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Hier regiert der Minderheitsaktionär

Beim Fußball-Bundesligisten Hamburger SV bestimmt schon jetzt der Investor Klaus-Michael Kühne. Eine Mehrheit in der ausgegliederten Profi-AG braucht er dazu nicht, es reicht, dass der Verein von seinen Finanzspritzen abhängig ist

Der Logistikmilliardär Klaus-Michael Kühne macht sich diese Zwangslage zunutze und dirigiert wahlweise aus Mallorca oder dem schweizerischen Schindellegi das Geschehen im Volksparkstadion

Von Daniel Jovanov

HSV-Präsident Jens Meier hat in diesen Tagen viel um die Ohren. Am 18. Februar steht die jährliche Mitgliederversammlung des Vereins an, bei der es, mal wieder, um nichts Geringeres als die Zukunft geht. Er selbst wird sich um eine zweite Amtszeit als Präsident der Breiten- und Amateursportler des HSV e. V. bewerben – nicht zu verwechseln mit der ausgegliederten Fußball-Abteilung, der HSV-Fußball-AG. Sein Gegenkandidat heißt Bernd Hoffmann, der ehemalige Vereinsboss. Unter seiner Führung erreichte der HSV zwischen 2003 und 2011 Umsatzrekorde und war regelmäßiger Teilnehmer an den europäischen Klubwettbewerben. Über seine Ziele und Absichten hat Hoffmann bisher noch nichts gesagt. Trotzdem sorgt seine Kandidatur im Verein für große Aufregung.

Von außen betrachtet mag die Wahl des neuen Präsidiums die wichtigste Entscheidung der anstehenden Mitgliederversammlung sein. Doch jenseits der Debatte über die beiden Kandidaten werden zwei Anträge für die wahre Zerreißprobe sorgen. In einem wird gefordert, dass der HSV e. V. weitere 24 Prozent seiner Anteile auf die HSV-Fußball-AG überträgt. Die bisherigen Besitzverhältnisse der Aktien sehen so aus: Der HSV e. V. hält 76,18 Prozent, dem Logistik-Unternehmer Klaus-Michael Kühne gehören inzwischen 20,58 Prozent, die übrigen 3,24 Prozent teilen sich auf drei weitere Kleininvestoren auf. Sollten die Mitglieder dem Antrag zustimmen, dürfte die HSV-Fußball-AG mittels Kapitalerhöhungen (also Ausgabe neuer Aktien) bis zu 49,9 Prozent seiner stimmberechtigten Anteile veräußern. Mehr ist laut den Statuten der Deutschen Fußball-Liga (DFL) nicht erlaubt.

Der zweite Antrag geht in die komplett gegensätzliche Richtung. Der ehemalige Volleyballnationalspieler Klaus Meetz, 71, fordert das Präsidium auf, in der Hauptversammlung der Aktionäre der AG eine Satzungsänderung herbeizuführen, „um so den Erhalt der 75,01 Prozent Anteile des Vereins an der AG sicherzustellen“.

Als die Mitglieder des HSV 2014 mit überwältigender Mehrheit für die Ausgliederung der Profi-Abteilung stimmten, legten sie in der Vereinssatzung fest, dass nicht mehr als 24,9 Prozent der Anteile an der neuen Profifußball-AG ohne Zustimmung der Mitglieder verkauft werden dürfen. Diese Grenze ist deshalb so wichtig, weil damit die sogenannte Sperrminorität eines oder mehrerer Gesellschafter verhindert wird. Was den Mitgliedern damals verschwiegen wurde: Mit ihrer Stimme für die Ausgliederung der Fußballabteilung und Neugründung einer Aktiengesellschaft erteilten sie gleichzeitig die Genehmigung für den Verkauf von Anteilen an der AG bis zu 33,3 Prozent.

Zwar sieht die Satzung des Vereins tatsächlich etwas Anderes vor. Der Vorstand der AG ist aber an seine eigene Satzung gebunden, die dem deutschen Aktiengesetz unterliegt, nicht aber dem Vereinsrecht. Präsident Meier hätte in der Hauptversammlung der Aktionäre als Mehrheitsgesellschafter die notwendigen Stimmen, um die Satzung der Aktiengesellschaft anzupassen. Getan hat er es trotz Aufforderung bisher nicht.

Der ehemalige Volleyballer Meetz befürchtet, dass die Vereinsführung des HSV bei der nächsten Krise von ihrer Möglichkeit zum Verkauf weiterer Anteile Gebrauch machen wird – obwohl Finanzvorstand Frank Wettstein und Präsident Meier dieses Szenario ausgeschlossen haben.

Kritiker der Ausgliederung fürchten, dem HSV drohe bei weiteren Anteilsverkäufen nicht weniger als der Verlust der Selbstbestimmung. Wobei dieser Zustand bei genauerer Betrachtung längst eingetreten ist. Seit dem offiziellen Start der HSV-Fußball-AG im Sommer 2014 machte der HSV operative Verluste in Höhe von 50 Millionen Euro. Abzüglich von Einmaleffekten und Bilanzkosmetik liegt das Ergebnis sogar bei knapp 85 Millionen Euro Miesen. Das bedeutet: Ohne externe finanzielle Unterstützung ist der HSV nicht überlebensfähig.

Der Logistikmilliardär Kühne macht sich diese Zwangslage zunutze und dirigiert wahlweise aus Mallorca oder dem schweizerischen Schindellegi das Geschehen im Volksparkstadion. Eigentlich sollte die 50+1-Regel der DFL, wonach der „Mutterverein“ immer die Mehrheit der Anteile in der ausgegliederten Profi-AG haben muss, dafür sorgen, dass der Mutterverein die Entscheidungshoheit behält. Beim HSV wird diese Regel in vielerlei Hinsicht bereits jetzt ad absurdum geführt. Kühne braucht keine Mehrheit an der HSV-Fußball-AG, um über sie bestimmen zu können. Jedenfalls solange sie sich in großer finanzieller Not befindet und von seinem Geld abhängig ist.

Der Wegfall der 50+1 Regel würde den Verantwortlichen eine Gelegenheit bieten, sich aus der Abhängigkeit von einem Investor zu befreien – unter der Gefahr, sich umgehend in die nächste zu stürzen. Problematisch an der Situation des HSV ist allerdings nicht nur das schlechte Wirtschaften des Klubs, sondern auch das Lizenzierungsverfahren der DFL: Solange ein Lizenznehmer Liquidität nachweisen und seine Rechnungen bezahlen kann, wird an anderer Stelle schon mal ein Auge zugedrückt. Woher und zu welchen Bedingungen ein Klub an frisches Kapital kommt, ist eher nebensächlich. So ist es dem HSV trotz der enormen Verluste und der steigenden Verbindlichkeiten immer wieder gelungen, die Lizenzbedingungen zu erfüllen.

Doch wenn die DFL selbst bei deutlichen Indizien auf Verstöße gegen ihre Regularien keine Konsequenzen zieht, ist sie eine nur schwer ernst zu nehmende Instanz. So wurde gegen den HSV im vergangenen Sommer ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, weil Investor Kühne in einem Interview seinen Einfluss auf die Vertragsverlängerung des Stürmers Bobby Wood und der Verpflichtung des Ex-Gladbachers André Hahn deutlich machte. Wörtlich sagte Kühne damals: „Ich habe dem Verein dafür kein Geld gegeben, aber ich habe ihm zu der Verlängerung geraten und gesagt, dass ich Hahn nur finanziere, wenn ihr Wood haltet.“ Die Ermittler scheinen sich mit der Stellungnahme des HSV-Vorstandes zum Verdacht der externen Einflussnahme auf das operative Geschäft aber schnell zufrieden gegeben zu haben.

Auch bei der Zusammenstellung des neu zu wählenden Aufsichtsrates hat Kühne seine Muskeln spielen lassen und Präsident Meier erheblich unter Druck gesetzt. In einem offenen Brief drohte er mit dem Ende seiner Unterstützung, sollte Meiers Wahlvorschlag umgesetzt werden. Zwei Kandidaten haben daraufhin ihre Kandidatur zurückgezogen. Mit dem nun modifizierten Wahlvorschlag sei Kühne mittlerweile zufrieden, heißt es aus dem Umfeld des HSV. Eine Einmischung in diese Angelegenheit steht ihm jedoch nicht zu, dazu ist sein Stimmenanteil in der Hauptversammlung der Aktionäre (noch) nicht groß genug. Auch hier ist von einem Einschreiten der DFL derweil nichts bekannt. In der DFL-Zentrale in Frankfurt nimmt man Kühnes Einmischungen lediglich zur Kenntnis.

Die Vereinsmitglieder haben am 18. Februar die Wahl, ob sie sich ein Stück ihres Fußballklubs zurückholen möchten. Noch ist das Amt des Vereins­präsidenten das mächtigste innerhalb der HSV-Struktur. Er könnte beispielsweise einen völlig neuen Aufsichtsrat zur Wahl vorschlagen. Oder die Satzung der HSV-AG verändern.

Welcher der beiden Kandidaten – Meier oder Hoffmann – und welche der beiden Richtungen – Ausverkauf bis 49 Prozent oder Begrenzung auf 24,9 Prozent – von einer Mehrheit der Mitglieder favorisiert wird, ist schwer zu sagen. Das Thema ist komplex.

Sollten die Mitglieder sich allerdings für eine Begrenzung des Verkaufes von AG-Anteilen entscheiden, müsste der Vorstand andere Optionen finden – und zwar schnell. Bis zum Lizenzierungsverfahren für die kommende Saison ist nicht mehr viel Zeit.

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