: Am Ende sticht der Krimi
ZDFneo gibt sich eine neue Optik. Der Spartensender will innovativ sein und als Experimentierplattform gelten. Doch die Quoten kommen woanders her
Von Jens Mayer
Dass der Sender seiner Zeit tatsächlich voraus ist, hat ZDFneo am vergangenen Dienstag bewiesen. Da hatten sich die Mainzer dazu entschieden, die eigentlich für Sonntag angekündigte Make-up-Korrektur des Sendergesichts spontan vorzuziehen: neues Logo, neue Typografie, neue Farben. So easy kann das beim Ableger des alten und schwerfälligen Stammsenders gehen!
Das passt zum Image des 2009 gestarteten ZDFneo, das sich von Anfang an als „Experimentierplattform“ verstanden hat. So hatte sich der damalige neo-Senderchef Norbert Himmler auf der IFA vor einem angemalten Müllcontainer voller Wasser präsentiert, der mit Einstiegsleiter und Luftmatratze zum Swimmingpool umfunktioniert worden war. „Um zu zeigen: wir machen’s einfach mal anders.“
Die Sender-Prämisse gilt noch heute: „Er soll jung und er soll hip sein – er soll aber auch öffentlich-rechtlich sein.“ Diese bemüht wirkende Jugendlichkeit erinnert zwar an den einstigen Spaßwahlkampf der FDP, doch in den folgenden Jahren zeigte ZDFneo immer wieder, dass es ihm ernst war mit dem Wunsch, eine Innovationsplattform zu sein, die auch Nachwuchstalenten eine Chance gibt.
Bezeichnend dafür ist das „TVLab“, das seit 2011 als Versuchslabor neue Formate präsentierte und die Zuschauer über die Gewinner abstimmen ließ. Inhaltlich war hier vieles unausgegoren – aber immerhin entstand so der Eindruck eines lebendigen Senders. Dazu kamen prägende Formate wie „neoParadise“ mit Joko und Klaas oder „Bambule“ mit Sarah Kuttner – die mittlerweile jedoch allesamt eingestellt sind.
„Wir haben viele tolle Formatideen realisiert und uns sowohl beständig als auch selbstkritisch damit auseinandergesetzt“, erklärt Simone Emmelius, seit 2012 Senderchefin von ZDFneo, die Entwicklung des Senders. „So sind wir immer präziser und fokussierter geworden.“ Emmelius kann sich selbstbewusst präsentieren: Die Marktanteile des Senders, die zum Start 2009 noch mit einer Quote von 0,0 Prozent für die US-Comedyserie „30 Rock“ Häme über sich ergehen lassen musste, sind mittlerweile beachtlich. Branchenmeldungen von Rekordquoten scheinen diese Einschätzung zu bestätigen.
Schaut man sich aber diese Erfolge – mit Anteilen von um die 7 bis 8 Prozent – genauer an, wird deutlich, dass ZDFneo diese Zahlen fast ausschließlich mit Wiederholungen bewährter Krimi-Formate des Hauptsenders erreicht: „Wilsberg“, „Ein starkes Team“ oder „Einsatz in Hamburg“ laufen allesamt erfolgreich im Hauptprogramm und werden hier wiederverwertet. „Das Entscheidende ist hier eben, diesen Sendungen eine feste Adresse für ihre Zielgruppe zu geben“, entgegnet Emmelius. „Also 25- bis 50-Jährigen das Gefühl zu geben, immer ein Programm vorzufinden, das sie interessiert, wann immer sie ZDFneo anschalten. Und ich müsste doch verrückt sein, das im Hauptprogramm vorhandene tolle Angebot nicht genauso mit einzubeziehen wie beispielsweise englische, dänische oder belgische Serien, die ebenso auf das Profil von ZDFneo einzahlen.“
Doch der Anteil der jüngeren Zuschauer bei den genannten Krimi-Reihen ist weitaus kleiner, als die Gesamtzahl suggeriert, über die Hälfte liegen hier über dem Alter der Zielgruppe. Insgesamt sieht ein zufällig ausgewählter Wochentag im ZDFneo-Programm dann doch weniger innovativ aus als gedacht: Wiederholungen von „Lanz kocht!“ und „Lafer!Lichter!Lecker!“ werden von mehrfachen Slots der Trödelshow „Bares für Rares“ und den ZDF-Krimiserien „Heldt“ und „Der Ermittler“ abgelöst, dazwischen darf der gute alte „Columbo“ ermitteln oder die erstmals 2005 im Hauptprogramm ausgestrahlten „Krimispezialisten“ der BBC sind dran. Am Donnerstagabend beschränkt sich das Innovationsprogramm von ZDFneo auf das Aushängeschild Jan Böhmermann mit seinem „Neo Magazin Royal“ und die Netflix-Serie „Orange Is The New Black“.
Mit der Übernahme von ZDFneo-Formaten ins Hauptprogramm tut man sich dagegen schwerer. Selbst Böhmermann muss sich mit einem späten Freitagnachtplatz begnügen. Viel zu sehen bekommt man im Hauptprogramm von der Innovationsschmiede nicht.
Bei neo setzte man zuletzt verstärkt auf die Produktion von eigenen Serien. Ob und wann sich für den Sechsteiler „Tempel“ mit Ken Duken oder die jüngst vorgestellten Serien „Bruder – Schwarze Macht“ mit Sibel Kekilli oder „Lobbyistin“ mit Rosalie Thomass jedoch Sendeplätze im Hauptprogramm finden lassen, muss auch Emmelius offenlassen.
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