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Museumsdirektor über Fake-Altstadt„Authentisch ist nicht wichtig“

Ein mittelalterlicher Stadtkern ist für die touristische Vermarktung einer Kommune in Asien günstig, sagt Peter Cachola Schmal. Frankfurt tut dafür einiges.

Das Stadtmarketing-Konzept: „Sich durch etwas Einzigartiges von Konkurrenzstädten unterscheiden“ Foto: Ralph Peters
Interview von Ulrike Prinz

taz: Herr Schmal, in Frankfurt wird gerade das Dom-Römer-Quartier rekonstruiert. Erklärtes Ziel ist seine touristische Vermarktung. Was hat die Inszenierung der Städte mit der Verwertung der Stadt als touristische Destination zu tun?

Peter Cachola Schmal: Wir müssen verstehen, dass wir global gesehen eine Sonderrolle in Sachen Tourismus einnehmen. Nur hier in Europa und besonders in Deutschland sind die „Ur-Dörfer“ und „Ur-Städte“ der westlichen Zivilisation mit ihren fußläufigen Stadtzentren zu besichtigen. Es sind dynamische Gemeinschaften, oft auch noch in landschaftlich herausragender Lage.

Nur in Europa?

In den USA und Australien gibt es diese historischen Orte nicht und in Asien verschwinden authentische Dörfer zugunsten Millionen-Agglomerationen. Für chinesische Touristen – die chinesische Mittelklasse wurde von China Business News auf 200 Millionen Menschen geschätzt – sind diese etwas Besonderes. In Frankfurt, der deutschen Stadt mit den meisten chinesischen Flugverbindungen, kann also nicht nur eine wichtige Stadt besichtigt werden, sondern dazu noch die nicht gefälschten Dinge gekauft werden, die so begehrt sind: von Edelstahlpfannen über Milchpulver bis hin zu Luxuswaren. Ob die Altstadt authentisch ist oder rekonstruiert, ist dabei letztendlich egal.

All das für die Chinesen?

Der chinesische Tourismus wird sich noch um ein Vielfaches steigern und zur wichtigsten Zielgruppe mit der größten Kaufkraft werden. Am Verkehrsknoten Offenbach-Kaiserlei wurde 2016 das erste chinesische Luxushotel eröffnet, das sich mit authentisch chinesischer Küche, welche die Reisenden trotz Europabegeisterung dringend brauchen, speziell auf chinesische Gäste eingerichtet hat.

Welche alternativen Stadtnutzungskonzepte gibt es außerhalb der touristischen Vermarktung? Gibt es außer historisierender Neuerfindung andere Konzepte zur Belebung der Innenstädte?

Alle größeren Städte in Europa wollen teilhaben an dem immer wichtigeren Markt für Stadttourismus, den wir auch alle selber befeuern, indem wir für ein Wochenende in eine andere Stadt, zum Beispiel nach Kopenhagen, Palermo, Barcelona, Berlin oder München reisen. Und was wollen wir als Stadttouristen sehen? Eine lebendige Stadt mit einem guten Angebot an Kultur und Gastronomie, zentral gelegenen Hotels oder individuellen Airbnb-Wohnungen, mit zentralen Stadtspaziergängen und einer möglichst geringen Kriminalitätsrate. Die Konzepte der Städte, sich durch etwas Einzigartiges von den Konkurrenzstädten unterscheiden, reichen von der neuen Fahrradhauptstadt Kopenhagen über die Kulturhauptstädte Europas bis hin zu den neuen angesagten Ziele, wie derzeit Tiflis, in Georgien, das „nächste Berlin“.

Im Interview: Peter Cachola Schmal

ist Architekt, Kurator und Architekturpublizist in Frankfurt. Er wurde in Altötting geboren und wuchs in Multan (Pakistan) und Mülheim an der Ruhr auf. Seit 2006 leitet er das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt. 2007 war er Generalkommissar des Deutschen Beitrags der Architekturbiennale in São Paulo und 2016 des Deutschen Beitrags der Architekturbiennale in Venedig.

Wie beurteilen Sie die Strategie der Stadt zur Selbstvermarktung? Sind Städtebau und Denkmalpflege einerseits und Stadtmarketing andererseits noch zu unterscheiden?

Städtebau und Denkmalpflege richten sich größtenteils nach den Bedürfnissen der Bevölkerung oder nach der wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt, Stadtmarketing hingegen an das Zielpublikum außerhalb. Die Folgen werden allerdings für die Bewohner sehr deutlich zu spüren sein, teilweise positiv, weil sie selber davon wirtschaftlich profitieren, teilweise negativ, weil durch den wachsenden Airbnb-Markt für Städtetouristen die Preise für Mietwohnungen allgemein steigen bzw. das Angebot von Mietwohnungen auf dem Markt schwindet.

Welche Strategie der Stadtplanung würden Sie sich für die Zukunft wünschen?

Die Strategie Kopenhagens, als neue Fahrradhauptstadt Europas bekannt zu werden, hat viele sehr positive Effekte. So wird Kopenhagen künftig keine klimatischen Probleme mehr haben, keine Hitzeinseln, keine Feinstaubdebatten, keine Kohlendioxidprobleme, keine Verkehrstaus – für seine Bewohner bedeutet das eine wunderbare Steigerung der Lebensqualität. Die Investitionen haben sich also aus der Sicht des Stadtmarketings doppelt gelohnt. Da kann man etwas von lernen!

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