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Gefühlte Unsicherheit wächst

Menschen im Norden haben Angst vor Wohnungseinbrüchen, aber nicht vor Geflüchteten: Innenminister stellt in Kiel Dunkelfeldstudie zur Kriminalität in Schleswig-Holstein vor

Von Esther Geisslinger

Die Zahl der Verbrechen in Schleswig-Holstein bleibt gleich – die gefühlte Unsicherheit steigt. Allerdings liegt das nicht an Geflüchteten: Nur ein Bruchteil der Bevölkerung fühlt sich durch sie bedroht. Das sind die beiden wesentlichen Aussagen der Dunkelfeld-Studie zur Kriminalität, die Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) am Montag in Kiel vorstellte.

Für die Studie wurden 25.000 Menschen ab 16 Jahren – darunter auch solche mit ausländischen Pässen – befragt, wie sie die Sicherheitslage einschätzen und ob sie 2016 Opfer von Verbrechen geworden sind. Auch in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern laufen entsprechende Studien, deren Ergebnisse noch ausstehen.

„Es geht nicht um reale Zahlen, sondern um Gefühle und Meinungen“, sagte Grote. Aber die seien für das Sicherheitsempfinden wichtig. So soll ein Projekt gestartet werden, um BürgerInnen, die ein Verbrechen anzeigen, künftig automatisiert über den Stand der Ermittlungen zu informieren. Da viele Befragte die Polizei als überlastet empfanden, sollen 500 neue Beamtenstellen entstehen.

Insgesamt fühlten sich die Schleswig-HolsteinerInnen sicher, so der Kriminologe Lars Riesner, der die Ergebnisse vorstellte. Nur fünf Prozent fürchten sich in ihrer Nachbarschaft, 60 Prozent gehen auch nachts ohne Furcht vor Fremden auf die Straße. Die größte Angst besteht vor Wohnungseinbrüchen. Im Ergebnis gab es im Vergleich zur ersten Dunkelfeld-Studie 2015 mehr versuchte, also gescheiterte Einbrüche.

Die Wahrnehmung von Geflüchteten beschrieb Riesner als „typisch norddeutsch unaufgeregt“. 88 Prozent der Befragten verneinten eine Bedrohung durch diese Gruppe, 74 Prozent fühlten sich „durch Flüchtlinge bereichert“. Dass es überhaupt eine Zunahme von Geflüchteten gibt, empfinden nur rund 20 Prozent der Befragten. Frauen und Männer beantworten die Fragen ähnlich, allerdings gab es bei allen Bereichen höhere Werte von Jüngeren. „Vermutlich, weil die mehr unterwegs sind und eher Kontakt zu Flüchtlingen haben“, vermutete Riesner.

30 Prozent der Menschen in Schleswig-Holstein wurden 2016 Opfer von Verbrechen, ähnlich wie in der ersten Befragung. Betroffen waren mehr Männer als Frauen und mehr Jüngere als Ältere. Ob eine Tat angezeigt wird, hängt vom Delikt ab: Sexuelle Übergriffe und häusliche Gewalt werden selten gemeldet, Einbrüche zu 90 Prozent.

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