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Für Gentech haftet der Steuerzahler

Ein CDU-Gesetzentwurf entlastet die Bauern, die manipuliertes Saatgut auf ihre Felder bringen. Für Schäden soll ein Fonds aufkommen, in den auch der Staat einzahlt. Die Konzerne bleiben verschont. Dabei wären sie bereit, sich zu beteiligen

VON NICK REIMER

Der Steuerzahler soll künftig für Schäden haften, die durch den Anbau von genmanipulierten Pflanzen entstehen. Dies sieht zumindest ein Gesetzentwurf der CDU vor, der der taz vorliegt. „Der Bund soll sich mit Beiträgen angemessen beteiligen“, heißt es im Paragrafen 45 zur Finanzierung eines Fonds. Zudem müssen Genbauern einzahlen. Weiter heißt es: „Andere Wirtschaftsbeteiligte können Beiträge leisten.“

Es geht um jene Bauern, denen Schaden vom Nachbarfeld entsteht: Bläst der Wind etwa gentechnisch veränderte Pollen oder Samen auf das Feld des Biobauern, wird dessen Ernte verunreinigt und praktisch verdorben. Nach geltendem, also rot-grünem Recht muss dafür jener Bauer haften, der in der Nähe Gentechnik anbaut – und zwar ohne dass der Biobauer beweisen muss, dass die Verunreinigung von dort kommt.

Die CDU will nun die Genbauern von dieser Last befreien – zumindest teilweise. Ihm wird ein Teil des wirtschaftlichen Risikos genommen – vom Steuerzahler, der Staat soll einspringen.

„Ausgerechnet die Partei, die Subventionen kürzen will, führt bei der Gentechnik eine neue Subvention ein“, so Greenpeace-Expertin Tina Loeffelbein. Tatsächlich ist umstritten, ob ein solcher Beitrag als Subvention zu werten und vereinbar mit den EU-Maßgaben ist: Dänemark und die Niederlande etwa haben mit Staatsgeld ihre Haftungsfonds zumindest angeschoben. Die CDU will jetzt den Fonds bis Ende 2010 befristen und bis dahin prüfen, ob dieser durch eine Versicherungslösung ersetzt werden kann. Expertin-Loeffelbein: „Das ist etwas anderes als eine Anschubfinanzierung.“

Hauptkritikpunkt ist allerdings der neue Paragraf 17, der den Begriff der Koexistenz regelt. Loeffelbein: „Die CDU will die Fragen der guten fachlichen Praxis und der Koexistenz zwischen Gen- und anderen Bauern nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten regeln. Das ist eine komplette Umdeutung des aktuellen rot-grünen Gesetzes.“

Seit Jahresanfang ist jener Teil der EU-Verordnung zur Gentechnik umgesetzt, der bundesrats-zustimmungsfrei verabschiedet werden konnte. Der andere Teil hängt im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat fest, wo er zuletzt am vergangenen Montag beraten wurde. Die CDU hatte im Juni angekündigt, ein eigenes Gesetz einzubringen statt einen Vermittlungskompromiss anzustreben. Jetzt ist sie am Ziel: Mit dem Platzen der Vermittlung ist das rot-grüne Gesetz obsolet.

Landwirtschaftsministerin Renate Künast wirft der Union deshalb vor, „wichtige Impulse für die Forschung auf die lange Bank geschoben zu haben“.

Auch die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie IG-BCE kritisiert den Gesetzentwurf. Er bringe „keine Verbesserungen, aber viele Rückschritte“, erklärt IG-BCE-Vorsitzenden Hubertus Schmoldt. Hauptvorstandsmitglied Edeltraud Glänzer kritisierte: „Der von der Opposition vorgeschlagene Haftungsfonds belastet einseitig Landwirte und Steuerzahler.“ Dagegen seien die herstellenden Unternehmen von der Haftung für Risiken des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen ausgenommen. Das sei für die IG BCE nicht akzeptabel, so Gewerkschaftsexpertin Glänzer, „zumal ein Teil der Unternehmen Bereitschaft signalisiert hat, in einen Haftungsfonds einzuzahlen“.

Aktuell sind in Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen Gen-Aussaaten auf bis zu 100 Hektar angemeldet, in Mecklenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt wurden bis zu 500 Hektar ausgewiesen. In Brandenburg wurde deutlich mehr angemeldet. Der Rest der Republik ist noch Gentech-frei.

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