Tatort aus Norddeutschland: Kommissar Falke und das Fracking
In der niedersächsischen Pampa wird ein Iraner ermordet. Zwischen Naziverdacht und Zombiegesichtern wird das Freund-Feind-Schema geordnet.
Wie stark gesellschaftspolitisch inspiriert die „Tatort“-Folgen um den NDR-Kommissar Torsten Falke sind, zeigte sich erst vergangene Woche: Da hievte die ARD die an den Fall Oury Jalloh angelehnte Folge „Verbrannt“ von 2015 wieder ins Abendprogramm. Kurz zuvor hatte sich herausgestellt, dass sich Jalloh 2005 in Polizeigewahrsam mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht selbst angezündet hat.
Im aktuellen Fall „Böser Boden“ geht es um die beiden Themen, die die Jamaika-Sondierungen so holprig gemacht haben: Energiefragen und Flüchtlingspolitik. In der niedersächsischen Pampa wird ein Iraner ermordet im Wald gefunden. Ob dahinter wirklich Nazis stecken oder das Böse aus einer sonst eher unverdächtigen Ecke kommt: Das ist das ideologische Duell, das die Autoren Marvin Kren und Georg Lippert hier aufmachen.
Denn Falke (Wotan Wilke Möhring) und seine immer noch neu wirkende Kollegin Grosz (Franziska Weisz) finden sich schnell mitten in einem Kleinkrieg zwischen Umweltschützern und einem Fracking-Konzern, für den der Tote als Fahrer arbeitete. Und auf einmal stehen die Familie des Iraners, sein Bruder, seine Neffen, den Aktivisten gegenüber: Das gängige Freund/Feind-Schema wird hier neu geordnet, grüne Prioritäten verschwimmen.
Dabei ist das Grauen unübersehbar: Die Kinder, die Eltern, alle sehen aus wie aus „The Walking Dead“, mit leichenblass geschminkten Gesichtern, tiefen Schatten unter den Augen. Oder dick verlaufenem 80er-Jahre-Kajal, so genau weiß man das bei den Frauen im Ensemble leider nicht. „Die sind alle nicht gesund hier“, sagt Kommissarin Grosz skeptisch, die Hände in der Manteltasche. Daraufhin Falke: „Ja, die sehen aus, als ob sie alle dasselbe Handtuch benutzen.“
Da haben Horrorfilmautor Marvin Kren, der schon andere Falke-Drehbücher schrieb, und „Club der roten Bänder“-Regisseurin Sabine Bernardi eindeutig ihr einschlägiges Genrefaible ausgelebt. Aber: Einen „Tatort“ so anzulegen, dass eine Ökoklientel mit ihren eigenen Vorurteilen und Gutmenschentumheuchelei konfrontiert wird, ist zwar eine prima Idee, nur leider ergreift einen bei „Böser Boden“ nichts, der Plot bröckelt spröde ab, die Dialoge versumpfen in Allgemeinplätzen wie: „Mensch Leute, wir müssen Tempo machen, das ist eine Mordermittlung! Das ist jetzt die wichtigste Phase hier!“
Die NDR-Folgen um Falke haben einen Ruf zu verteidigen. Nächstes Mal wieder.
Leser*innenkommentare
Philippe Ressing
...also für mich ist WW Möhring ein würdiger Nachfolger Till Schweigers, nur das Wotan weniger nuschelt. Die Story: Ein manieristischer Plot, der durch Zombie-Styling optisch aufgemotzt wird. Welch schauspielerische Herausforderung, wenn Kommissar Wotan immer wieder mit dem Ruf "Bundespolizei" durch die Kulissen tobt - hölzerner geht's nicht. Die Figur des Kommissar Falke - welch kreative Namenswahl - wirkt wie ein dreimal aufgegossener Schimanski-Teebeutel. Man schaue sich dagegen Dortmunder-Tatort oder Polzeiruf 110 aus Rostock an - dagegen wirken Möhring und Kollegen wie Knallchargen... Zu Schweiger: https://medienfresser.blogspot.de/2016/01/tatort-der-groe-schmerz-bitte-eine.html