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Ausbildung nach DienstherrenartSozialarbeiter auf Bestellung

Hamburg plant „dienstherreneigenen“ Studiengang für Soziale Arbeit bei Behörden. Professoren fordern stattdessen mehr Regel-Studienplätze.

Für Hamburg sind vor allem selbst ausgebildete Sozialarbeiter wertvoll Foto: dpa

Hamburg taz | Als SPD und Grüne ihren Koalitionsvertrag schrieben, liebäugelten sie dort auch mit einem „dienstherreneigenen Studiengang“ für Sozialarbeiter im öffentlichen Dienst“. Die jungen Menschen, die später in Jugendämtern arbeiten sollen, wären schon im Studium Beamtenanwärter und verdienten Geld. Es gehe darum, sie „frühzeitig fest als Beschäftigte oder Beamte an die Stadt zu binden“, heißt es im „Vorkonzept“, das der taz vorliegt. Doch die Sache führt zu Ärger.

„Spaltung“ der Sozialarbeiter befürchtet

Inzwischen liegen drei kritische Stellungnahmen vor. Außerdem kritisierte der emeritierte Professor der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Manfred Neuffer in der Jugendhilfe-Zeitschrift „Forum“, dass eine Spaltung der Sozialarbeiter drohe: Auf der einen Seite die, die beim Staat arbeiten, auf der anderen der Rest. Es könnten künftig in den Jugendämtern „nur noch die intellektuell geschulten Vertreter der offiziellen Linie“ arbeiten, sagt der HAW-Professor Knut Hinrichs.

Sozialarbeiter

In Hamburg arbeiten über 3.000 Sozialarbeiter bei der Stadt. Darunter etwa 1.320 in den Bezirken, 1.100 an Schulen und 380 beim Landesbetrieb Erziehung. Dazu kommen Sozialarbeiter bei freien Trägern.

Die HAW hat im Bachelor-Studiengang Soziale Arbeit 200 Plätze. Darauf gab es 2016 3.163 Bewerber.

Die Evangelische Hochschule hat in Sozialer Arbeit 65 Bachelorplätze und 25 Masterplätze.

Das Studium dauerte früher vier Jahre, wurde durch die Bachelor-Reform auf 3,5 verkürzt.

Denn es gibt seit Jahren ein Spannungsverhältnis zwischen Beschäftigen der Allgemeinen Sozialen Dienste (ASD), wie die Jugendämter heißen, und der politischen Führung. Die Beschäftigten müssen mehr Verwaltungsarbeit machen und haben weniger Kontakt mit den Menschen, um die es geht. Manch einer hört auf, weil es nicht das ist, wofür er studiert hat.

Das „Zentrum für Aus- und Fortbildung“ (ZAF) erstellte bereits Anfang 2016 das „Vorkonzept“ und trat darüber mit der HAW in Verhandlung. Die Aufnahme von 40 städtischen Studierenden könne der HAW helfen, den vor zehn Jahren eingeleiteten Abbau von Studienplätzen zu kompensieren, heißt es dort. Immerhin stehen fünf Millionen Euro jährlich bereit.

„Wir haben im Department Soziale Arbeit lange verhandelt und uns bemüht, das umzusetzen“, sagt Hinrichs. „Es hat nicht funktioniert, weil die Stadt andere Pläne hat“. Sie wolle „punktgenau“ für den ASD ausbilden. Im Lehrplan würden sechs Module umgeändert, kritisiert auch Neuffer. So solle das Modul „Vertiefung empirischer Forschungsmethoden“ wegfallen, dafür mehr Recht gelehrt werden. Außerdem soll es auch in den Semesterferien ein Spezial-Programm geben.

Die Stadt will Bewerber auswählen

Die Stadt soll auswählen, wer überhaupt einen Studienplatz bekommt. Auch das passe nicht zur Autonomie einer Hochschule, bemängelt Neuffer. „Es trifft zu, dass das Department fachliche Bedenken hat“, erklärt die HAW-Pressestelle. Diese würden „ernst genommen und intern sowie mit der Wissenschaftsbehörde diskutiert“.

Weil die HAW sich sperrte, ging die Stadt im Frühjahr 2017 mit dem Angebot auf die Evangelische Hochschule (EHS) in Horn zu. Dort sammelten Kritiker mit einer Protest-Petition 462 Unterschriften. Man fürchtete um den Ruf der Hochschule als „selbstständig kritisches Organ“. Andere Hochschulmitglieder dagegen sahen in dem Angebot eine Chance. „Wir befinden uns in einem Verständigungsprozess“, sagt Prorektor Christof Beckmann. Eine Weile werde das noch dauern.

Derweil verschickte Anfang der Woche Ver.di eine Erklärung, die auch Lehrende beider Hochschulen unterschrieben. Die Forderung: Dem Fachkräftemangel solle die Stadt anders begegnen –durch eine Ausweitung der Studienplätze an HAW und EHS. Damit könne der seit den 1990ern erfolgte Abbau korrigiert werden. Zuletzt kamen an der HAW auf einen Platz 16 Bewerber. Und zudem könne man doch das in den 90er-Jahren abgeschaffte „Anerkennungsjahr“ für diesen Beruf wieder einführen, um Praxisnähe zu schaffen.

Die Sozialbehörde beantwortet keine Fragen zum Studiengang und bestätigt nur, dass es „viele Gespräche“ gebe.

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2 Kommentare

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  • So neu ist das alles nicht. Die Fachhochschulen für Öffentliche Verwaltung des Bundes und der Länder gibt es schon seit mehr als 30 Jahren.

  • Das glaub' ich unbesehen, dass SPD und Grüne in Hamburg mit einem „dienstherreneigenen Studiengang“ geliebäugelt haben!

     

    Alleine schon das Adjektiv! Kaum etwas passt zum elitären Hamburger Führungsschichten-Selbstverständnis besser als Menschen, die sich als Herren begreifen, denen andere zu Diensten sind, woraus die Herren wiederum gewisse Eigentümerrechte ableiten zu dürfen glauben.

     

    Nun ja. Die Zeiten sind halt so. Auch Pfeffersäcke können jeden mühsam ergaunerten Euro nur einmal ausgeben. Und einen Euro, den man in die Unterstützung und Betreuung der angeblich sozial Schwachen, ja fast schon Asozialen da selbst verschuldet Abgehängten investiert hat, kann man nicht anderen Herren zuschustern. Herren, denen man gerne zu Diensten wäre, weil sie sich ihrem Eigentum gegenüber nachweislich bereits verpflichtet gezeigt haben. Zum Beispiel dadurch, dass sie es an attraktiver Stelle (re-)investiert haben.

     

    Nein, ich glaube nicht, dass die Hamburger Sozialbehörde auch nur begreift, worin das Problem bestehen soll, wenn sie sich künftig ihre Dienstanwärter auf den zeitgeistig verkrümmten Leib schneidern lässt. Schließlich: Dass mit ihrem Leib etwas nicht stimmen könnte, schließt sie ja offenkundig aus. Reden wird man jedenfalls nicht darüber in den vielen Gesprächen, wollen wir wetten?