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die dritte meinungDer Mitgliederentscheid der SPD schadet der Demokratie, sagt Christine Landfried

Christine Landfried ist Politikwissenschaftlerin und Senior Fellow der Hertie School of Governance.

In einer Demokratie sind freie und gleiche Bürgerinnen und Bürger die Quelle aller politischen Macht. Es gibt unterschiedliche Wege, diese Idee zu realisieren. Nach unserer Verfassung soll das „Selbstregieren“ des Volkes durch Repräsentation ermöglicht werden. Bei der Willensbildung in einer repräsentativen Demokratie spielen die politischen Parteien eine wichtige Rolle.

Sie sind aber nicht der Staat. Im Mittelpunkt stehen die Bürger. Die gewählten Abgeordneten wiederum sollen die unterschiedlichen Interessen der Bürger so zusammenführen, dass im politischen Handeln ein allgemeines Interesse zur Geltung kommt. Deshalb sind die Abgeordneten Vertreterinnen und Vertreter des ganzen Volkes. Im September 2017 haben nun fast 47 Millionen Bürger ihre Stimmen für einen neuen Bundestag abgegeben.

Nach dem Scheitern einer Jamaika-Koalition liegt ein Vertrag für eine Große Koalition auf dem Tisch. Die SPD hatte von vornherein angekündigt, dass die Parteimitglieder verbindlich über den Vertrag abstimmen. Dieser Mitgliederentscheid wird als Sternstunde der Demokratie gefeiert. In Wirklichkeit aber diente der Entscheid als Druckmittel in den Verhandlungen.

Es ist nicht demokratisch, wenn 463.000 Mitglieder einer Partei über eine Regierungskoalition bestimmen. Denn die Regierung ist in einer repräsentativen Demokratie den Abgeordneten und nicht den Mitgliedern einer Partei verantwortlich. Der Mitgliederentscheid der SPD kann rechtlich nur die Partei binden.

Faktisch aber wird mit einem solchen Entscheid ein imperatives Mandat in den politischen Prozess eingeführt. Denn bei einem Nein der Mitglieder stünde die SPD für die Große Koalition nicht mehr zur Verfügung. Die Mitglieder einer Partei erhielten einen übermäßigen Einfluss auf die Regierungsbildung.

Der Mitgliederentscheid schadet der Demokratie: das freie Mandat der Abgeordneten wird faktisch eingeschränkt, die Kompromissfähigkeit der Parteien nimmt ab – und das Votum der Wähler verliert an Gewicht.

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