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Berlin empfängt weiterhin keine vietnamesischen Minister_innen

Keine hochrangigen Gäste, keine neuen Projekte: Nach der Entführung und Verurteilung des vietnamesischen Ex-Politikers Trinh bleibt das Verhältnis zwischen Berlin und Hanoi angespannt

Vietnamesische Diplomaten dürfen nicht mehr visumfrei nach Deutschland reisen

Von Marina Mai, Berlin

Es kriselt weiterhin in den deutsch-vietnamesischen Beziehungen – auch nachdem der vietnamesische Ex-Politiker Trinh Xuan Thanh in einem ersten Prozess nicht zum Tode verurteilt wurde, sondern nur zu lebenslanger Haft.

Der aus Deutschland entführte Vietnamese steht seit vergangener Woche in einem weiteren Prozess vor Gericht. Wie die staatliche Nachrichtenseite VN-Express am Sonntag meldete, ist der zweite Prozess gegen den Geschäftsmann in Vietnam für unbestimmte Zeit unterbrochen worden. Fünf Tage nach seinem Beginn hätten die Anklagevertreter beantragt, die Verhandlung zu unterbrechen. Der Grund sei, dass die finanziellen Verbindlichkeiten einer Gesellschaft geklärt werden müssten. Wie die Firma, die der 52-Jährige geleitet hat, gehört auch diese zu dem Konglomerat von staatlichen vietnamesischen Ölfirmen. Thanh wird in dem Prozess vorgeworfen, als Chef eines Staatskonzerns mehr als eine halbe Million Euro Schmiergeld angenommen zu haben. Ihm droht weiterhin die Todesstrafe.

„Wir haben der vietnamesischen Regierung unsere Haltung zur Todesstrafe mehrfach deutlich gemacht“, lässt das Auswärtige Amt wissen. Die Prozessbeobachtung durch deutsche Diplomaten sei aber „korrekt“ verlaufen. „In Teilen des Prozesses wurde erkennbar, dass es ein Bemühen um die Anwendung rechtsstaatlicher Prinzipien gab. Gleichzeitig gibt es prozessuale Aspekte, die wir kritisch sehen“, sagt das Auswärtige Amt der taz. Die deutsche Botschaft konnte mit zwei Vertretern beide Prozesse beobachten – aus einem Nebenraum heraus. Dorthin übertrug eine Kamera zeitversetzt das Geschehen.

Doch unabhängig vom Urteil: War da nicht noch eine Entführung? Stellt die nicht einen Völkerrechtsbruch dar?

Die Entführung des Mannes durch den vietnamesischen Geheimdienst markiert eine Zäsur in den sonst guten deutsch-viet­namesischen Beziehungen. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sprach von einem eklatanten Vertrauensbruch, von „Menschenraub“, der ihn an die Zeit des Kalten Krieges erinnere. Er forderte eine Entschuldigung der vietnamesischen Regierung. Die kam jedoch nicht. Nach vietnamesischer Lesart gab es ohnehin keine Entführung. Thanh sei als reuiger Straftäter freiwillig nach Vietnam zurückgekehrt, heißt es dort.

Dass ein ausländischer Geheimdienst von deutschem Hoheitsgebiet aus schutzsuchende Menschen entführt und in ihr Herkunftsland verschleppt, kann Berlin jedoch nicht einfach hinnehmen. Das wäre eine Einladung anandere autoritär geführte Staaten, sich ihre Staatsbürger, die in Deutschland Schutz vor politischer Verfolgung suchen oder von hier aus für demokratische Veränderungen in ihren Herkunftsländern ihre Stimme erheben, einfach selbst zu holen.

Im September hatte die Bundesregierung deshalb die „Strategische Partnerschaft“ mit Viet­nam ausgesetzt. Seitdem werden keine neuen Entwicklungshilfe- und Wirtschaftsprojekte mehr genehmigt.

Laufende Projekte werden allerdings fortgeführt. Inhaber vietnamesischer Diplomatenpässe dürfen aber nicht mehr visumfrei nach Deutschland reisen. Die Bundesregierung empfängt zudem keine hochrangigen vietnamesischenGesprächspartner mehr und schickt auch keine eigenen Vertreter mehr zu Gesprächen nach Vietnam.

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte der taz, es habe seit dem Vorfall keine Gespräche mehr mit vietnamesischen Partnern ab Abteilungsleiterebene aufwärts gegeben. Ein für November in Berlin geplantes Gespräch auf Arbeitsebene über die Abwehr von ABC-Waffen habe ebenfalls nicht stattgefunden, weil die Teilnehmer aus Vietnam keine Visa erhalten hätten.

Und der Rechtsstaatsdialog, den Deutschland seit fast zehn Jahren mit Vietnam führt? Wäre es angesichts rechtsstaatlicher Defizite in Vietnam nicht töricht, ihn auszusetzen?

Die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung ist in einige dieser Dialogforen involviert. Sie organisiert Austauschprogramme für deutsche und vietnamesische Studenten sowie für Lehrkräfte der Rechtswissenschaften auf den Gebieten Menschenrechte, Zivil- und Strafrecht. „Wir sind uns mit dem Auswärtigen Amt einig, dass diese Formate für junge Leute auf jeden Fall fortgesetzt werden und gerade angesichts der aktuellen Situation eine besondere Bedeutung haben“, sagt Stiftungssprecherin Anja Papenfuß. Die Dialogforen seien „auf die zukünftigen Entscheidungsträger ausgerichtet“ und würden auf lange Sicht „rechtsstaatliche Reformen ­fördern“.

Offen ist noch, ob Deutschland dem bereits ausgehandelten Freihandelsabkommen zwischen Vietnam und der EU seine Zustimmung erteilt. Für Vietnam ist dies einer der sensibelsten Punkte. Das Land will billig produzierte Kleidung, Lederwaren und Agrarprodukte günstiger auf dem europäischen Markt absetzen. Im EU-Parlament und in den nationalen Parlamenten hat die Diskussion zu dem Thema jedoch noch nicht begonnen, und es ist fraglich, ob sie noch vor den Europawahlen 2019 geführt wird.

Nicht betroffen von der Aussetzung der Strategischen Partnerschaft sind die großen Leuchttürme wirtschaftlicher Zusammenarbeit, etwa der beabsichtigte Bau einer U-Bahn-Linie in Ho-Chi-Minh-Stadt durch Siemens. Schließlich will die Bundesregierung die deutsche Wirtschaft nichtverprellen, die sich in dem wirtschaftlichen Boomland in Südostasien eine goldene Nase verdienen kann.

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