Künftige Chefin über Weserburg-Zukunft: „Museen können nachhaltiger arbeiten“
Die künftige Weserburg-Chefin Janneke de Vries über die Einzigartigkeit des Sammlermuseums, Ehrgeiz, vorauseilenden Gehorsam und Bremens Vorzüge.
taz: Warum wollten Sie Direktorin des Bremer Museums Weserburg werden, Frau de Vries?
Janneke de Vries: Ich wollte das zunächst gar nicht unbedingt, sondern habe lange hin und her überlegt, ob es für mich und das Haus richtig wäre. Aber bei der Weserburg ist Gestaltungswille gefragt, schon angesichts der Diskussionen der vergangenen Jahre und des anstehenden Gebäudeumbaus. Das ist extrem spannend – und gleichzeitig eine Riesenaufgabe.
Das Museum war in den letzten Jahren existenziell bedroht. Ist es nicht undankbar, dort jetzt Chefin zu werden?
Überhaupt nicht! Gelegentlich werde ich mir sicher die Haare raufen, weil ich so wahnsinnig war, mich darauf einzulassen. Aber wenn ich an die denke, die meinen, dass die Weserburg in Bremen überflüssig sei oder man aus dem Standort Teerhof nichts machen könne, habe ich eine unbändige Lust, sie ins Unrecht zu setzen. Den Gegenbeweis anzutreten und die Möglichkeiten für das Haus zu nutzen, ist eine sehr dankbare Aufgabe.
Ihre Berufung liegt nahe: Sie sind Direktorin der Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK), die im gleichen Haus sitzt wie das Museum. In der Debatte waren trotzdem eher andere KandidatInnen. Waren Sie überrascht?
Nein, denn ich war von Anfang an dabei. Es war sofort klar, dass mein Konzept für das Museum auf Gegenliebe in der Findungskommission stieß. Aber natürlich mussten die KollegInnen genau abwägen, ob es gut ist, dass ich so „nah“ bin.
1968 im Rheiderland geboren, in Leer aufgewachsen. Seit 2008 Chefin der Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK) in Bremen. Sie hat Kunstgeschichte studiert und war bis 2007 Direktorin des Kunstvereins Braunschweig. Das Amt der Direktorin des Museums für Moderne Kunst Weserburg tritt sie am 1. Oktober 2018 an, wenn der bisherige Leiter Peter Friese in den Ruhestand geht.
Warum ist das gut?
Ich kenne die ProtagonistInnen in der Stadt und die Themen des Museums, sowohl in der Finanzierung, der Standortfrage oder der Konzeption. Ich muss mich also nicht von Null an einarbeiten, was in der aktuellen Situation hilfreich sein kann – und bin trotzdem unabhängig genug, um neue Ideen zu entwickeln.
Bei der GAK arbeiten Sie in eher geschütztem Rahmen. Das wird in der Weserburg anders.
Das stimmt. Die Weserburg steht ganz anders im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Mein Tun wird dort stärker auf dem Prüfstand stehen, als ich es aus der GAK gewohnt bin.
Und Sie müssen nun Ausstellungen machen, zu denen möglichst viele Leute kommen.
Das ist noch die Frage. Aber eines ist ja klar: Ich mache Ausstellungen, damit die Leute sie sich ansehen! Nur: Ist eine Ausstellung erfolgreich, wenn 100 Leute am Tag kommen, die anschließend schulterzuckend und auf Nimmerwiedersehen von dannen ziehen? Oder ist sie nicht erfolgreicher, wenn 20 Leute kommen, die einen Mehrwert aus dem Gesehenen ziehen und wiederkommen? Es geht mir in dieser Frage nicht vorrangig um die Quantität, sondern um die Qualität des Besuchs.
Die Kulturpolitik interessiert sich eher für die Quantität.
Das mag so sein. Aber ich habe nicht vor, mich diesem Dogma in vorauseilendem Gehorsam zu unterwerfen. Ich will gute Arbeit machen. Und die siedelt sich gelegentlich jenseits des Konsens an.
Muss man nicht große Namen ausstellen, die viele Leute anlocken?
Man muss nicht, aber man kann – wenn der Name nicht nur groß, sondern auch gut ist. Ich halte aber eine gewisse Durchmischung für lebendiger.
Ist die Debatte, ob es überhaupt ein Sammlermuseum braucht, jetzt ausgestanden?
Ich habe diese Diskussion nie verstanden. Wenn man sich in den Museen der Welt umschaut, kann man ja nicht zu dem Schluss kommen, dass sich das Konzept überlebt hat – ganz im Gegenteil. Es war so erfolgreich, dass in Zeiten klammer öffentlicher Kassen auch alle anderen mit Sammlungen zusammenarbeiten. Es ist also nur kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Das macht aber nichts. Die Idee des Sammlermuseums ist auch zukünftig die Struktur, die die Weserburg überleben lässt.
Was macht die Weserburg einzigartig?
Die Weserburg hat Zugriff auf wichtige Arbeiten und künstlerische Bewegungen seit den 1960er-Jahren, über die kein anderes Haus in Bremen verfügt. Sie kann also einen ganz einzigartigen Blick auf die jüngste Kunstgeschichte präsentieren.
Die GAK zeigt vor allem KünstlerInnen, die noch nicht etabliert sind. In der Weserburg ist das anders. Was reizt Sie am Musealen?
Ich werde immer eine Liebe für projekthafte und experimentelle Arbeiten haben. Aber mir ist auch wichtig, aus der Kunstgeschichte heraus auf die jüngste Kunstproduktion zu blicken, sie also in Beziehung mit ihren ImpulsgeberInnen zu setzen. Das ist ein musealer Ansatz. Auch ermöglicht der Zugriff auf Sammlungen vielfältigere Ausstellungsformate. Museen können nachhaltiger arbeiten, als es im Kunstverein möglich ist: Wenn eine Ausstellung dort vorbei ist, verlassen die Arbeiten das Haus. Beim Museum bleiben sie, wenn sie zum Sammlungsbestand gehören, und können unter anderer Fragestellung erneut gezeigt werden.
Wollten Sie nicht aus Bremen weg?
Es war kein Vorsatz von mir, in Bremen zu bleiben. Mein Wunsch, die Weserburg zu leiten, hat mich tatsächlich anfangs selbst überrascht. Aber es war großartig, meine Ideen auszuarbeiten, die ich in den letzten Jahren als beobachtende Nachbarin entwickelt habe. Und wenn ich nun die Chance habe, sie in die Realität umzusetzen, ist das fantastisch! Außerdem mag ich Bremen sehr – als Stadt wie auch als Standort für zeitgenössische Kunst. Das erzähle ich auch den KollegInnen aus Berlin oder dem Ausland, die oft meinen, sie müssten mir kondolieren, weil ich in Bremen bin. Ein absoluter Trugschluss, der eben jenen KollegInnen sofort aufgeht, wenn sie selbst hier sind. Die meisten sind baff, wie lebendig die Szene ist. Ich bin in Berlin oft enttäuscht von den Ausstellungen. Zentrum oder Peripherie sind keine Kategorien in der Beurteilung von Qualität.
Hat sich Bremens Kulturbehörde bei Ihnen gemeldet?
Ich habe mich mit der Kultur-Staatsrätin getroffen, als der Stiftungsrat des Museums und ich in Verhandlungen standen. Ich wollte wissen, wie man meine eventuelle Berufung in der Behörde einschätzt – und habe uneingeschränkt Unterstützung zugesagt bekommen, zum Teil sogar recht konkret. Als Kirsche auf der Torte wünsche ich mir nun als Morgengabe von der Kulturdeputation noch eine schnellstmögliche politische Entscheidung in Sachen Standort und Sanierungszeitpunkt auf dem Teerhof, damit wir Häuser dort endlich Planungssicherheit haben.
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