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Ärger in Kiew

VON BARBARA OERTEL

Das Aus kam schneller als von vielen erwartet: Gestern feuerte der ukrainische Präsident Wiktor Juschtschenko die Regierung. Anstelle von Premierministerin Julia Timoschenko – neben Juschtschenko eine der Speerspitzen der orangenen Revolution von 2004 – übernimmt der Gouverneur von Dnjepropetrowsk, Juri Jechanurow, kommissarisch bis auf weiteres die Regierungsgeschäfte.

Er habe stets gehofft, dass die Konflikte zwischen den Vertretern der Regierungsinstitutionen mit der Zeit beigelegt werden würden. Doch stattdessen hätten sie sich verstärkt, sagte Juschtschenko gestern in einer Ansprache. Und: „Der Präsident ist doch kein Kindermädchen, das mithelfen muss, die Beziehungen zwischen den Beteiligten zu normalisieren.“

Auslöser der jüngsten Krise waren massive Vorwürfe von Juschtschenkos Stabschef Alexander Sintschenko an die Adresse einiger hochrangiger Regierungsmitglieder. Diese seien hochgradig korrupt und würden ihre Posten nur dazu benutzen, um sich maximal zu bereichern. Als einen der Hauptschuldigen hatte Sinschenko, der am vergangenen Samstag zurückgetreten war, den Vorsitzenden des Nationalen Sicherheitsrates, Petro Poroschenko, bezeichnet.

Der gab gestern Morgen seinen Rückzug bekannt. Er wolle einer unabhängigen Untersuchung nicht im Wege stehen, sagte Poroschenko zur Begründung, verwahrte sich jedoch weiter energisch gegen die Korruptionsvorwürfe.

Kurz darauf quittierten auch der Vizeregierungschef Mikola Tomenko sowie der Chef des Geheimdienstes SBU ihren Dienst. Die Dominanz oligarchischer Tendenzen in der Regierung widerspreche eindeutig den Zielen der orangenen Revolution, sagte Tomenko. Er weigere sich, die Verantwortung für die angebliche Korruption in der Regierung mit zu übernehmen.

Dass dort einiges im Argen liegt, dürfte Juschtschenko schon seit längerem dämmern. Und so dürfte sein Befreiungsschlag der Versuch sein, die monatelange Stagnation im Land zu überwinden und sein angekündigtes Reformprogramm endlich auf den Weg zu bringen. Nicht zuletzt das Gezerre um den Neuverkauf von unter Juschtschenkos Vorgänger Kutschma privatisierten Staatsunternehmen hat viele Investoren abgeschreckt und von einem Engagement in der Ukraine abgehalten. Für 2005 wird ein Wirtschaftswachstum von 5 Prozent erwartet, im Gegensatz zu 14 Prozent im Vorjahr.

„Die neue Regierung muss die Fähigkeit haben, als Einheit zu arbeiten. Zudem müssen wir der wachsenden Enttäuschung in der Gesellschaft entgegenwirken und sicherstellen, dass die Ideale der orangenen Revolution nicht in Zweifel gezogen werden“, sagte Juschtschenko.

Doch genau dieser Prozess hat bereits begonnen. Laut einer Untersuchung des Kiewer Razumkow-Zentrums war die Zustimmung zur Regierung Juschtschenko von 52 Prozent im April auf 37 Prozent im August gefallen. Erstmals seit der Revolution befand im August eine Mehrheit der Befragten, dass sich das Land in die falsche Richtung entwickle.

Der Druck auf Juschtschenko, jetzt schnell zu handeln, wächst – ganz abgesehen von den EU-Ambitionen des Lan- des. Verkompliziert wird die Situation außerdem noch dadurch, dass zum 1. Januar 2006 eine Verfassungsänderung in Kraft tritt, durch die wichtige Kompetenzen – wie die Ernennung der Regierung – vom Präsidenten auf das Parlament übergehen. Kaum verwunderlich, dass gestern in Kiew schon Gerüchte über vorgezogene Neuwahlen im November kursierten.

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