das portrait: Die Grüne Helga Trüpel redet sich um Kopf und Kragen
„Ich will keine Posten mehr“, hatte die Grüne Europa-Abgeordnete Helga Trüpel der taz Mitte Oktober in einem Interview gesagt. Anlass damals: Ihr offener Brief an die Partei, in der sie ihren Rückzug aus dem Europaparlament ab 2019 ankündigt, weil ihre Fraktion ihr zu links geworden ist. Abgesehen davon, dass sie nicht will, würde sie derzeit vermutlich auch keinen Posten mehr kriegen.
Nach ihrem verbalen Ausfall gegen den CDU-Politiker Jens Spahn, den sie auf dem Grünen Parteitag in Bremen als rechtes, schwules Schreckgespenst an die Wand gemalt hatte, folgte eine ebenso entgleiste Entschuldigung: „Bei einem Schwulen könnte frau und man ja hoffen, dass er aufgrund seiner eigenen Differenzerfahrung, mitfühlender bei Flüchtlingen und MigrantInnen wäre“, schrieb Trüpel zur Erklärung in einem weiteren offenen Brief in an die Bremer Grünen. Hoffen kann man vieles, allein: Davon auszugehen, jemand sei allein schon deshalb ein Menschenfreund, weil er schwul ist – das ist positive Diskriminierung. Warum sollte die sexuelle Orientierung eines Menschen für irgendetwas anderes eine Rolle spielen als – eben seine sexuelle Orientierung? Und wen noch mal geht die etwas an? Genau.
Schwule sind für ihre sexuelle Orientierung weder zu kritisieren noch zu loben, das müsste gerade einer Grünen-Politikerin der wirklich allerersten Stunde, wie Helga Trüpel es ist, klar sein.
Seit 1980 ist die 59-jährige, promovierte Literaturwissenschaftlerin in der Partei. Sie war Bürgerschaftsabgeordnete in Bremen und zwischen 1991 und 1995 Senatorin für Kultur und Ausländerintegration. Seit 2004 sitzt sie für die Grünen im Europaparlament. Dass „ein großes Maß an Kränkbarkeit“ zur Politik gehört, hat sie nach eigenen Angaben selbst leidvoll erfahren müssen. Ihr Spahn-Ausfall auf dem Bremer Parteitag jedenfalls schlug hohe Wellen: Die Bremer Parteiführung hatte sich von den Äußerungen distanziert, ihre Entschuldigung aber akzeptiert.
Trüpel jedoch legte nach: Sie wolle ihre Mitgliedschaft bei den Grünen ruhen lassen, bis „unsere Konflikte geklärt“ sind, schrieb sie und forderte mehr Solidarität. Als der Landesvorstand ihr daraufhin den Rücken stärkte, bekräftigte auch Trüpel ihre Absicht, sich weiter aktiv in der Partei zu engagieren.
Während bei den Grünen also fast alles wieder in Butter ist, fordert nur noch Jens Spahns Bremer Parteifreund Jörg Kastendiek, dass Trüpel ihr Mandat niederlegt – aber bis 2019 ist es ja auch nicht mehr lang hin.Karolina Meyer-Schilf
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