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Bremen ist von Geflüchteten überraschtContainer machen Schule

Laut Bildungssenatorin rollt eine „Zuwanderungswelle“ auf die Schulen zu. Schon im Sommer müssen 600 Schüler mehr als bisher in einen Container.

Besser als gar keine Schule: Container der Schule Hamerweg Foto: Michael Bahlo

Bremen taz | Der 19. Dezember 2017 muss für Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) ein Schock gewesen sein. Da wurde im Senat nämlich offiziell die Bevölkerungsprognose zur Kenntnis gegeben – und zwar „kleinräumig“. Daran konnte ihr Ressort ablesen, dass die vielen Flüchtlinge, die Bremen zwei Jahre zuvor aufgenommen hatte, Kinder haben und dass diese Kinder ein Anrecht darauf haben, in die Schule zu gehen.

Für das laufende Schuljahr hatte man sich noch weitgehend mit der Umnutzung von Fach- und Projekträumen behelfen können, aber im Sommer 2018 geht das nicht mehr. Allein in den Grundschulen wird es dann 232 Schulkinder mehr geben, bis zum Jahre 2024 sogar 2.800 mehr. Und dann wollen diese Schulkinder in weiterführende Schulen wechseln – im Sommer wird es gut 400 SchülerInnen mehr geben, bis 2025 etwa 2.450. Die Bildungsbehörde spricht von einer „Flüchtlingswelle“.

Das konnte der Senat weiß Gott am 6. Dezember nicht ahnen, als die Haushaltsgesetze beschlossen wurden. So wird Bogedan in der heutigen Senatssitzung für den Sommer erst einmal „weitere kurzfristige Maßnahmen“ vorschlagen, „um die Schulpflicht abzusichern“.

Bremen setzt auf Container

Lernen in der Büchse

Mobilbau-Anlagen sollen allein im Stadtgebiet Bremen an zehn Grundschulen, sieben Oberschulen und einem Gymnasium errichtet werden.

Satte 210.000 Euro kosten 200 Quadratmeter Mobil-Schulraum, wenn man sie neu kauft. Dagegen ist die Umrüstung von gebrauchten Flüchtlings-Unterbringungen zur Schulklasse schon für 120.000 Euro zu haben.

Mittel- und langfristig steigt der Bedarf natürlich weiter, weil es ja nicht nur um die zusätzlichen SchülerInnen geht, sondern auch um die weitere Einrichtung von Ganztagsschulen und um die Inklusion. Ziel ist es, so steht es in der Beschlussvorlage für den Senat, weit vorauszudenken bis zum Jahre 2030. Woher die pädagogischen Kräfte für mehr als 200 zusätzliche Klassen kommen sollen, steht erst einmal nicht im Vordergrund.

Die Antwort, die die Senatorin dem Senat vorschlägt, lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Container. Da trifft es sich gut, dass Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) viel zu viele Container gekauft hat, als sie die Flüchtlinge unterbringen musste – die können jetzt umgebaut werden für die Schulen.

So soll es in Gröpelingen einen neuen Grundschulstandort Humannstraße geben, der fast ausschließlich aus Containern besteht. Der Mobilbau-Turm dort soll Jahr für Jahr wachsen – erst für 2022 kann die Grundschule auf einen Neubau hoffen. Auch die Oberschule Ohlenhof ist weitgehend in Containern untergebracht – der Neubau soll erst in gut einem Jahr beginnen.

Allein im laufenden Haushaltsjahr Jahr 2018 plant die Schulbehörde investive Kosten in Höhe von zehn Millionen Euro, die nicht im Haushalt stehen. Da aber EU-Mittel zurückfließen, so Bogedan, wäre Geld genug da. 20 Prozent der Summe sollen nach Bremerhaven gehen, wo es dieselben Probleme gibt.

Zur Pädagogik gehört der Raum

Ausgerechnet gestern haben die Fraktionen von SPD und Grünen ein Gesetz zur Beschleunigung von Schulbauten beraten. Das Problem ist allerdings, dass die Container erst einmal bezahlt werden müssen – die Kosten für einen Neubau kommen dann zusätzlich oben drauf.

„Eine Klasse im Container ist nur besser als gar keine“, sagt der CDU-Politiker Thomas vom Bruch. Für Notfälle und einen „begrenzten Zeitraum“ hat die CDU Verständnis für Container-Lösungen – aber das sei derzeit ja kein Notfall, sondern ein Planungsversagen.

Selbst wenn einzelne Container manchmal von innen besser aussehen als heruntergekommene Schulräume – die schlechte Gesamtwirkung der Schule könne das nicht kompensieren. Zu einer gelingenden Pädagogik gehöre eben auch der Raum – „nur wer Schulen mit der Phantasie eines Schuhkartons plant, kann behaupten, das spiele keine Rolle“.

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