: Verweseroder Erlöser
Joost Fokkema und seine Firma Meadow Vastgoed tun, was der Kapitalismus vorsieht: Gegen Provision besorgen sie Käufer für Höfe, die aufgegeben werden. Sollte man ihm dafür dankbar sein?
Von Benno Schirrmeister
Höfesterben, das ist letztlich auch ein irreführender Begriff: Der Hof bleibt ja bestehen, das Gebäude, die Flächen, und – meistens sind es Milchviehbetriebe, die es trifft – auch die Tiere. Das alles ist ja noch da, auch wenn die Pleite kurz bevorsteht. „Es sind nicht immer nur finanzielle Gründe“, sagt Joost Fokkema, „manchmal spielt das Alter eine Rolle, es gibt keinen Nachfolger, der weiter Landwirtschaft betreiben will.“
Fokkema ist Geschäftsführer des Unternehmens Meadow Vastgoed BV in der Kleinstadt Lemmer am Ijsselmeer. Das ist kein Feld-, Wald- und Wiesen-Immobilienhändler, sondern ein auf landwirtschaftliche Liegenschaften spezialisierter Makler. Jeder Hof, jede Betriebsaufgabe, was auch immer, „das erzählt jedes mal so seine eigene Geschichte“, sagt der Niederländer.
Aber die meisten Höfe in seinem Portfolio erzählen dann doch davon, wie es ist, wenn man gerade groß in die Modernisierung eines Milchviehbetriebs investiert hat – und dann der Preis ins Bodenlose fällt: Der eine Hof bei Leer hat einen „goede ligboxenstal“ für 100 Milchkühe 2012 gebaut, der andere hat 2013 einen tipptopp DeLaval 14er Fischgrät-Melkstand erworben, ein echtes Hightech-Teil. Der bei Nordenham hat seine Herde 2010 verdoppelt, ein neues Stallgebäude errichtet und erst vergangenes Jahr den neuen Melkplatz einbauen lassen. Und so weiter. Gestern noch stolz auf Wachstum gesetzt, heute in die Pleite geritten, so geht diese Geschichte.
Fokkema – holt die Höfe da raus. Als den Makler des Niedergangs der deutschen Milcherzeuger hat ihn die Neue Osnabrücker Zeitung deshalb einmal bezeichnet, was sich fast anhört wie Höfeleichenfledderer. Aber genauso könnte man den 43-Jährigen als Retter der heimischen Landwirtschaft verherrlichen. Denn schließlich sorgt er ja dafür, dass die Höfe einen neuen Betreiber finden. „Das sind keine Immobilien-Fonds“, sagt er. Er schließt das nicht aus moralischen Gründen aus, für ihn ist ein Interessent ein Interessent, die Provision liegt immer bei fünf Prozent, und, klar, Meadow Vastgoed macht auch in den neuen Bundesländern und in Polen Geschäfte, und im Osten, wo die Herden größer und mehr Fläche dabei ist, da könne das schon mal vorkommen, das mit den Immobilienfonds. „Aber nicht in Westdeutschland.“
Das Angebot ist riesig: Rund 5.000 Höfe haben in Deutschland vergangenes Jahr aufgegeben. Die meisten endgültig. Das könne Joost Fokkema nicht kompensieren, selbst wenn er wollte. „Letztes Jahr haben wir zwei bis drei Verkäufe gehabt“, sagt er. „Das ist sehr kompliziert.“ Vom Kontakt über die Einigung bis zur Hofübergabe, das dauere monatelang, „auch oft ein halbes Jahr, oder sogar noch länger.“
Die Kunst ist dabei eher, zu wissen, wo es eine Nachfrage gibt: Das grenzüberschreitend anzugehen, wie Fokkema es macht, ist da eine schlaue Strategie. Denn in den Niederlanden war der Preisverfall der Milch nicht so dramatisch wie in Deutschland. „Wir haben ein anderes Problem bei uns in Holland.“ Man hat sich nämlich agrarpolitisch im Wortsinn in die Scheiße geritten bei der Frage, wie die Nitrat und Phosphat-Ausbringung auf ein umweltverträgliches Maß reduziert werden könnte: Die Niederlande haben ohnehin schon eine Ausnahmegenehmigung, die ihnen erlaubt, anderthalb mal so viel Nitrat zu produzieren wie für die Fläche eigentlich nach europäischen Richtlinien zulässig ist. Aber auch diese erweiterte Obergrenze war immer wieder deutlich überschritten worden. Folge: Die EU drohte die Ausnahmeregel zu kassieren – und harsche Sanktionen zu verhängen.
Nach langem Hickhack wurde schließlich eine so genannte Phosphat-Quote verkündet. Deren Kern: ein Abstockungsprogramm. Sämtliche Rinderherden mussten verkleinert werden, um vier Prozent im Vergleich zum 2. Juli 2015. Zur Erinnerung: Das war das Jahr, in dem die Milchquote ausgelaufen war – und viele Landwirte in Erwartung einer spektakulären Preisrallye ihre Viehbestände aufgestockt hatten. „Das wollten viele nicht, und manchen ist es auch zu kompliziert geworden“, sagt Fokkema. „Wer jetzt trotzdem wachsen will, geht nach Deutschland.“ Schwierig sei, dass die Banken so zurückhaltend geworden sind. „Die sind kritisch“, sagt Fokkema, „das muss auch sein. Aber wie weit geht das?“
Meistens sind es Milchviehbetriebe, die Fokkema vermakelt. Und bei den meisten von ihnen stehen die Kühe noch im Stall: 120 Milchkühe plus Jungvieh plus 80 Mastbullen in Separatbox, 150 Kühe, Jungvieh eingeschlossen, 60 produktive Milchkühe plus Kälberbestand: Die Höfe sind quicklebendig, auch wenn sie sterben.
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