: DFL und DFB spielen auf Zeit
Zur 50+1-Regel und Hannover 96 gibt es einige heikle Fragen. Doch die Verbände antworten nicht
Von David Joram
Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) hat im Fall Martin Kind ein gewaltiges Problem, egal wie sie urteilt. Winkt sie Kinds Antrag auf eine Ausnahme der 50+1-Regel durch, verstößt sie gegen die eigenen Leitlinien. Blockiert sie Kinds Ansinnen, riskiert sie einen Rechtsstreit mit dem Klubboss von Hannover 96. Letzteres wollen die Herren Funktionäre um Präsident Reinhard Rauball am liebsten verhindern – weshalb sie sich beim Treffen am heutigen Dienstag in Frankfurt am Main eine sehr schlaue Lösung einfallen lassen müssen.
Sorgen bereiten der DFL die eigens entwickelten Leitlinien, die als „Rundschreiben Nr. 30“ am 12. Dezember 2014 an alle 36 Erst- und Zweitligisten verschickt wurden. Darin ist festgelegt, welche Voraussetzungen ein Investor erfüllen muss, damit er die 50+1-Regel aufheben kann. Kind erfüllt die DFL-Anforderungen nicht, wie eine taz-Recherche („Erhebliche Zweifel an Kind“) ergab. Der Großburgwedeler Hörgerätehersteller hat Hannover 96 nicht erheblich genug gefördert. Fakt ist allerdings: Kind hat Ende August einen Antrag eingereicht, mit dem er eine Ausnahme der 50+1-Regel erreichen will. Dass er – oder sein Anwalt Christoph Schickhardt – dabei mit der DFL kooperiert haben, liegt nahe. Im Ergebnis dürfte man sich auf eine Mogelpackung geeinigt haben: Kind darf das Fußballunternehmen – die Hannover 96 KGaA & Co. GmbH – übernehmen, ohne die DFL-Richtlinien beachten zu müssen. Dafür steht der DFL dann kein Ärger ins Haus.
Weil nun aber auch öffentlich bekannt ist, dass gemogelt wird, muss die DFL ihre Entscheidung ordentlich verkaufen. Anders gesagt: Sie muss sich die Frage stellen, wie sie die Fans am besten für dumm verkauft, ohne dass selbige es merken. Entsprechende Anfragen der taz an die DFL blieben bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Etwa: Gelten die Kriterien des Rundschreibens, die nach unseren Informationen bei Herrn Hopp angelegt wurden, genauso für Martin Kind? Oder: Muss Martin Kind – genauso wie dies bei Herrn Hopp der Fall war – einen Mitgliederbeschluss einholen, damit die Ausnahme von der 50+1-Regel wirksam wird?
Diesbezüglich fährt auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) eine Hinhalte-Strategie: Er spielt ganz offiziell auf Zeit. „Besagte Thematik Hannover 96 ist derzeit bei der für die Bundesliga zuständigen DFL anhängig. Der DFB wird sich mit dem Thema beschäftigen, sollten DFL und Hannover 96 den Vorgang entsprechend vorangetrieben haben. Wir bitten daher um Verständnis, dass wir uns dazu momentan nicht weiter äußern.“ Ob ganz generell ein Mitgliedervotum verlangt wird, müsste man beim DFB allerdings wissen – ganz unabhängig vom Fall Hannover 96. Der DFB wäre letztinstanzlich für die Frage zuständig, ob 50+1 in Hannover umgangen werden darf oder nicht. Er muss einen von der DFL genehmigten Ausnahmeantrag final absegnen.
Dass der Fall Kind gleich mehrere Gschmäckle hat, offenbarte neben der taz auch der Spiegel. Das Magazin berichtete über ein Gutachten der renommierten Wirtschaftsprüfer Baker und Tilly, wonach die Stimmenanteile, die Martin Kind dem e. V. für 12.750 Euro abkaufen will, mindestens zehn Millionen Euro wert seien.
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