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Neue Bücher gegen die Gefühlskälte

Vergebung, Integration und Nächstenliebe: Jedes Jahr erinnert die christliche Weihnachtsbotschaft an die universalen Werte einer friedlichen Gesellschaft. In neuen Büchern für Kinder wird das Thema so zeitgemäß wie farbenfroh ins 21. Jahrhundert übersetzt

Illustration von Robert Ingpen aus Charles Dickens’ „Eine Weihnachtsgeschichte und die Erzählung Ein Weihnachtsbaum“ Foto: Robert Ingpen / Knesebeck Verlag

Von Sylvia Prahl

An Weihnachten geht es um Geschenke. Aber nicht nur. Es geht auch um die Weihnachtsbotschaft, die eigentlich das ganze Jahr über gilt. Aber der jährliche Reminder für gelebte Nächstenliebe, Vergebung, Füreinanderdasein, selbstlose Großzügigkeit, Offenheit und Mitgefühl hilft, in einer von Gefühlskälte und Gewalt geprägten Welt mutig friedliche Akzente zu setzen. Gut also, dass es Geschenke gibt, die die Weihnachtsbotschaft in sich tragen.

Allen voran steht „Eine Weihnachtsgeschichte“ des englischen Schriftstellers Charles Dickens. Wie angekündigt haute der viktorianische Philanthrop 1843 „im Namen der Kinder des armen Mannes … mit dem Vorschlaghammer zu“, erdachte sich drei Geister, die den verknöcherten Geizhals Ebenezer Scrooge durch bloße Gegenüberstellung mit dessen unmenschlichem Verhalten zur Umkehr auf den Pfad der Menschlichkeit bewegen. In der schmucken Neuauflage des Klassikers ziehen immer wieder die feinziselierten Illustrationen von Robert Ingpen die Blicke auf sich. Hingebungsvoll beschwört der australische Kinderbuchillustrator die viktorianische Zeit herauf, seine Darstellung der drei Geister rufen bei Achtjährigen beachtlichen Wonnegraus hervor. Gundula Müller-Wallraf folgt in ihrer Neu-Übersetzung treffsicher dem atmosphärisch dichten Originaltext und verzichtet dankenswerter Weise darauf, die Dickens’schen Schachtelsätze zugunsten einer vermeintlich besseren Verständlichkeit für heutige junge LeserInnen zu vereinfachen. Das hat zwar zur Folge, dass man Jüngeren beim Vorlesen des Öfteren etwas erklären muss. Aber wenn eine Achtjährige mitfiebert und inständig hofft, Scrooge möge errettet werden, hat sie die Story mit dem Herzen verstanden.

Unsere Empfehlungen

Charles Dickens, „Eine Weihnachtsgeschichte und die Erzählung Ein Weihnachtsbaum“, mit Illustrationen von Robert Ingpen, aus dem Englischen von Gundula Müller-Wallraf, ab 8 Jahren, Knesebeck, München, 2017, 192 S. 24,95 €.

Francesca Bosca, „Ein Weihnachtskuchen für alle“, Illustrationen von Giuliano Ferri, minedition classic, Bargteheide, 2017, ab 3 Jahren, 32 S., 10 €.

Kirsten Boie, „King-Kong, das Weihnachtsschwein“, gesprochen von Karl Menrad, 1 CD, ca. 38 Min., ab 5 Jahren, Jumbo, Hamburg, 2017, 7 €.

Sarah Theel, „Nathan der Weise“, neu erzählt nach Gotthold Ephraim Lessing, gesprochen von Stefan Kaminski, ca. 87 Min., ab 8 Jahren, Jumbo, Hamburg, 2017, 13 €.

Rose Lagercrantz, „Das Weihnachtskind“, illustriert von Jutta Bauer, aus dem Schwedischen von Angelika Kutsch, Moritz Verlag, Frankfurt a. M., 2015, 13,95 €.

Auch in „Ein Weihnachtskuchen für alle“ von Francesca Bosca findet ein Außenseiter zurück in die Gesellschaft – die auf diese Weise Gemeinschaft ganz neu erfährt. In dem italienischen Dorf San Vitale bekommen die Bewohner traditionell vom Bäcker und seinem Sohn Luca an Weihnachten einen Kuchen vor die Tür gelegt. Doch in einem Jahr werden alle Kuchen gestohlen. Luca findet heraus, dass der im Wald lebende Holzfäller die Kuchen genommen und aufgegessen hat – er ist frustriert, weil er so einsam ist. Doch statt ihn dafür an den Pranger zu stellen, kocht Luca dem nun Bauchwehgeplagten einen Tee. Der reumütige Sünder backt in einer Blitzaktion mit Luca neue Kuchen. Sie liefern sie aber nicht anonym aus, sondern verteilen sie bei einem großen Weihnachtsfest auf dem Marktplatz. Die grobkörnigen Illustrationen von Guiliano Ferris geben der Geschichte eine träumerische Note. Mit der Entscheidung, die Dorfbewohner als Tiere aus aller Welt darzustellen, verweist er auf die universelle Gültigkeit dieser Weihnachtsbotschaft.

In der Hörversion von Kirsten Boies „King-Kong das Weihnachtsschwein“ rekapituliert der Schunkelsong „King-Kong Superschwein“ eingangs bisherige Abenteuer von Jan-Arne und seiner Meerschweinchen-Dame King-Kong. In der folgenden Geschichte mümmelt das Tier die liebevoll von Jan-Arnes Mutter gestalteten, in der Küche gelagerten und für die Kegelrunde gedachten Minitannengestecke auf.

Und weil es verboten war, den Schweinekäfig in der Küche zu säubern und King-Kong dort laufen zu lassen, verschweigt Jan-Arne die wahre Täterin, obwohl er so selbst zum Hauptverdächtigen wird – schließlich war er sauer, dass die Mutter ohne ihn Kekse gebacken hat. Jetzt werden ihm Rachegefühle angedichtet. Seine muslimische Mitschülerin Ajda bietet kurzentschlossen mit ihrer Bastel-Expertise an, neue Gestecke zu zaubern. So lernen Jan-Arne, seine Mutter und alle ZuhörerInnen, was Freundschaft bewirken kann, und dass Religionszugehörigkeit zweitrangig ist. Karl Menrad liest den Text mit Gespür für Jan-Arnes Nöte. Was ihn aber dazu gebracht hat, Ajda einen absurden türkischen Fantasie-Akzent zu verpassen, steht in den Sternen.

So lernen Jan-Arne und seine Mutter, dass Religions­zugehörigkeit zweitrangig ist

„Man ist erst Mensch und dann Angehöriger einer Religion“, ist in „Nathan der Weise“ zu hören. Sarah Theel erzählt das aufklärerische Ideen-Drama, mit dem Gotthold Ephraim Lessing 1779 die Gleichberechtigung der drei großen monotheistischen Religionen – Islam, Judentum, Christentum – ausruft, für Kinder ab acht Jahren gut verständlich neu und spannend. Stefan Kaminski gibt allen Figuren charakteristische Stimmen, die Gesichter und Szenerie vor dem inneren Auge aufscheinen lassen. Einzig seine Frauenstimmen geraten bisweilen unfreiwillig komisch. Und weil die Idee von der Gleichberechtigung der Religionen nicht überall goutiert wird, an Schulen aber schlagkräftiges Thema ist, gibt es im Booklet einen Link zu Unterrichtsbegleitmaterial.

Dass sich die Christenheit an Weihnachten gegenseitig beschenkt, weil sie daran glaubt, mit dem Jesuskind den Erlöser, der den Menschen den Frieden bringt, geschenkt bekommen zu haben, erzählt Rose Lagercrantz in ihrem Klassiker „Das Weihnachtskind“. Die Stockholmer Kinderbuchautorin, die sich als Kind fragte, warum Weihnachten gefeiert wird, erzählt die Weihnachtsgeschichte so nach, wie sie sie damals selbst gern gehört hätte: Klar und verständlich, mit weiterführenden Erklärungen und Informationen. Die von freudiger Erkenntnis erhellten Gesichter in Jutta Bauers Illustrationen unterstreichen die frohe Weihnachtsbotschaft.

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