Bruno Heck Chile post 9/11!)

        &

        Noch heute Dank den Kollegen der "türkeileitenden" kölner VG-Kammer -

        Die diesem Spuk ein Ende bereitete!

        Das ja!)

        • @Lowandorder:

          Das ist aber der Kern der Aussage. Und natürlich der letzte Absatz. Was ist denn unklar?