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Berlinale: „7 Tage in Entebbe“Operation Donnerschlag

José Padilhas zeichnet in seinem Film den deutsch-palästinensischen Terror gegen Israel nach. Der Film bleibt oberflächlich und klischeehaft.

Rosamund Pike und Daniel Brühl spielen das Terroristenpaar Brigitte Kuhlmann und Wilfried Böse Foto: Liam Daniel/Berlinale

Ugandas Diktator Idi Amin Dada (Nonso Anozie) begrüßt die Entführer und ihre Geiseln auf dem Flugfeld in Entebbe persönlich. Am 27. Juni 1976 hat ein vierköpfiges deutsch-palästinensisches Kommando den Air-France-Flug von Tel Aviv nach Paris (nach Zwischenstopp in Athen) entführt und nach Uganda umgeleitet.

In José Padilhas Spielfilm „7 Tage in Entebbe“ spielen Rosamund Pike und Daniel Brühl die deutschen Terroristen Brigitte Kuhlmann und Wilfried Böse. Beide gehörten als reale historische Figuren zu den westdeutschen Revolutionären Zellen (RZ), die wie die die Rote Armee Fraktion (RAF) in den 70er Jahren enge Kontakte zu palästinensischen Gruppen unterhielten. Beide starben 1976 in Entebbe.

Brühl gibt in Padilhas Historiendrama einen nachdenklich-naiven Wilfried Böse. Der Typ mit Bart und Lederjacke, einst Vertriebsleiter im Verlag Roter Stern in Frankfurt, glaubt, er hätte das Kommando über die Flugzeugentführung. ­Tatsächlich sind es seine Freunde von der Palästinensischen Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP). Seine Gefährtin Brigitte Kuhl­mann erkennt das schneller.

Die von der britischen Schau­spielerin Pike als rastlos Pillen einschmeißende Person dargestellte Kuhlmann lässt sich jedoch in ihrer Mischung aus Fatalismus und Skrupellosigkeit davon nicht beirren. Neben Amins ­Soldaten stehen weitere PFLP-Leute in Entebbe bereit und übernehmen über sie und die 269 Geiseln das Kommando – so what?

Nationalistisch-paternalistische Beigaben

Die PFLP-Leute – und Idi Amin – halten die Fäden in der Hand. Sie sind es auch, die nach Padilhas Interpretation die Verantwortung dafür tragen, dass die Geiseln nach antisemitischer Tradition in Menschen jüdischer und nichtjüdischer Herkunft selektiert werden. Böse macht zwar mit, hat im Gegensatz zu Kuhl­mann aber ein Problem, will „kein Lagerwächter“ ein.

Er sei ein revolutionärer „Idealist“, kein Nazi, gegen Kapitalismus, Faschismus und Kolonialismus. Böse betrachtet im Zwiegespräch mit dem Bordtechniker der Air-France-Maschine die Bundesrepublik und Israel als zu bekämpfende „faschistische und imperialistische Staaten“. Doch nun trifft er auf verängstigte Geiseln, auf ältere Frauen mit KZ-Nummern auf dem Unterarm, was in Entebbe 1976 tatsächlich so war – und auf arabische Israelhasser sowie sadistische Despoten wie Idi Amin.

Immerhin bildetder Film die Naivität des westdeutschen Linksradikalismus ab
„7 Tage in Entebbe“

20. 2., 15 Uhr Friedrichstadt-Palast, 18.30 Uhr Haus der Berliner Festspiele (E, D)

Immerhin stellt Padilhas Film solche Widersprüche und somit die Naivität des westdeutschen Linksradikalismus dar. Dennoch überzeugt das actiongeladene Reenactment filmisch nicht. Selbst wenn die von Padilha heroisch in Szene gesetzte Befreiungsaktion des israelischen Kommandos in Entebbe dumme Antisemiten auf der ganzen Welt ärgern dürfte, die antiquierte Filmsprache schleppt sich so dahin.

Auch die realitätsheischend nachgestellten Debatten im Kabinett Schimon Peres (Eddie Marsan) und Yitzhak Rabin (Lior Ashkenazi), die der riskanten israelischen Militäraktion „Donnerschlag“ zur (geglückten) Befreiung der Geiseln vorausging. Vieles erscheint hemdsärmelig und oberflächlich. Auch die Miezekatzen-Geschlechterperspektive – hier die schmachtende Balletttänzerin, dort das schneidige Kommandomitglied („I fight and you can dance“) – eine überflüssig nationalistisch-paternalistische Beigabe.

José Padilha hatte mit „Tropa de Elite“ 2008 den Goldenen Bären gewonnen. Dieser Film läuft nun außer Konkurrenz im Wettbewerb. An bereits existierende Werke mit ähnlicher Thematik wie Olivier Assayas „Carlos – Der Schakal“ kommt Padilha hier nicht annähernd heran.

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