die vier fragezeichen: „Vorsätzliche Beihilfe zur Folter“
Wolfgang Kaleck ist Menschenrechtsanwalt und vertritt den ehemaligen VW-Beschäftigten Lúcio Bellentani.
1 taz: Herr Kaleck, der Historiker Christoph Kopper hat gerade eine Studie vorgelegt, in der die Verwicklung des VW-Konzerns mit der Militärdiktatur in Brasilien von Mitte der 60er bis Mitte der 80er Jahre festgestellt wird. Die Studie ist im Auftrag von VW erstellt worden. Wie ist sie zu bewerten?
Wolfgang Kaleck: VW hat sich veranlasst gesehen, sich mit seiner sehr unrühmlichen Rolle damals zu beschäftigen. Das ist zu begrüßen. Und die Studie begründet die Entschädigungsforderungen der Arbeiter und ihrer Unterstützer. In den Schlussfolgerungen heißt es, dass sich das VW-Management gegenüber der Militärregierung uneingeschränkt loyal verhalten und deren wirtschafts- und innenpolitischen Ziele geteilt hat.
2 Das allein würde aber noch kein Verfahren gegen VW begründen, oder?
In der wichtigsten Passage der Studie heißt es, dass der Werkschutz die oppositionellen Aktivitäten der Beschäftigten überwacht hätte und durch sein Verhalten die Verhaftung von mindestens sieben Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen erleichtert hätte. Dies sei zu einem Zeitpunkt geschehen, als der Einsatz von Folter durch die politische Polizei bereits bekannt war. Auf Juristendeutsch ist das Beihilfe zur Folter, und zwar vorsätzlich. Das wiegt schon sehr schwer. Jetzt geht es um die Frage: Wie viel wusste das Management, welche Verantwortung hatte die Führung? Aber daran, dass es ein Fehlverhalten gab, und zwar nicht nur irgendeins, sondern Beihilfe zu einer Völkerstraftat durch VW-Angehörige, und dass das auch der Politik von VW entsprach, das ist jetzt klar.
3 Was sollte der Konzern tun?
VW wäre gut beraten, wenn sie jetzt proaktiv Entschädigungen anbieten würden, und zwar sowohl individuelle als auch eine Form von kollektiver Entschädigung. Die Arbeiter sprechen ja davon, eine Erinnerungsstätte aufbauen zu wollen. Es wäre gut, wenn VW das jetzt selbst in die Hand nimmt.
4 Das alles erinnert an die Studie, die Mercedes-Benz in Bezug auf die „verschwundenen“ Gewerkschafter in Argentinien vom Völkerrechtler Christian Tomuschat erstellen ließ. Die allerdings wusch den Konzern praktisch rein. Wieso ist das Vorgehen von VW so anders?
Der eine ist ein Historiker, das andere ein Jurist. Der unabhängige Historiker hat sich offenbar viel intensiver mit den Aussagen und Dokumenten der Betroffenenseite auseinandergesetzt. Interview: Bernd Pickert
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