piwik no script img

Eisbärbabys ins ZoosWieder kein neuer Knut für Berlin

Nach nur 26 Tagen ist im Tierpark der noch namenlose Nachwuchs von Eisbärmama Tonja dahingeschieden. Das wirft viele Fragen in Sachen Tierschutz auf.

28. Dezember 2017: Eisbärin Tonja mit ihrem Baby in der Wurfhöhle im Tierpark Berlin Foto: dpa

Schon wieder ein Eisbärbaby tot. Nach nur 26 Tagen ist der noch namenlose Nachwuchs von Eisbärmama Tonja völlig dehydriert dahingeschieden. Er hat einfach nicht genug an Mamas Zitze genuckelt. Es war das zweite Eisbärbaby nach Knut, das es nicht geschafft hat. Berlin ­trauert.

Oder so. Die Autorin dieser Zeilen trauert nicht. Oder zumindest nicht um einen Eisbären im Zoo weniger. Dass niedliche kleine Bärenbabys, die unbeholfen durch künstliche Zoolandschaften tapsen, Geld in die Kassen spülen; dass sich mit einer Handaufzucht genannt Knut zu Lebzeiten ’ne Menge und nach dem Tod immer noch genug Geld verdienen ließ; dass Tierbabys sowieso einfach immer gehen: All das kann nicht über die Tatsache hinwegretten, dass hier das größte Landraubtier der Erde, das normalerweise Dutzende Kilometer pro Tag durch arktische Landschaften läuft oder schwimmt und sich am Nordpol in Blizzards einschneien lässt, um zu überleben, in einem mitteleuropäischen Zoo einfach fehl am Platz ist. Egal wie naturnah inzwischen die Gehege designt werden.

Das mag ja alles ein bisschen spielverderberisch daherkommen und einen Rechtfertigungsreflex heraufbeschwören: Die sind doch so bedroht, die Armen, und die Zoos die letzte Scholle, die den Eisbären nach dem Abschmelzen der Polkappen bleiben wird. Tatsächlich wird den freilebenden Eisbären bereits seit den 1950ern populationsmindernd nachgestellt. Erst zur Trophäenjagd, gern aus dem Flugzeug heraus. In jüngerer Zeit verkleinert sich schließlich durch den Abbau fossiler Brennstoffe einerseits und die globale Erwärmung andererseits ihr Lebensraum derart, dass es womöglich schon in diesem Jahrhundert kaum mehr Eisbären am Nordpol geben wird. Wenn man etwas wirklich traurig finden will, dann das.

Aber nun: Die Bluse ist bekanntlich näher als der Rock und der Nordpol weit weg. Also zurück zum Eisbärendrama im Lichtenberger Tierpark. Hätte so ein Eisbärenbaby neben all seiner Knuddeligkeit nicht ein Beitrag zur Arterhaltung sein können? Hätte sich dafür nicht all die Zumutung gelohnt? Dem kann nur anhängen, wer daran glaubt, dass irgendwann Noahs Arche ablegt, mit ein paar verhaltensauffälligen, sich schwer fortpflanzenden Eisbären an Bord, die nie das Jagen gelernt haben. Die Frage ist dann nur: Wohin?!

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...rammeln für die Touristen.

  • Ach ja? Es gibt nichts traurigeres als das Schicksal der Eisbären? Da bin ich aber andrer Meinung.

     

    Wenn ich etwas WIRKLICH traurig finde, dann ist es die Tatsache, dass ein Lebewesen, das im Zuge einer Klimakatastrophe beinahe ausgestorben wäre und heute die ganze Welt bewohnen kann, vom Urwald am Äquator über Wüsten, Tundren, betonierte Straßenschluchten und vereiste Polstationen bis hin zu künstlichen Bohrinseln auf dem Meer, U-Boten oder Raumstationen, dass eine Art, die sich wer weiß was einbildet auf ihre Fähigkeit zur (Selbst-)Reflexion, dass das angeblich klügste Tier der Erde bis heute nicht im Stande ist, sich selbst und seinesgleichen ein artgerechtes Leben zu ermöglichen, und statt dessen seine Mitgeschöpfe ausrottet und den Planeten ruiniert, auf dem es (über-)leben muss, wenn es nicht in den Weltraum flüchten möchte vor sich selber. Schließlich ist das WOHIN noch immer nicht geklärt.